Dienstag, 29. Dezember 2020

Neue Arbeitswelt

Neu im Job - und nur im Home Office

Eine Mitarbeiterin fängt einen neuen Job an. Der gesamte Bewerbungsprozeß einschließlich Vorstellungsgesprächen lief nur online. Die ersten Arbeitsmonate fanden im Home Office statt.
Eine Abteilung erhielt vor Monaten eine neue Chefin. Die Mitarbeiterinnen haben sie bisher noch nicht persönlich kennengelernt. Sie arbeitet nur im Home Office.
Zwei tatsächlich erlebte Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Man sollte sie nicht vorschnell als coronabedingte Notlösungen abtun. Das sind die Vorboten der neuen Arbeitswelt. Diese Entwicklung wird weitergehen. Sie wird sich zunächst vielleicht wieder etwas verlangsamen, wenn die Pandemie im Griff ist. Es wird wieder mehr Bürotage geben, aber die örtliche und zeitliche Arbeitsflexibilität wird zuehmen. Ebenso sollte man mit Urteilen vorsichtig sein. Ist das gut oder schlecht? Es ist auch noch zu früh schon über Vor- und Nachteile zu sprechen.

Dienstag, 15. Dezember 2020

Warum gibt es eigentlich die Purpose-Diskussion?

Weil Unternehmen sich schwer tun, einfach nur Unternehmen zu sein

"Eine Beobachtung aus der Organisationsforschung  ist, dass Unternehmen große Schwierigkeiten haben, schlicht zu akzeptieren, was sie sind: nämlich einzig Unternehmen - Wirtschaftsbetriebe, die auf Gewinnstreben ausgerichtet werden. Alle möglichen Bilder und Umschreibungen, die das zu mildern suchen, sind eigentlich Ausflüchte und Verdrängungstaktiken......Vielleicht liegt es in der Sutuation heutiger, von Legitimationszwängen beeinflusster Unternehmen, dass sie sich so bemühen, gerade nicht als typisches Unternehmen zu erscheinen......Vielleicht scheuen sich Personalmanager und Organisationsentwickler vor dieser Darstellung, weil sie zugestehen müssen, dass ihr Unternehmen eigentlich ziemlich normal funktioniert, der Büroalltag wie in jeder anderen Verwaltung bewältigt wird und man es mit Familie, Partizipation und Demokratie nicht besonders erntst nehmen kann."

Dienstag, 8. Dezember 2020

Corporate Purpose - ein großes Rätsel?

9 von 10 Fach- und Führungskräften sind überzeugt, dass der Purpose für Organisationen wichtig ist, aber 59 % können den Purpose der eigenen Firma nicht benennen. 

Die sind die haarsträubenden Ergebnisse einer Purpose-Studie von Kienbaum und Human Unlimited,
die HBMonline unter der obigen Übetschrift veröffentlichte. Nun muss man derartige "Studien" von Beratern als Marketinginstrumente richtig einschätzen. An Führungskräfte, die den Purpose ihrer Firma nicht kennen, muss man allerdings schon die Frage stellen, ob das ganze Sinn-Geschwafel ihnen vielleicht den Verstand vernebelt hat.

Samstag, 28. November 2020

Laterales Führen

Ein schwer greifbares Phänomen

Anlaß für diesen Post ist das Buch von Stefan Kühl, "Laterales Führen". Es soll hier allerdings nicht darum gehen, das Buch zu rezensieren, sondern vielmehr das Konzept als solches zu diskutieren. Eine Bemerkung zu dem Büchlein (76 S.) dennoch vorab: Wer sich über laterale Führung informieren will, kann es gerne zur Hand nehmen. Es ist verständlich geschrieben und bietet in kompakter Form einen guten Einstieg und Überblick. Die Leserin sollte jedoch nicht überrascht sein, wenn sie das Buch nach der Lektüre etwas ratlos zur Seite legt. So ist es mir jedenfalls gegangen. Das liegt weniger an dem Buch, als an dem Ansatz selbst.

So schaffen sie Ordnung auf ihrem Schreibtisch

                      Taylor-Schreibtisch

Mit nur wenigen Aktualisierungen läßt sich dieser arbeitswissenschaftlich durchgestaltete Schreibtisch nach dem Entwurf von F.W. Taylor auch auf das Home-Office anwenden.

 

Sonntag, 22. November 2020

Ist es eigentlich notwendig, dass die Kanzlerin sich so intensiv um die Pandemiebekämpfung kümmert?

Was können Manager daraus lernen?

Pandemiebekämpfung scheint Chefsache zu sein. Die Kanzlerin an vorderster Front im Kampf gegen die Pandemie. Ob im regelmäßigen, mühevollen Kampf mit der föderalegoistischen und auch profililierungsgetriebenen MinisterpräsidentInnenriege oder in der wöchentlichen Videobotschaft, Merkel ist immer präsent. Das kommt bei der Bevölkerung gut an. Unangefochten führt die Kanzlerin die Umfragehitparade der Politiker an.

Samstag, 7. November 2020

Big Brother is watching you

Workplace Analytics - Ist das die Zukunft des Performance Managements? 

Führungskräfte, denen die jährlichen Beurteilungsrunden ein Graus sind, können aufatmen. Bald sind die Zeiten vorbei, in denen noch persönlich mit den MitarbeiterInnen über Leistung geredet werden muss. Schon heute gibt es Technologien, mit deren Hilfe man bestimmte Verhaltensaspekte von Beschäftigten erfassen, mit anderen Merkmalen kombinieren und so Aussagen über deren Leistungsverhalten, pardon, deren Performance, generieren kann. Der Chef braucht nicht mehr mühevoll über einem Beurteilungsformular zu grübeln, um einen Punktwert hinzubiegen, der seiner Mitarbeiterin nichts von der Leistungszulage wegnimmt oder alternativ ihr über eine Erhöhung der Leistungszulage eine kleine Entgelterhöhung bringt.

Freitag, 30. Oktober 2020

Wieviel Flexibilität geht eigentlich?

Diskussionen um die Zukunft der Arbeit werden oft engstirnig geführt

Da hat ein "ZP Thinktank Future of Work" fünf Thesen zu eben diesem Thema formuliert. Wie üblich wird die Veröffentlichung des Thesenpapiers mit lautem Drohgetrommel in Richtung HR begleitet. Allein die Überschrift sagt schon vieles: "Zukunft der Arbeit: HR - Du hast (k)eine Chance, nutze sie". Entsprechend anspruchsvoll ist die Zielsetzung. HR soll aufgerüttelt werden und sich - wieder einmal - neu ausrichten.

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Purpose - auch für Beschäftigte ohne Sinn

Unternehmen sind nicht für Sinnstiftung zuständig 

Aus der spärlichen, fundiert kritischen Diskussion, die es zu Purpose gibt, ist das berechtigte Argument zu hören, dass es einem Unternehmen nicht zusteht, den Beschäftigten Sinn überzustülpen. Für die Sinnstiftung in der Belegschaft ist der Arbeitgeber nicht zuständig. Das Unternehmen gewinnt den Sinn seiner Existenz aus dem, was es an Produkten oder Dienstleistungen anbietet und aus dem Ergebnis, sprich Gewinn, das es daraus erzielt. 
Die MitarbeiterInnen kommen mit unterschiedlichen Sinnvorstellungen zur Arbeit. Die Basismotivation für die meisten dürfte zunächst die Sicherung des Lebensunterhaltes sein. Darüberhinaus wollen sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen möglichst adäquat einsetzen, wollen Karriere machen, suchen Anerkennung und Wertschätzung, wollen auch etwas Freude dabei haben oder vielleicht nur einen Job machen, um damit Geld zu verdienen.
Zusätzliche Sinnstiftung ist für beide Seiten nicht notwendig.
Nun argumentieren die Purpose-Jünger gerne mit Umfrageergebnissen, nach denen die Beschäftigten angeben, 'etwas Sinnvolles' arbeiten zu wollen, etwas zur Verbesserung der Gesellschaft beitragen zu wollen und dass ihnen das sogar wichtiger wie Geld sei. Da muss man genau hinschauen, was wirklich gefragt wurde. Wenn sich jemand auf eine Stelle bewirbt, werden höchstwahrscheinlich die vorhin genannten Gründe die zentrale Rolle spielen. Wenn die im Großen und Ganzen erfüllt sind, wird der Beschäftigte auch das Gefühl haben etwas Sinnvolles zu tun.
Dass ein Paketbote möglicherweise gerne eine andere Tätigkeit ausüben würde, kann man leicht nachvollziehen. Der stellt sich aber dann wahrscheinlich einen besser bezahlten, leichteren und weniger stressigeren Job vor. Ob ihm  'Sinnangebote' seines Arbeitgebers helfen, sein Paketbotendasein mit größerer Freude anzunehmen, ist fraglich.
Ob es also wirklich 'sinnvoll' ist, ob es bei den Beschäftigten eine motivierende und leistungssteigernde Wirkung hat, wenn ein Unternehmen über seinen 'normalen' Daseinszweck hinaus den Beschäftigten einen Sinn ihrer Arbeit zu vermitteln versucht, ist fraglich. Kritisch zu sehen ist in jedem Fall, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten Sinn aufoktroyiert. Das beliebte 'Wir sind eine Familie' beispielsweise ist unsinnig und mittlerweile auch abgegriffen. 
Die MitarbeiterInnen dürften dann motiviert arbeiten, wenn sie das Gefühl haben, ihre individuellen Sinnvorstellungen in die Arbeit einzubringen und nicht die zwanghaft übernehmen zu müssen, die ihnen der Arbeitgeber vorsäuselt.
 
