Sonntag, 24. Mai 2020

OKR: Druck durch Zielvereinbarung

Das Silicon Valley zeigt auch hier, wie es geht.

Die Führungsmethode Objectives and Key Results (OKR) soll Mitarbeiter zu nichts weniger wie Höchstleistungen führen. Das in US-amerikanischen Tech-Unternehmen entwickelte Instrument arbeitet mit gewollt unrealistischen Zielen, die ‚visionär‘ und auch durchaus abstrakt formuliert sein können. Die nachgeordneten Abteilungen setzen sich ebenfalls daraus abgeleitete sehr ehrgeizige Ziele und legen „eigenverantwortlich“ (HRMonline 5/20) konkrete „Key Results“ fest,
mit denen dann gemessen werden kann, wie die Ziele erreicht worden sind.  „Die Grundidee dahinter: Mitarbeiter aus der Komfortzone holen. Wer sich ehrgeizige Ziele setzt und den eigenen Beitrag dazu penibel misst, der macht es sich nicht gemütlich. Und erreicht so am Ende mehr, als er selbst für möglich gehalten hätte.“ 
So erwartet man bei dieser Methode von vornherein Zielerreichungsgrade zwischen 70 und 90 %. Wenn regelmäßig 100% erreicht würden, wären die Ziele zu lasch. 10% besser zu werden reicht nicht, sondern zehnmal besser soll es sein.

Unter dem Deckmantel der Eigenveranwortung wird Leistungsdruck verinnerlicht.

Was passiert hier? Den Beschäftigten wird ein abstraktes, aber anspruchsvoll formuliertes Ziel vorgegeben, dass noch mit dem schmückenden Beiwort „visionär“ versehen wird. Daraus sollen sie für sich „in Eigenverantwortung“ konkret messbare Unterziele ableiten. Je ‚visionärer‘ das Oberziel formuliert wurde, desto größer dürfte die Erwartung an die Mitarbeiter sein, für sich auch entsprechende Ziele festzulegen. Die Ziele werden unternehmensweit veröffentlicht und jeder kann sehen, wer wieviel erreicht hat und wer nicht. Damit wird jedem und jeder klar, dass alle ‚am gleichen Strang ziehen‘. Dadurch, dass es keine individuellen Boni gibt, hat man auch gleich den Effekt vermieden, der sonst üblicherweise entsteht, wenn aus abstrakten Zielen konkret messbare entstehen sollen. Es werden nicht von vornherein schon solche Werte vereinbart, die nachher auch für eine ‚garantierte‘ Übererfüllung des Ziels sorgen. Den Mitarbeitern bleibt nichts übrig, als sich dem Erwartungsdruck hinzugeben. So wird ihnen unter dem Deckmantel der Eigenverantwortung  der Leistungsdruck gewissermaßen ‚verinnerlicht‘.
Um den Druck auf dem Kessel zu halten, sind die Vereinbarungszeiträume bewußt kurz gehalten. Statt für ein Jahr, wie in traditionellen Systemen üblich, werden die Ziele für drei Monate vereinbart.
Begründet wird das, mit der höheren Flexibilität.
Dass in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, die OKR-Unternehmen würden sich auf die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter verlassen, kann man je nach Standpunkt schon als Zynismus bezeichnen. So macht auch schon ein Subtitel aus dem zitierten HRM-Artikel keinen Hehl daraus, um was es hier geht: „Mitarbeiter sollen alles aus sich herausholen.“


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