 
 

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Purpose

Wie aus Sinn Unsinn wird 

Der Sinn eines Unternehmens besteht darin, bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu erzeugen und diese erfolgreich zu vertreiben, sprich Gewinn zu erzielen. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Daraus lassen sich freilich Konsequenzen ableiten, die die Sinnhaftigkeit unternehmerischen Handelens anreichern könnten. Das Unternehmen kann dafür sorgen, dass seine Beschäftigten zu fairen Bedingungen angestellt und bei der Arbeit wertschätzend behandelt werden. Diese Grundsätze sollten natürlich auch für den Umgang mit den Kunden gelten. Schließlich kann es seine Steuern ordnungsgemäß entrichten.
Wenn ein Unternehmen diese Bedingungen erfüllt, dann ist es unverständlich warum der Harvard Professor Christopher Bartlett 1994 festgestellt haben soll: "Most corporations have no idea what they are here for". Das soll angeblich die Geburtsstunde der Purpose-Bewegung gewesen sein.
Welcher Sinn soll darüberhinaus unternehmerisches Handeln haben? Angeblich wollen die Beschäftgten mit ihrer Arbeit Gutes tun - was immer sie sich darunter vorstellen. Das Unternehmen soll positiv auf die Gesellschaft einwirken und zur Verbeserung der Welt beitragen. Gemeinsam will man eine lebenswerte Zukunft schaffen. Die Beschäftigten wollen nicht nur Geld verdienen, sondern einen Mehrwert schaffen. Karl Marx würde sich im Grab rumdrehen, wenn er lesen würde, wie der von ihm entwickelte Begriff verfremdet wird. Aber genau dessen ursprüngliche Bedeutung sollten sich die Purpose-Apostel nochmal zu Gemüte führen. Mehrwert ist demnach nichts anderes, wie der Profit, den die 'Arbeiter' für 'das Kapital' erwirtschaften. An diesem Grundprinzip hat sich bis heute nichts geändert. Profit ist nach wie vor der Haupt-Purpose eines Unternehmens. Dessen Erzielung und auch seine Maximierung sind die Gründe dafür, warum die oben genannten Konsequenzen nicht immer so umgesetzt werden, wie es sein sollte. Doch das wird in der Purpose-Lyrik nicht problematisiert. Das hat wohl seine mehr oder minder guten Gründe. Letztendlich dienen die schön klingenden, aber inhaltsleeren Sprüche nur der (vergeblichen) Motivation der Beschäftigten zu mehr Leistung. Sie pervertieren das, was sie verkünden ins Gegenteil. Es geht tatsächlich nur ums Geld und den ursprünglichen Marxschen Mehrwert, nicht den 'Purpose-Mehrwert'. Damit wird aus Sinn Unsinn.

Freitag, 9. Oktober 2020

Rechtsanspruch auf Home-Office

Brauchen wir eine gesetzliche Regelung? 

Um das Home Office ist fast ein Hype entstanden. Für und Wider werden diskutiert und es kommen schon erste "Gesamteinschätzungen" auf den Markt. Da darf natürlich der Bundesarbeitsminister nicht fehlen, der schon ein passendes Gesetz in der Schublade hat. So wichtig es ist, dass der Arbeitsminister derartige Entwicklungen verfolgt. Aber muss es gleich ein Rechtsanspruch auf Home Office sein? Muss es überhaupt schon eine gesetzliche Regelung dazu geben? 
Es gibt wahrlich Entwicklungen auf dem sogenannten Arbeitsmarkt, die dringender einer gesetzlichen Regelungen bedürften. Warum wird im Falle des Home Office die Entwicklung nicht noch abgewartet. Hier ist nun wirklich keine Eile geboten. Aktuell steigen die Infektionszahlen wieder an und es ist nicht von einer Reduzierung der Home Office Arbeit auszugehen. Von einer 'Normalsituation', in der man fragen könnte, wie wollen und können wir jetzt arbeiten, sind wir noch weit entfernt. Und viele Firmen haben jetzt andere Sorgen, als diese Fragen.
Ich bin aus meiner eigenen Erfahrung davon überzeugt, dass die Unternehmen, mit ihren Arbeitnehmervertretungen und auch den Belegschaften zu passenden betrieblichen Regelungen kommen. Wenn dann genügend Erfarungen vorliegen und auch die schwarzen oder grauen Schafe sichtbar werden, die derartige Situationen zur Profitmaximierung ausnutzen, dann sollte der Gesetzgeber einschreiten. Vorher sollte er die Tarifvertragsparteien ermuntern, sinnvolle Regelungen zu finden.
Der Arbeitsminister könnte sich währenddessen schon mal Gedanken machen, wie er das Arbeitszeitgesetz reformiert. Er könnte Impulse geben zu der Frage, wie kann, muss, soll Arbeitszeit heute geregelt werden, um Arbeitnehmer zu schützen. Was bedeutet Arbeitszeit heute überhaupt, in einer Zeit, in der Arbeits- und Privatzeit immer mehr verschwimmen? Das in ein Gesetz zu gießen, das soviel regelt, wie nötig, aber so wenig, wie möglich, das wäre ein schönes Projekt. Und es würde auch schon einiges davon erledigen, was es im Home Office zu regeln gibt.

Samstag, 3. Oktober 2020

Wieder ein neues Arbeitgebersiegel

Es gibt jetzt ein New Work Arbeitgebersiegel - Wem nützt das?

Versteht schon unter der Überschrift New Work jeder etwas anderes und vor allem das, was er will, mutet es - vorsichtig ausgedrückt - überraschend an, dass es jetzt dazu ein Arbeitgebersiegel gibt. Wie will man Ausprägungen eines Phänomens messen, von dem es nur ein derart diffuses Verständnis gibt? So werden als wesentliche Dimensionen von New Work  hier "Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden", "Führungskultur" und "Individuelle Entfaltung" angegeben. Für diese Dimensionen werden dann spezifische Kriterien identifiziert, an denen New Work beschrieben werden kann. Allein diese Dimensionen lassen schon erkennen, welcher Interpretationsspielraum sich dahinter eröffnet. Abgesehen stellt sich die Frage was daran neu sein soll. 
Für Frithjof Bergmann, der das Konzept in die Welt gesetzt hat, war die zentrale Frage, was die Menschen in ihrem Arbeitsleben wirklich wollen. Dies dann in der Arbeit umzusetzen, ist das Ziel. Selbst wann man als arbeitender Mensch weiß, was man wirklich will, ist es oft ziemlich schwierig, das im Rahmen der Erwerbstätigkeit umzusetzen.
Bergmann hätte sich vor der Entwicklung seiner Ideen vielleicht einmal mit den Gedanken von Karl Marx zum Reich der Notwendigkeit auseinandersetzen können, in dem sich jeder Arbeitende abrackern muss und aus dem er nur temporär ins Reich der Freiheit entfliehen kann.
Nun soll also ein Zertifizierungsprozeß den Unternehmen aufzeigen, ob sie ihren Beschäftigten die Rahmenbedingungen bieten, die diese brauchen, um das zu machen, was sie wirklich wollen. Dieses Siegel wurde von der New Work SE und der Handelshochschule Leipzig entwickelt, vermittelt also den Eindruck wissenschaftlicher Solidität. Wesentliche Daten zur Bewertung der Unternehmen werden allerdings aus den Kununu-Profilen sowie dem Kununu-Kulturkompass der jeweiligen Unternehmen entnommen. Man muss als Unternehmen also bei Kununu mitmachen, um überhaupt dieses Siegel erwerben zu können. Ob dann die Daten, die aus Kununu entnommen werden, empirisch seriös die oben erwähnten Dimensionen messen, ist eine andere Frage. Die ist aber eher sekundär, wenn man weiß, dass die New Work SE die Muttergesellschaft von Kununu ist.
Bleibt aber die Frage, warum eine Hochschule sich vor den Marketing-Karren einer Beratung spannen läßt.
Abgesehen davon ist es grundsätzlich immer fragwürdig, sogenannte weiche Faktoren in Zahlen pressen zu wollen. Was ist in einem Unternehmen anders, besser, dessen New Work Score zwei Punkte besser ist, wie der eines anderen? Was soll mir das beispielsweise als Bewerber sagen?
Darüberhinaus birgt jede Zertifizierung die Gefahr, dass der Zertifizierungsprozeß sich immer weiter von der Wirlichkeit entfernt. Es kommt darauf an, dem Formalismus der Zertifizierung zu genügen und nicht mehr darauf, die Situation in der Realität zu verbessern.
Schließlich verursachen Zertifizierungen Aufwand und kosten Geld. Also, liebe Personalerinnen, sollte in ihrem Unternehmen jemand auf die Idee kommen, wir brauchen das New Work Siegel, reden sie es ihm aus.

Donnerstag, 24. September 2020

Management by Netflix

Keine Regeln aber Hire and Fire

Der Gründer von Netflix, Reed Hastings hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "Keine Regeln" und auch die ZEIT hat fast eine ganze Seite im Wirtschaftsteil geopfert, um ihm Gelegenheit zu geben sein Gedankengut zu verbreiten.
Mit dem Buchtitel und im Interview versucht er den Eindruck zu erwecken, dass bei Netflix die große Freiheit herrscht, Fehler gemacht werden können und eine Kultur herrscht, die "immer alles in Frage stellt". Bei Netflix gibt es zum Beispiel die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann und wieviel Urlaub man macht. Herr Hastings übersieht dabei, dass ein derartiges Prinzip auch schon eine Regel darstellt. Auch dass er seinen Führungskräften den sogenannten 'keeper test' empfiehlt, weist darauf hin, dass bei Netflix eine spezielle Variante von Freiheit herrscht. Die Manager sollen sich regelmäßig fragen, ob man einen Mitarbeiter mit aller Kraft halten würde, wenn dieser kündigen würde. Beantworten sie diese Frage mit Nein, soll man den Mitarbeier besser direkt gehen lassen. Er bestätigt im Interview dann auch, dass in solchen Fällen Kündigungen ausgesprochen werden. Entsprechend liegt die Fluktuationsrate bei 12% im Jahr. Zum Vergleich: in dem Unternehmen, in dem ich zuletzt tätig war, liegt die Fluktuationsrate unter 3%.
Man kann großzügig Freiheit gewähren, wenn gleichzeitig ein hoher Leistungsruck aufgebaut wird. Im Grunde wird hier eine traditionell, amerikanische Hire and Fire-Kultur gepflegt, die mit einigen modern und attraktiv anmutenden Zugaben garniert wird. Altvater Taylor wäre bass erstaunt, wenn er sieht, wie man Leistung auch ohne jeglichen Aufwand an sogenannter 'wissenschaftlicher Betriebsführung' erreichen kann.
Freiheit selbst und die Vorgabe, alles in Frage zu stellen, werden hier zur zentralen alles bestimmenden Regel. Viele Detailvorgaben braucht man dann in der Tat nicht mehr. Allerdings scheint das noch nicht hundertprozentig zu funktioniern, wie die Fluktuationsrate zeigt.
 
 


Mittwoch, 23. September 2020

Kann man das Prinzip 'Söder' und das Prinzip 'Moria' verhindern?

Managementtheorien erwecken immer den Eindruck, dass sie alle Probleme, die mit Führung zusammenhängen, lösen. Das funktioniert aber keineswegs. Wieviele dieser 'Theorien' erzielten für eine begrenzte Zeitdauer große Aufmerksamkeit und verschwanden dann wieder ohne eine Spur zu hinterlassen.

Die beiden Prinzipien dürften sich kaum verhindern lassen. So lange Menschen mit eigenen Interessen in Organsiationen arbeiten, werden sie diese auch verfolgen und nicht nur die der Organisation. 

Es gibt allerdings ein Prinzip, dass die beiden zumindest in Schranken halten könnte, die Vernunft. Vernünftiges Handeln könnte für eine Führungskraft bedeuten die eigenen Interessen mit denen der Organisation und denen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen. Schon das ist schwer genug. Darum wäre das redliche Bemühen darum auch schon viel wert.

Wobei man an Vernunft hier durchaus den Kantschen Masstab der kategorischen Imperative anlegen müsste. Das egozentrische Alphatier wird es möglicherweise für vernünftig halten, ganz im Interesse der eigenen Karriere zu handeln.

Aber die Geschichte hat uns immer wieder gelehrt, dass Vernunft es oft schwer hat. Darum wird es keine Managementlehre jemals schaffen, dass in einer Organisation alle Mitwirkenden sich gleichermaßen und kontinuierlich um vernünftges Handeln zumindest bemühen.

Sonntag, 20. September 2020

Das Prinzip 'Söder' und das Prinzip 'Moria'

Die zwei bewährtesten Managementprinzipien, die in keinem Lehrbuch stehen

Natürlich sind die beiden Etiketten aktuellen Ereignissen geschuldet. Aber nicht nur deshalb wird man sie bei Wikipedia vergeblich suchen. Im Gegensatz zu sonstigen Management-Moden, für die es meist sofort ein schickes Label gibt, blühen diese Techniken im Verborgenen, dafür aber um so wirkungsvoller.

Das Prinzip 'Söder'

Ein dynamischer, ehrgeiziger, extrovertierter Chef, dessen Führungsverhalten durch Durchsetzungssärke gekennzeichnet ist, gibt eine Anweisung, die mit einer sehr anspruchsvollen Zielsetzung verknüpft ist.
In unserem Beispiel wäre das die Testaktion von Reiserückkehrern auf bayrischen Flughäfen. Da die anspruchvolle Zielsetzung sehr stark durch Zeitdruck geprägt ist, werden berechtigte Bedenken nicht geäußert. Niemand will Ärger mit dem Chef und gerade die 'Radfahrer' wollen sich in solchen Situationen erst recht profililieren und versuchen die Dynamik des Chefs möglichst noch zu übertreffen. Wenn das noch in einem traditionell hierarchisch und autoritär geprägten Umfeld geschieht, wird der Effekt noch verstärkt. Die Folge: Da bestehende Hindernisse nicht beachtet wurden, kommt es zu Fehlern. Im Beispiel die große Zahl von nicht bearbeiteten positiven Testergebnissen.
Wir wollen Herrn Söder hier nicht über Gebühr strapazieren. Ähnliches Verhalten von Führungskräften gibt es in allen Organisationen. Und es führt immer wieder zu Fehlern ohne dass es bisher gelungen ist, es zu vermeiden. Zu diesem Verhalten gehört natürlich auch, dass der Chef den Fehler zwar eingesteht, aber nicht seine eigene Verantwortung dafür.

Das Prinzip 'Moria'

Dieses Prinzip wirkt gegensätzlich zu dem oben beschriebenen. Was manchmal durchaus auch einen positiven Effekt haben kann. In den meisten Fällen allerdings, wie auch im Beispiel der Flüchtlinge aus Moria, bremst es nicht nur einzelne Dynamiker, sondern verhindert Fortschritt insgesamt. Es wird eine 'Gesamtlösung' angestrebt, es 'müssen alle im Boot sein' und 'voreilige' Beschlüsse sind sowieso nie gut. Auch die Einberufung von Ausschüssen, Arbeitskreisen oder Projektgruppen wird gerne genutzt. 
Mit diesen Argumenten lassen sich Entscheidungen trefflich verschieben. Und damit muss auch niemand Verantwortung übernehmen. 
Paradoxerweise machen sich auch die oben beschriebenen Dynamiker dieses Prinzip zunutze. Oft - nicht immer - sind sie auch mit einem Gefühl dafür ausgestattet 'woher der Wind' weht. Das ist dann eine Mischung, die durchaus gefährlich sein kann.

Diese zwei Prinzipien finden sich nicht nur in der politischen Praxis. Sie gehören sozusagen zur Grundausstattung bürokratischer Organisationen. Nach meiner Erfahrung erzeugen sie in den wenigsten Fällen positive Ergebnisse, sondern sind im Gegenteil für viele Fehlentwicklungen verantwortlich.

Dienstag, 15. September 2020

Wie schädlich es sein kann, auf eine "Gesamtlösung" zu warten

Was uns das Beispiel Moria lehren kann

Deutschland darf nicht im Alleingang eine größere Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen. Es muss eine europäische Lösung her. Doch die ist in weiter Ferne. Und damit ein 'gutes' Argument, im Moment nichts zu tun, wie bisher. Derweil kampieren die Menschen auf Lesbos weiter auf der Straße und wissen nicht wie es weiter geht. Nur keine 'voreiligen' Beschlüsse.
Das Strickmuster kommt uns doch allzu bekannt vor. In jeder Organisation wird es immer wieder bei passenden und sehr oft auch bei unpassenden Gelegenheiten genutzt.
Gott sei Dank sind die Situationen in der Regel nicht so dramatisch. Um so lockerer wird damit umgegangen. 'Es darf keine Teillösung sein, es muss ein Gesamkonzept her.' 'Wir brauchen erst ein Strategie und keine Ad-Hoc Entscheidung.' Und natürlich: 'Das kann man nur in einem Projekt ordentlich abarbeiten.' Und so weiter.
Je unangenehmer, oder auch schwieriger, komplexer, die Entscheidung ist, desto intensiver sucht man nach der langen Bank auf die man sie schieben kann. So schwer das auch fallen mag, aber gerade in komplexen Situationen müssen wir wieder lernen nach dem Prinzip 'Versuch und Irrtum' zu entscheiden. Lieber erstmal eine Teillösung probieren und dann sehen, wie es weitergeht. Wenn eine kleine Lösung falsch ist, kann man sie auch umso leichter wieder 'einpacken'. Wenn sie sich aber als richtig erweist, kann man zügig den nächsten Schritt nachschieben.
Ein solches Verhalten stellt hohe Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter und hat Konsequenzen für die ganze Organisation.  Aber ganz wichtig: das hat nichts mit "agiler Organisation" zu tun.

Mittwoch, 2. September 2020

Praxistest Personalmarketing

Diesmal: BASF

Ein junger Mann, der noch keinen Schulabschluss hat, bekommt vom Job-Center eine Broschüre für das Programm "Start in den Beruf" von der BASF. In dem Flyer ist zu lesen, dass sich dort auch junge Leute ohne Schulabschluß bewerben können und diesen dann im Laufe des Programms nachholen können. Gute Sache und für unseren jungen Mann eine interessante Perspektive.
Da ich ihn bei seiner Berufsorientierung etwas unterstütze, bin ich auf die Homepage der BASF. Dort gab es allerdings keine Möglichkeit, sich für das Programm auch ohne Schulabschluss zu bewerben. Es war auch keine Information ersichtlich, ob überhaupt und wenn ja, wie sich Jugendliche ohne Schulabschluß bewerben könnten. Also nutzte ich das angebotene Mail-Kontaktformular und fragte auf diesem Wege an, ob sich ein Jugendlicher ohne Schulabschluss noch bewerben könne. Seitdem sind über zwei Wochen vergangen. Eine Antwort habe ich bis heute nicht erhalten.
Nach einigen Tagen habe ich bei der ebenfalls angebotenen Hotline angerufen. Die Dame konnte mir meine Frage nicht beantworten, gab mir aber immerhin die Telefonnummer einer Kollegin, die das Programm betreut. Dort habe ich allerdings bisher, trotz mehrmaliger Versuche, immer nur die Computerstimme eines Anrufbeantworters erreicht, die mir mitteilte, dass die Mitarbeiterin "nicht verfügbar" ist. Beim ersten Mal habe ich noch die Möglichkeit genutzt, eine Nachricht zu hinterlassen, aber erwartungsgemäß habe ich auch darauf bisher keine Reaktion bekommen.
Man sieht, von der schick aufgemachten Homepage bis zu wirklich gutem Personalmarketing ist es ein weiter Weg. Aber vielleicht reicht es ja so für manche Unternehmen.
Im übrigen habe ich auch mit einer Leasingfirma, die mit der BASF zusammenarbeitet, in zwei Fällen eine ähnliche Erfarung gemacht. Auf die Bewerbungen kam nie eine Reaktion, auch auf eine Nachfrage nicht.

Sonntag, 30. August 2020

Die Diskussion um die Vier-Tage-Woche ist phantasielos

Tarifpolitische Taktik statt Konzept für die Zukunft

Gespür für zugkräftige Themen muss man der IG Metall schon zugestehen. Gerade jetzt die Diskussion um eine weitere Arbeitszeitverkürzung anzustoßen, garantiert Schlagzeilen. Und die Arbeitgeber tun ihr den Gefallen und packen reflexartig ihre bekannten Argumente zu diesem Thema aus. Dabei darf man die IGM nicht für naiv halten. Dass mit einer Arbeitszeitverkürzung die strukturellen Probleme beispielsweise in der Automobilindustrie nicht zu lösen sind, wissen die Gewerkschaftler nur zu gut. Aber mit der Vier-Tage-Woche liegt nun eine Forderung auf dem Tisch, die nur mit entsprechenden Gegenangeboten wieder wegzuverhandeln ist. 
Es liegt nun auch an den Arbeitgebern daraus etwas zu machen. Auch die IGM hat immer wieder bewiesen, dass sie zu vernünftigen Tarifabschlüssen bereit ist. Darum sollten die Arbeitgeber ihre bekannten Abwehrargumente in der Schublade lassen und mit phantasievollen Alternativvorschlägen in die Diskussion gehen. 
In einer Zeit, in der die Möglichkeiten des Home-Office intensiv getestet werden, erhält Arbeitszeit eine neue Bedeutung. Moderne Arbeitszeitkonzepte müssen die ganze Bandbreite von Beschäftigung abdecken, vom Home (oder sonstwo) -Office bis zur Fließband- oder Schichtarbeit. Die Forderung nach der Vier-Tage-Woche, mag sie auch noch so plakativ und taktisch geschickt sein, passt eher zur alten Industrie und greift viel zu kurz. 
Am Anfang muss heute die banal erscheinende Frage stehen, was ist eigentlich Arbeitszeit? Brauchen wir Regelungen, die eine möglicherweise künstliche Trennung zwischen Arbeits- und Privatzeit aufrechterhalten, die aber nicht praxistauglich sind? Manche Regelungen im Arbeitszeitgesetz, die schon lange gewohnheitsmässig missachtet werden, weil sie sich eben so auch nicht umsetzen lassen, sollten dabei eine Lehre sein. Was brauchen die Beschäftigten? Genau wie die Arbeitgeber wollen sie Flexibilität, aber aus unterschiedlichen Gründen und mit oft nicht deckungsgleichen Forderungen. Vor allem aber brauchen sie tatsächlich Freiraum für ihre private Zeit.
Jegliche Arbeitszeitregelung muss daher auch heute eine Schutzfunktion erfüllen. So sehr die Arbeitgeber darüber klagen und sich dagegen wehren mögen. Dann sollen sie zuerst die in ihren Reihen disziplinieren, die immer wieder versuchen, Arbeitszeitregelungen mit allen Mitteln auszutricksen.
Was früher der Kontrolle diente, kann heute zum Schutz der Arbeitnehmer eingesetzt werden. Die Stechuhr wurde abgeschafft und vielfach durch die bewährte Führungskrücke Zeitdruck ersetzt. Aber auch das wird noch mit dem Etikett selbstbestimmte Arbeitszeit verkauft.
Dennoch muss heute das Motiv jeglicher Arbeitszeitgestaltung - wo immer möglich - Vertrauensarbeitszeit lauten. Die ist die Basis für Flexibilität für beide, Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Außerdem verursacht sie wenig Aufwand. Allerdings muss auch der Gesetzgeber mitspielen und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Die könnten beispielsweise aus einer Kombination von fakultativen, nicht zwangsweise und detailliert, vorgegebenen Aufzeichnungspflichten und einem Rahmen für Maximalarbeitzeiten, die von den Tarifvertragsparteien ausgestaltet werden können, bestehen.
Ich habe zwar selbst 23 Jahre in Vertrauensarbeitszeit gearbeit und weiss, dass das mit dem Vertrauen durchaus funktionieren kann, aber ohne den Bremsfallschirm einer Schutzregeleung werden wir für's erste nicht auskommen.
Wichtiger wie das Vertrauen ist aber zunächst einmal Phantasie um die vielen guten Ideen, die es schon gibt, weiterzuentwickeln.

Sonntag, 23. August 2020

Wir brauchen ein Gesamtkonzept

In den Diskussionen und besonders in den Klagen über die Situation der Schulen am Ferienende unter Coronabedingungen gehört die Forderung zum Repertoire. Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Dieses Geamtkonzept soll alle offenen Fragen beantworten und die Sorgen des Lehrpersonals wie auch der Eltern zerstreuen.

Doch was soll das den sein, ein Gesamtkonzept? Gerade im Bildungsbereich wird die Unsinnigkeit dieser Forderung schnell deutlich. Wer das fordert, müsste konsequenterweise den Föderalismus abschaffen. Denn ein Geamtkonzept für die Schulen müsste ja bundesweit gelten. Damit ich nicht falsch verstanden werde, das wäre absolut notwendig. Aber politisch realistisch ist es aktuell nicht. Doch selbst wenn man innerhalb eines Bundeslandes bliebe, wird es schwierig mit dem Gesamtkonzept. Ein landesweites Konzept kann kaum die unterschiedlichen Situationen in Städten, Regionen und einzelnen Schulen unterschiedlicher Schularten berücksichtigen. Wollte man das versuchen, käme wahrscheinlich ein bürokratisches Meisterwerk raus, mit dem aber niemand etwas anfangen könnte.

Die Forderung nach dem Gesamtkonzept kommt uns aber nicht nur aus dem Bildungsbereich bekannt vor. Auch in Unternehmen wird gerne nach dem Gesamtkonzept gerufen, wenn jemand beispielsweise eine Idee vorträgt. Die kann man, ohne sie direkt abzulehnen, mit dem Vorschlag, sie solle in eine Gesamtkonzept einbezogen werden, unter Berücksichtigung von allerlei Fragen, wunderbar auf die lange Bank schieben, in der Hoffnung, dass sie dann vergessen wird. Oder der umgekehrte Fall, man hat ein Problem, das eigentlich zügig gelöste werden müsse, aber niemand hat eine griffige Idee. Da wird dann eine Projektgruppe installiert, die ein Konzept entwickeln soll.

Im übrigen läßt sich Gesamtkonzept auch gut durch Strategie ersetzen. Man will oder kann sich nicht mit der aktuellen Situation auseindersetzen und ruft nach dem großen Rahmen. Dabei wäre die kurzfristige, pragmatische Einzelfallentscheidung oft die bessere Lösung. Das sieht man auch in den Schulen. Warum kann eine einzelne Schule für sich nicht ein Konzept entwickeln? Warum wird in Organisationen so oft regelrecht gewartet, bis "von oben" eine Anweisung kommt? Kurz: warum funktioniert Empowerment so schwer, obwohl schon seit Jahrzehnten davon geredet wird?

Darum müssen die Verantwortlichen in allen Arten von Organisationen jetzt den Sprung ins wirklich kalte Wasser wagen und ihren Leuten zurufen: "Vergesst die Gesamtkonzepte! Ihr habt Kompetenz und Erfahrung genug, um vor Ort die passende Entscheidung zu treffen. Wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr euch auf die Organisation verlassen. Und wenn ein Fehler passiert, lassen wir euch nicht im Regen stehen und zeigen mit dem Finger auf euch. Aber auch ihr müsst Verantwortung für eure Entscheidungen übernehmen."

Schön wär's. Siehe oben. Was ist nicht schon alles über Empowerment geschrieben worden? Aber vielleicht gibt die aktuelle Situation ja doch einen kleinen Denkanstoß. Darum fangt an und vergesst die Gesamtkonzepte.

Freitag, 14. August 2020

Vom Sie zum Du...

 ....und schon wird alles besser.

Es ist schon bemerkenswert, wie leicht man durch den Gebrauch von Symbolen, Realität vortäuschen kann. Da drücken wir uns politisch korrekt aus und schon wird uns Offenheit für Diversität zugestanden. Und wenn wir fleißig Gendersternchen nutzen, kommen wir nicht in den Verdacht etwas gegen Gleichberechtigung zu haben.

Genauso ist es mit dem Du am Arbeitsplatz. So wie es zunehmend in ist, beeinflußt auch durch den Umgangston in sozialen Netzwerken, sich zu duzen, wird es gleich ideologisch überhöht. Da steht das "Sie" für eine hierarchische Denk-  und Arbeitsweise, das "Du" aber schafft Nähe und emotionale Verbundenheit, die auch im Arbeitsumfeld zu einem besseren Miteinander führt.

Um nicht missverstanden zu werden, ich trete jederzeit für unkompliziertes Zusammenarbeiten ein, ohne Krawatte und gerne per Du. Aber am Führungsverhalten, an Hierarchien, an den sogenannten Machtverhältnissen ändert das noch gar nichts. Wertschätzung kommt nicht automatisch, wenn man sich duzt. Man werfe nur einen Blick hinter die Kulissen der sogenannten agilen Methoden, die sich ja explizit Hierarchiefreiheit auf die Fahnen geschriebenen haben und Sie als Fremdwort behandeln. Mit Hilfe eines detaillierten Regelwerkes und Rollenbeschreibungen, die mühelos mit jeder klassischen Organisationsanweisung mithalten können, wird unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung des Teams ein gleichsam tayloristischer Leistungsdruck erzeugt.

Ich weiß nicht, wie weit Du bei der Lufthansa verbreitet ist, aber es wird die von Kündigungen Betroffenen sicher trösten, wenn die Kündigung per Du ausgesprochen wird. Ich wage auch zu bezweifeln, dass die Nähe und emotionale Verbundenheit in Du-Form die Qualität von Kritikgesprächen verbessert.

Hauptsache wir duzen uns und der CEO läuft zur Tarnung in Jeans und ohne Krawatte herum. Damit haben wir schon mal einen wichtigen Schritt in Richtung Wir-Gefühl gemacht. Bis zum nächsten Kostensenkungsprojekt glauben vielleicht auch einige daran.

Sonntag, 9. August 2020

HR Business Partner und strategische Organisationsberatung


Zwei Irrtümer "moderner" HR-Organisation

"Im Durchschnitt verwenden HR Business Partner nur 26 Prozent ihrer Arbeitszeit auf strategische Organisationsberatung."
Dieses Zitat stammt aus der "Studie zur HR-Strategie und -Organisation 2020" die von Kienbaum und SAP durchgeführt wurde. Wenn zwei solche Unternehmen eine derartige Studie veröffentlichen, muss man wissen, dass es sich um eine Marketingaktivität handelt, bei der als Ergebnis Defizite herauskommen, mit denen sich trefflich Beratungsansätze aufzeigen lassen. Zudem knüpfen sie an dem schon zum Klischee erstarrten, nicht mehr hinterfragten, Argument an, die Personaler beschäftigen sich zu wenig mit Strategie.
Wer jemals an einer von Beratern durchgeführten Kapazitätsanalyse teilgenommen hat, weiß außerdem dass derartige Prozentangaben mit Vorsicht zu genießen sind. Wo fängt die strategische Arbeit an und an welchem Punkt schlägt sie in operativer Arbeit um?
Abgesehen von diesen Vorbehalten, stecken in dem o.a. Zitat zwei grundsätzliche Irrtümer:
1. HR Business Partner
Der Business Partner ist keine organisatorische Rolle oder Funktion in HR. Als Dave Ulrich diesen Begriff Ende der neunziger Jahre in die Diskussion gebracht hat, beschreibt er ihn unter der Überschrift "Business Partners play multiple Roles" ausdrücklich als eine Eigenschft, eine Einstellung, die zu allen, von ihm beschriebenen vier HR-Rollen gehört: "Business Partner = Strategic Partner + Administrative Expert + Employee Champion + Change Agent. Anders ausgedrückt: Die HR-Funktion als Ganzes soll sich zum Business Partner entwickeln. Auch läßt sich aus diesem Modell keine Forderung ableiten, der Business Partner solle sich zumindest mit 40% seiner Kapazität mit strategischen Fragen beschäftigen, wie die o.a. Studie suggeriert.
Man sollte den oben zitierten Befund auch als Hinweis darauf lesen, dass es bisher offensichtlich nicht gelungen ist, den Business Partner als Rolle in der HR-Praxis funktionsfähig zu etablieren. Business Partner als HR-Funktion ist schlicht eine Fehlinterpretation. Ich selbst habe bei der Einführung des Business Partner Modells in einer HR-Organisation mitgewirkt und dabei erlebt, wie schwer sich Business Partner tun ihre Identität zu finden. Sie sollen die anderen Unternehmensfunktionen mit strategischer Organisationsberatung unterstützen. Diese aber wollen zunächst eine unkomplizierte operative Betreuung, welche die Business Partner nicht leisten dürfen. Die Künstlichkeit der Business Partner Rolle wird deshalb in der Unternehmensorganisation oft nicht verstanden.
HR muss sich insgesamt als Business Partner verstehen und in diesem Rahmen strategische Arbeit leisten.
2. Anteil strategischer Arbeit
Wenn ein Personaler, egal wie man ihn nennt, 26 Prozent seiner Kapazität für strategische Organisationsberatung einsetzt, ist das ein guter Wert. Mehr ist unrealistisch und wäre auch fehlgesteuerte Ressource. Auch in anderen Unternehmensfunktionen gibt es keine Stellen, die fast die Hälfte ihrer Kapazität für Strategie aufwenden. Ganz abgesehen davon, schwankt auch der Bedarf an Strategie im Zeitverlauf. Jede Strategie bewährt sich erst in den Niederungen der Taktik. Deshalb muss gerade bei personalrelevanten Strategien die operative Umsetzung mitgedacht werden. Wer immer das in der HR Funktion macht und wie man ihn nennt, man sollte dafür genügend Ressourcen bereit stellen. 
Leider wird das oft unter administrativ abgebucht und versucht mit vergeblichen Standardisierungsversuchen zu bearbeiten.

Die falsche Interpretation des Business Partner Modells und eine unrealistische Vorstellung von strategischer Arbeit führen die HR-Funktion auf einen Irrweg der auch die Akzeptanz durch die anderen Unternehmensfunktionen nicht fördert.




Freitag, 31. Juli 2020

Corona hat den Mythos Strategie entzaubert


Die poststrategische Phase beginnt - und damit schlägt die Stunde der Personalfunktion

Die Unternehmensberatung Kienbaum und SAP haben eine "Studie zur HR-Strategie und -Organisation 2020" veröffentlicht. Wenn eine Beratung und ein Unternehmen, das HR-Softwarelösungen entwickelt und verkauft, eine Studie zu diesem Thema veröffentlichen, kann man leicht erahnen, was dabei herauskommt. "Das veränderte Rollenverständnis der HR-Funktion als Gestalter der digitalen Transformation erfordert, dass die HR-Funktion sich zukuünftig mehr strategischen Aufgaben widmen muss." Eingeleitet mit solchen Sätzen zeigen die Ergebnisse der Studie dann erwartungsgemäß, dass die Personaler noch weit davon entfernt sind, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Nichts Neues also - wie lange wird den Personalleuten schon eingeredet, dass sie sich zu wenig um strategisch relevante Themen kümmern und stattdessen im Sumpf der Administration stecken bleiben?
Die haben die Kritik verinnerlicht und beklagen ihrerseits die fehlende Beteiligung an strategischen Diskussionen. Doch damit dürfte für die nächste Zeit - Corona sei Dank - Schluß sein. Gleich einem Tsunami hat die Pandemie alle Strategien durchgeschüttelt und manche spurlos weggespült. Darum, liebe PersonalkollegInnen nutzt die Gunst der Stunde.
In der erwähnten Studie wird von einem "Zielbild" ausgegangen, nachdem 40% der Ressourcen der HR-Funktion den Managementprozessen, dem "Fokus auf Strategic Excellence" gewidmet sein sollen. Weitere 40% stehen für die Kernprozesse zur Verfügung, worunter "die Abbildung des Employee Life Cycle" verstanden wird. Lediglich 20% bleiben für die Unterstützungsprozesse, also die Personaladministration übrig.
In einer Ausnahmesituation - wie sie die jetzige für viele Unternehmen ist - wird besonders deutlich, dass eine Personalabteilung schlecht beraten wäre, wenn sie ihre Ressourcen so verteilen würde. Aber auch in einer Normalsituation - was immer das zukünftig sein wird - ist eine derartige Aufstellung realitätsfern.
Machen wir uns das an zwei Themenfeldern deutlich, die für Unternehmen und für die Personalarbeit von hoher strategischer Relevanz sind:

Arbeitszeit

Durch Corona wurde es von heute auf morgen notwendig, Arbeit in einem bisher nicht geahnten Ausmaß ins Home Office zu verlagern. Keine Strategie dieser Welt hätte diese Aktion voraussagen können. Stattdessen ist ein Haufen operativer und auch administrativer Detailarbeit zu bewältigen, gerade von der HR-Funktion.
Trotzdem drängt sich gerade jetzt die Frage noch stärker auf, wie müssen wir zukünftig unsere Arbeit organisieren? Ohne Zweifel ist dafür ein strategischer Ansatz notwendig. Doch wenn die längerfristigere Richtung klar ist, müssen die Details der Umsetzung geklärt werden. Wer jemals ein Arbeitszeitsystem konzipiert hat, weiß, dass in einem solchen Projekt höchstens 30% der Kapazität für Strategie, dafür aber 70% für die Realisierung, einschließlich der Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung, notwendig sind. Und zu diese Umsetzungskapazität muss die Personaladministration einen wesentlichen Teil beitragen. Standardisieren kann man nur laufende und funktionierende Prozesse. Die Konzeption und Implementierung der Prozesse sind aufwendige Detailarbeit, die sehr viel Expertise erfordert.

Entgelt

Ebenso von hoher strategischer Bedeutung ist die Frage, wie wollen wir unsere Beschäftigten vergüten.
Doch auch gilt wie schon bei der Arbeitszeit. Ohne fundiertes administratives Know How läßt sich die tollste Vergütungsstrategie nicht umsetzen.

An diesen Beispielen kann man auch verdeutlichen wie stark Personalarbeit externen Einflüssen ausgesetzt ist. Beispielhaft seien nur tarifvertragliche oder sozialversicherungsrechtliche Regelungen genannt. Der Umgang damit läßt sich nicht standardisieren. Auch wenn man Fachkompetenz extern zukaufen kann, der Löwenanteil der Umsetzung bleibt im Unternehmen hängen.

Ohne Frage gibt es strategisch relevante Themen in der Personalarbeit. Diese müssen auch als solche erkannt und bearbeitet werden. Doch die Arbeit an der Strategie erfordert die laufende Rückkopplung mit den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Taktik.
Für die "Ressourcenallokation der HR-Funktion" heißt das, 40% der Kapazität für Managementprozesse sind zu viel und auch unrealistisch. Wenn der Istwert bei 19% liegt, sollte man darin auch einen Hinweis sehen, dass da möglicherweise nicht mehr soviel Luft nach oben ist.
Abgesehen davon ist die Trennung in Management-, Kern- und Unterstützungsprozesse analytisch und damit künstlich. In der Praxis sind in allen drei Prozesstypen strategische Elemente enthalten.

Dienstag, 14. Juli 2020

Der aktuellste Un-Sinn: Purpose


Purpose in Unternehmen: Wisssen sie nicht, was sie tun?

Purpose, wieder eine Wutz, die durchs Dorf getrieben wird. Und auch der geht es so, wie den armen Schweinen, die nicht mehr wissen wohin, seit der Schlachthof geschlossen ist. Was soll eigentlich das Gerede vom Purpose? Wissen Unternehmen nicht mehr wozu sie da sind? Man könnte vielleicht noch verstehen, wenn bei der Lufthansa eine Sinnfrage gestellt wird? Aber weiß beispielsweise SAP nicht mehr, wozu es da ist? Sollen keine Software mehr entwickelt oder IT-Lösungen angeboten werden, um beim Beispiel zu bleiben? Und wie sieht es mit dem Profit aus? Gehört das nicht mehr zum Sinn eines Unternehmens?

Und wie sieht es mit den Beschäftigten aus? Was macht für sie der Sinn ihrer Arbeit aus? Sie wollen ihre Kenntnisse und Erfahrungen einbringen und wertschätzend geführt werden, wozu auch eine ordentliche Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen gehören.

Aber bei der Sinnfrage soll es um mehr gehen. Welchen Beitrag leistet das Unternehmen für die Gesellschaft? Herr Thönnies beispielsweise hat diese Frage mit dem Hinweis beantwortet, dass sein Unternehmen den Auftrag habe, die Gesellschaft mit Fleisch zu versorgen. Daran sieht man, was sich alles unter Sinn verkaufen läßt. Und wenn man Firmenbeispiele liest, in denen zur erhöhten Sinnstiftung die Entscheidungsfindung soweit wie möglich nach unten verlagert wurde oder mit den Mitarbeitern mehr kommuniziert wird, dann ist das sicher positiv zu bewerten und trägt auch zur Zufriedenheit der Beschäftigten bei. Mit Sinn hat das allerdings nur in soweit zu tun, als es hilft die Leistung zu steigern und im besten Fall auch ein besseres Ergebnis zu erzielen. Womit wir dann wieder beim wesentlich Sinn eines Wirtschaftsunternehmens wären, nämlich Gewinn zu erzeugen.

So setzt sich sich das Gerede von Purpose sehr leicht dem Verdacht aus, Ideologie zu sein. Besonders deutlich wird das, wenn ein Unternehmen in der Krise ist. Wenn eine Personalreduzierung ansteht, ist von Sinn nicht mehr die Rede. Im übrigen, wenn ein Unternehmen einen Beitrag für die Gesellschaft leisten will, ist es schon ein guter Schritt, die Steuern so zu zahlen, wie es notwendig wäre.

Sonntag, 5. Juli 2020

Employee Experience

Selbst in den Schlachtbetrieben zerplatzt diese Seifenblase nicht

Auch in diesen Zeiten findet man bei einem Streifzug durch die Posts der einschlägigen Seiten immer noch Beiträge, die voll sind mit Lobpreisungen von Employee Experience, oder kurz EX. Employee Experience bedeutet ja eigentlich Erfahrung der Mitarbeiter. Bei dem Ansatz geht es darum, diese in dem Mittelpunkt zu stellen, damit die Mitarbeiter motiviert und beider Stange bleiben. In der üblichen Managementlyrik heißt das, dass inspirierende Arbeitserlebnisse geschaffen werden müssen, um das Engagement der Beschäftigten zu steigern. Wer angesichts der Situation in den Fleischbetrieben noch an derartige Lehren glaubt, muss entweder Berater oder realitätsfern sein. Nun werden natürlich die Befürworter einwenden, gerade diese Vorfälle machen deutlich, wie notwendig es ist für motivierende Arbeitsbedingungen zu sorgen. Sie merken aber wohl hoffentlich, dass sie mit diesem Argument deutlich machen, wie schwammig und unbestimmt dieses Konzept ist. Es ist ein schönes Besipiel dafür, wie für eigentlich Selbstverständliches oder Althergebrachtes ein schickes Etikett gefunden wird mit dem dann eine Zunft Geld verdienen kann.

Man muss allerdings gar nicht bis zu den Schlachtbetrieben gehen, um festzustellen, dass es mit Employee Experience in der Praxis nicht so weit her ist. Gerade hat die Bertelsmann-Stiftung eine Studie veröffentlcht, die offenbart, dass zunehmend auch qualifizierte Tätigkeiten unterhalb der Niedriglohnschwelle vergütet werden. Die Anzahl Niedriglohnbeschäftigter, die Tätigkeiten mit mittleren oder gar hohen Qualifikationsanforderungen ausüben ist seit Mitte der 90er Jahre deutlich angewachsen. Niedrige Löhne dienen nicht mehr nur dem Einstieg in den Arbeitsmarkt, sondern sind häufig ein Dauerzustand.

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ein Discussion Paper zur Lohnungleichheit bei Vollzeitbeschäftigten veröffentlicht und darin festgestellt, dass es in Westdeutschand zwischen 1980 und 2010 zu einem deutlichen Anstieg der Lohnungleichheit bei Vollzeitbeschäftigten gekommen ist.

Die Personalkosten sind noch immer die Nummer 1, wenn es um Kosteneinsparung geht. Da ändert auch alles schöne Gerede von Enployee Experience nichts dran. Wenn überhaupt ist das ein Thema fürs ganz schöne Wetter und wenn es mal sonst keine Probleme geben sollte. Aber davon sind wir am Arbeitsmarkt ja im Moment ziemlch weit entfernt. Also ab in die Mottenkiste mit EX.

Freitag, 26. Juni 2020

Führung in der Fleischfabrik

Die heile Welt der Managementtheorien

Wenn man die Berichte über die Zustände in den Schlachtbetrieben liest, muss man sich fragen, welche Wirkung haben all die unzähligen, wohlklingenden und gut gemeinten sogenannten Managementtheorien und daraus abgeleitete Ratgeberveröffentlichungen. Und man muss feststellen, dass viele dieser Verlautbarungen, insbesondere, wenn es um die 'neue Arbeitswelt' geht, von einer unglaublichen Realitätsferne gekennzeichnet sind. Beispielsweise das immer wieder zu hörende Märchen von der Digitalisierung, die uns von Routinarbeiten entlastet und uns Zeit und Raum für mehr Kreativität ermöglicht, erscheint vor dem Hintergrund der Situation in den Schlachthöfen vollends wie blanker Hohn. Würde man dieses Gerede von einer 'linken' Position aus betrachten, könnte man es als geschickte Ideologie zur Tarnung kapitalistischer Arbeitsverhältnisse einordnen.
Was sind diese Arbeitsverhältnisse anderes als Ausbeutung? Natürlich geht es um die Versorgung mit Fleisch wie Herr Th. gerne betont, aber unter der Vorgabe maximaler Profiterzeugung. Der Profit ist immer noch das letztendlich entscheidende Kriterium. Er bestimmt das Maß der Mitarbeiterorientierung.
Wenn das Ergebnis nicht mehr stimmt, steht der Mitarbeiter im Mittepunkt der Kostenreduzierung bis hin zum Sozialplan. Davor ist sogar die stolze Lufthansa nicht gefeit.
Damit ich nicht missvertsanden werde. Ich halte es für legitim, dass jemand, der investiert dafür auch einen Ertrag haben will. Nur kann der nicht auf Kosten der Mitarbeiter und auch der Kunden maximiert werden.
Was ist mit den sogenannten Managementtheorien? Soll man es besser bleiben lassen? Keineswegs, die Auseinandersetzung über Führung ist absolut notwendig. Nur muss sie fundiert und kompetent sein.
Es ist überflüssig und unsinnig windige Trends in die Welt zu setzen oder alle paar Jahre eine neue Mode in die Welt zu setzen, die mit wohlparfümierter heißer Luft alte Ideen aufbläst. Insofern darf man sich nicht wundern, wenn die weitgehend wirkungslos bleiben, nicht nur in Schlachthöfen.
Derartigen Praktiken kann man nicht mehr mit guten Ratschlägen beikommen. Hier helfen nur noch gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen. Apropos: hier wäre eine gesetzliche Verpflichtung zum Tarifvertrag sinnvoll. Damit würde nicht nur das Entgelt geregelt, sondern auch die wichtigsten Arbeitsbedingungen.
Wer angesichts der Fleischerzeugungs- und Vermarktungskette in Deutschland noch vom ausgleichenden Markt redet, der muss in der Tat verblendeter Ideologe sein. Was natürlich nicht heißt, dass die Marktmechanismen vollständig außer Kraft gesetzt sind. Wir als Verbraucher können sie wirkungsvoll beeinflussen, indem wir weniger und besseres Fleisch essen.



Donnerstag, 18. Juni 2020

Machen Stellenbeschreibungen noch Sinn?

Nicht die Stellenbeschreibung ist das Problem

Sondern wie man damit umgeht. Es gibt immer noch traditionelle Organisatoren, für die muss in einer Organisation klar geregelt sein, wer für was zuständig ist und welche Kompetenzen hat. Das muss auch schriftlich dokumentiert sein. Und es gibt auch immer noch Unternehmen, die Stellenbeschreibungen brauchen, um auf dieser Basis die Stellen zu bewerten und das entsprechende Entgelt zuzuordnen. Dann gibt es die andere Fraktion, der das alles zu starr ist. Sie wollen stattdessen lieber Aufgaben- oder Rollenbeschreibungen, mit der Begründung, damit sei man flexibler. Und die Jünger der agilen Organisation werden klassische Stellenbeschreibungen weit von sich zu weisen, obwohl die Rollen und die dazugehörigen Prozeduren der sogenannten agilen Methoden um keinen Deut weniger formalistisch sind.
Worauf kommt es denn an? In einer Organisation, gleich welcher Art, muss jeder wissen, was er oder sie zu tun hat. Das muss den Beteiligten klar sein und vor allem, ganz wichtig, je arbeitsteiliger die Organisation ist, desto mehr bedarf es der Abstimmung zwischen den benachbarten Funktionen. Ich habe bewußt Abstimmung geschrieben. Gerade an den sogenannten Schnittstellen, zeigt sich die Starrheit traditioneller Stellenbeschreibungen. Hier kann man bewußt Offenheit zulassen und damit Flexibilität ermöglichen.
Spätestens wenn man eine Stelle neu besetzen muss, muss man sich Gedanken darüber machen, was die Person auf dieser Stelle machen soll und was sie dafür mitbringen muss. Und schon ist man mittendrin in der Stellenbeschreibung. Die Informationen, die man dafür braucht, reichen in der Regel vollkommen aus.Wenn man sich bewußt ist, dass in zwei Jahren 30% davon nicht mehr aktuell sind.
Insofern sollte man sich nicht mit eher akademischen Wortklaubereien, ob es sich nun um Aufgaben- oder Stellenbechreibung handelt, beschäftigen, sondern pragmatisch fragen, was braucht die Organisation und was brauchen die Beschäftigten, um zielorientiert zu arbeiten.
Und wer Stellenbeschreibungen braucht, weil er noch ein - möglicherweise sogar analytisches - Stellenbewertungssystem zur Entgeltfindung betreibt, der sollte schnellstmöglich dieses Instrument auf den Prüfstand stellen.

Sonntag, 14. Juni 2020

Home Office

Segen oder Fluch?


"Die Heimarbeit ist diejenige Produktionsform, die infolge ihrer Rückständigkeit die schlimmste Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ermöglicht. Die Heimarbeit isoliert die Arbeiter und Arbeiterinnen, erschwert deren Organisation und macht sie daher unfähig, sich aus eigener Kraft gegen die Ausbeutung zu wehren."

Mit diesem Zitat aus einer Resolution, die auf dem 6. Gewerkschaftskongress 1908 beschlossen wurde, erinnert die ZEIT die sozialdemokratischen Minister Heil und Scholz an die einstige Ablehnung der Heimarbeit durch die Sozialdemokraten. Minister Heil will ein Gesetz vorlegen, das ein Recht auf Homeoffice gewährleisten soll.

Ein gesetzlich garantiertes Recht auf Homeoffice ist unnötig

Weder aus den Gründen, die dem Arbeitsminister am Herzen liegen, noch aus denen die das obige Zitat suggeriert. Was Heil regeln will, ist das Homeoffice, in dem die sozialversicherungsrechtlich beschäftigte Arbeitnehmerin möglicherweise arbeiten will, um Familiensituation und Arbeit vielleicht besser zu vereinbaren. Deren Situation ist jedoch in keiner Weise vergleichbar mit der der Heimarbeiter um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Ein Gesetz, das ein Recht auf Homeoffice verbrieft, müsste zwangsläufigerweise Ausnahmeregelungen und Sonderbestimmungen enthalten, wann und warum dieses Recht wieder eingeschränkt werden kann. Man kann sich leicht vorstellen, was dabei herauskommen kann. Auch die Tarifvertragsparteien sollten vorläufig die Finger von dem Thema lassen. Warum kann der Gesetzgeber die Entwicklung nicht einfach einmal mit aller Aufmerksamkeit beobachten? Eine Sondersituaton, wie die aktuelle unter Corona, taugt nicht, um mit der heißen Nadel daraus irgendwelche gesetzlichen Regelungen abzuleiten. Wenn es zu missbräuchlichen Entwicklungen kommt, kann man immer noch einschreiten.

Abgrenzen von der "klassischen" Form des Homeoffice sollte man dagegen die Arbeit der sogenannten Click-Worker. Die holen sich ihre Aufträge aus dem Netz und bekommen das entlohnt, was sie abgeliefert haben, ohne irgendwelche sozialversicherungsrechtliche oder sonstige vertragliche Bindung. Hier haben wir es mit Selbstständigen, oder wie es so schön heißt, freien Mitarbeitern zu tun. Für diese Gruppe kann das obige Zitat durchaus wieder an Aktualität gewinnen. Es wäre für den Arbeitsminister eher angebracht, diesen Teil des Arbeitsmarktes mit all seinen Ausprägungen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Doch auch die aktuell flächendeckend praktizierte Form der Homeoffice-Arbeit sollte man im Auge behalten. Einerseits ermöglicht sie den Beschäftigten Arbeits- und Privatleben besser unter einen Hut zu bringen, andererseits kann genau daraus auch ein Problem werden. Die zunehmende Entgrenzung zwischen beiden Bereichen darf nicht dazu führen, dass man nachher nicht mehr weiß, wann tatsächlich einmal Feierabend ist. Die Technik ermöglicht ständige Erreichbarkeit und damit auch Verfügbarkeit. Hinzu kommt oft eine knappe Personalbemessung, die ein permanent hohes Arbeitsvolumen zur Folge hat und damit auch das Gefühl, nicht fertig zu werden. Wenn man alle Arbeitsmittel zu Hause und die entsprechenden technischen Möglichkeiten hat, wird Druck aufgebaut, der einen auch später am Abend noch am PC sitzen läßt. Das vielbemühte Bild, nachmittags Zeit für die Kinder zu haben und abends die Mails zu checken, ist dann nicht mehr so verlockend, wenn der Druck so groß ist, dass man keine andere Wahl hat.



Sonntag, 7. Juni 2020

Demokratie in Unternehmen

In der Krise zeigt sich die Wahrheit

Die Corona-Krise muss ja für vieles herhalten. Nicht wenige prophezeihen, dass sich vieles zum Besseren wandele. Wobei das, was für besser gehalten wird, natürlich vom jeweiligen Blickwinkel abhängt.
Im Online-Newsletter des Humanresourcesmanager preist ein gewisser Bodo Antonic die Pandemie als Chance für einen Turnaround. Unter seinen durchaus richtigen, wenn auch wenig überraschenden Ratschlägen, findet sich unter der Überschrift "Der Turnaround muss konsequent geführt werden" die Empfehlung: "Überhören sie Wehklagen und vergessen sie eine demokratisch verwurzelte Diskussionskultur." Fast müsste man Herrn Antonic dankbar sein für diese Offenheit. Ich habe mich an dieser Stelle immer wieder kritisch mit Demokratie in Unternehmen auseinandergesetzt. Sollte es wirklich funktionierende demokratische Prozeduren in unternehmerischen Organisationen geben, werden sie spätestens dann auf eine harte Probe gestellt, wenn eine Krise zu bewältigen ist. Personalmaßnahmen oder gar einen Personalabbau in einer demokratischen Meinungsbildung mit anschließender Abstimmung zu bewältigen, stelle ich mir schwierig vor. Abgesehen vom Zeitbedarf müssen Persönlichkeiten versammelt sein, die in der Lage sind, eine solche Diskussion unter - zumindest zeitweiser - Hintanstellung ihrer eigenen Interessen zu führen. Je größer und heterogener die Organisation ist, desto weniger dürfte das, durchaus verständlicherweise, der Fall sein.
Ehe man also über mehr Demokratie in Unternehmen nachdenkt und vor allen Dingen redet, sollte man den Fall der existentiellen Krise durchspielen und fragen, ob das dann noch tragfähig ist. Im übrigen ist das immer eine sinnvolle Übung, auch wenn man nicht über Demokratie im Unternehmen nachdenken will.

Freitag, 29. Mai 2020

Sexismus nicht nur im Betrieb

Trotz Me Too immer wieder aktuell

Wie würden sie entscheiden? Bei der Weihnachtsfeier philippinischer Pflegerinnen in der Tübinger Uniklinik wird ein Spielchen namens Banana Eating gespielt. Ein Chefarzt klemmt eine Banane zwischen seine Beine. Eine Pflegerin kniet vor ihm und muss diese Banane mit dem Mund schälen.
Wie das heute so ist, landet ein Video davon im Netz. Die Aufregung in der und um die Klinik ist groß. Die Klinikleitung distanziert sich davon und verurteilt das Geschehen. Die beteiligten Ärzte entschuldigen sich anschließend. Der Personalrat fordert arbeitsrechtlche Konsequenzen.
Ein anderes, ganz aktuelles Beispiel aus einem renmmierten, großen Unternehmen. In dessen Kantinenbetrieb läßt ein männlicher Mitarbeiter vor den versammelten Mitarbeiterinnen die Hosen runter und präsentiert sich in der Unterhose. Auf das Zitat der begleitenden Sprüche verzichte ich hier. Einige der Zuschauerinnen lachen. Andere fühlen sich dadurch belästigt. Eine der Frauen filmt auch hier. In diesem Betrieb gibt es offensichtlich öfter solche Vorkommnisse. Manche Frauen haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und halten den Mund. Andere nehmen es wohl lockerer.

Wie sind diese Vorfälle zu bewerten? Klare Antwort für beide Fälle, so etwas geht nicht und die Verantwortlichen müssen das auch klar zum Ausdruck bringen. Arbeitsrechtlich gesehen ist der Tübinger Fall nicht eindeutig. Die ZEIT hat dem Vorfall eine ganze Seite gewidmet und Stellungnahmen fast aller Beteiligten veröffentlicht. Eine betroffene Pflegerin teilt mit, sie habe sich nicht sexuell belästigt gefühlt und auf philippinischen Weihnachtsfeiern sind derartige Spielchen durchaus üblich. Aus den Stellungnahmen der Betroffenen und Beteiligten läßt sich heraushören, dass niemand sich des sexuellen Bezugs bewußt war.
Es hat sich offensichtlich um eine betriebliche Feier gehandelt. Auch wenn einige Beteiligte offensichtlich kein Problem damit oder sogar Spaß dabei hatten, hätte der Professor zum Ausdruck bringen können dass ein derartiges Spiel hierzulande eindeutig sexuellen Bezug hat und er deshalb um Verständnis bittet, sich nicht daran zu beteiligen. Das wäre eine angemessene Reaktion gewesen, die sicher auch Verständnis gefunden hätte. Gerade Führungskräfte müssen das Standing und die Urteilskraft haben sich an solchen Aktivitäten nicht zu beteiligen und sie nicht zu unterstützen.
Damit kann man den Bogen zu den Vorfällen in der Kantine spannen.
Hier wird nämlich deutlich, wohin ein lockerer Umgang mit solchen Vorkommnissen führt. Sexistisch orientiertes Verhalten wird verharmlost und damit gleichzeitig auch gefördert. "Ist doch alles nur ein Spaß".
Das zweite Beispiel ist auch arbeitsrechtlich eindeutiger. Ein derartiges Verhalten am Arbeitsplatz ist nicht akzeptabel. Und dass so etwas dort wohl häufiger vorkommt, bestätigt meine obige These. Hier halte ich eine Kündigung für gerechtfertigt und habe das auch selbst schon in vergleichbaren Fällen praktiziert. Die von den Kündigungen Betroffenen kamen auch bei den angerufenen Arbeitsgerichten nicht weit.
Es ist für eine Organisation wichtig klar Position zu beziehen, dass das keine 'Kavaliersdelikte' sind -  wobei dieser Begriff in diesem Zusammenhang schon zynisch ist.
Und komme jetzt keiner mit dem Spruch: Bei uns gibt es so etwas nicht.




Sonntag, 24. Mai 2020

OKR: Druck durch Zielvereinbarung

Das Silicon Valley zeigt auch hier, wie es geht.

Die Führungsmethode Objectives and Key Results (OKR) soll Mitarbeiter zu nichts weniger wie Höchstleistungen führen. Das in US-amerikanischen Tech-Unternehmen entwickelte Instrument arbeitet mit gewollt unrealistischen Zielen, die ‚visionär‘ und auch durchaus abstrakt formuliert sein können. Die nachgeordneten Abteilungen setzen sich ebenfalls daraus abgeleitete sehr ehrgeizige Ziele und legen „eigenverantwortlich“ (HRMonline 5/20) konkrete „Key Results“ fest,
mit denen dann gemessen werden kann, wie die Ziele erreicht worden sind.  „Die Grundidee dahinter: Mitarbeiter aus der Komfortzone holen. Wer sich ehrgeizige Ziele setzt und den eigenen Beitrag dazu penibel misst, der macht es sich nicht gemütlich. Und erreicht so am Ende mehr, als er selbst für möglich gehalten hätte.“ 
So erwartet man bei dieser Methode von vornherein Zielerreichungsgrade zwischen 70 und 90 %. Wenn regelmäßig 100% erreicht würden, wären die Ziele zu lasch. 10% besser zu werden reicht nicht, sondern zehnmal besser soll es sein.

Unter dem Deckmantel der Eigenveranwortung wird Leistungsdruck verinnerlicht.

Was passiert hier? Den Beschäftigten wird ein abstraktes, aber anspruchsvoll formuliertes Ziel vorgegeben, dass noch mit dem schmückenden Beiwort „visionär“ versehen wird. Daraus sollen sie für sich „in Eigenverantwortung“ konkret messbare Unterziele ableiten. Je ‚visionärer‘ das Oberziel formuliert wurde, desto größer dürfte die Erwartung an die Mitarbeiter sein, für sich auch entsprechende Ziele festzulegen. Die Ziele werden unternehmensweit veröffentlicht und jeder kann sehen, wer wieviel erreicht hat und wer nicht. Damit wird jedem und jeder klar, dass alle ‚am gleichen Strang ziehen‘. Dadurch, dass es keine individuellen Boni gibt, hat man auch gleich den Effekt vermieden, der sonst üblicherweise entsteht, wenn aus abstrakten Zielen konkret messbare entstehen sollen. Es werden nicht von vornherein schon solche Werte vereinbart, die nachher auch für eine ‚garantierte‘ Übererfüllung des Ziels sorgen. Den Mitarbeitern bleibt nichts übrig, als sich dem Erwartungsdruck hinzugeben. So wird ihnen unter dem Deckmantel der Eigenverantwortung  der Leistungsdruck gewissermaßen ‚verinnerlicht‘.
Um den Druck auf dem Kessel zu halten, sind die Vereinbarungszeiträume bewußt kurz gehalten. Statt für ein Jahr, wie in traditionellen Systemen üblich, werden die Ziele für drei Monate vereinbart.
Begründet wird das, mit der höheren Flexibilität.
Dass in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, die OKR-Unternehmen würden sich auf die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter verlassen, kann man je nach Standpunkt schon als Zynismus bezeichnen. So macht auch schon ein Subtitel aus dem zitierten HRM-Artikel keinen Hehl daraus, um was es hier geht: „Mitarbeiter sollen alles aus sich herausholen.“