Es gibt jetzt ein New Work Arbeitgebersiegel - Wem nützt das?
Versteht schon unter der Überschrift New Work jeder etwas anderes und vor allem das, was er will, mutet es - vorsichtig ausgedrückt - überraschend an, dass es jetzt dazu ein Arbeitgebersiegel gibt. Wie will man Ausprägungen eines Phänomens messen, von dem es nur ein derart diffuses Verständnis gibt? So werden als wesentliche Dimensionen von New Work hier "Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden", "Führungskultur" und "Individuelle Entfaltung" angegeben. Für diese Dimensionen werden dann spezifische Kriterien identifiziert, an denen New Work beschrieben werden kann. Allein diese Dimensionen lassen schon erkennen, welcher Interpretationsspielraum sich dahinter eröffnet. Abgesehen stellt sich die Frage was daran neu sein soll.
Für Frithjof Bergmann, der das Konzept in die Welt gesetzt hat, war die zentrale Frage, was die Menschen in ihrem Arbeitsleben wirklich wollen. Dies dann in der Arbeit umzusetzen, ist das Ziel. Selbst wann man als arbeitender Mensch weiß, was man wirklich will, ist es oft ziemlich schwierig, das im Rahmen der Erwerbstätigkeit umzusetzen.
Bergmann hätte sich vor der Entwicklung seiner Ideen vielleicht einmal mit den Gedanken von Karl Marx zum Reich der Notwendigkeit auseinandersetzen können, in dem sich jeder Arbeitende abrackern muss und aus dem er nur temporär ins Reich der Freiheit entfliehen kann.
Nun soll also ein Zertifizierungsprozeß den Unternehmen aufzeigen, ob sie ihren Beschäftigten die Rahmenbedingungen bieten, die diese brauchen, um das zu machen, was sie wirklich wollen. Dieses Siegel wurde von der New Work SE und der Handelshochschule Leipzig entwickelt, vermittelt also den Eindruck wissenschaftlicher Solidität. Wesentliche Daten zur Bewertung der Unternehmen werden allerdings aus den Kununu-Profilen sowie dem Kununu-Kulturkompass der jeweiligen Unternehmen entnommen. Man muss als Unternehmen also bei Kununu mitmachen, um überhaupt dieses Siegel erwerben zu können. Ob dann die Daten, die aus Kununu entnommen werden, empirisch seriös die oben erwähnten Dimensionen messen, ist eine andere Frage. Die ist aber eher sekundär, wenn man weiß, dass die New Work SE die Muttergesellschaft von Kununu ist.
Bleibt aber die Frage, warum eine Hochschule sich vor den Marketing-Karren einer Beratung spannen läßt.
Abgesehen davon ist es grundsätzlich immer fragwürdig, sogenannte weiche Faktoren in Zahlen pressen zu wollen. Was ist in einem Unternehmen anders, besser, dessen New Work Score zwei Punkte besser ist, wie der eines anderen? Was soll mir das beispielsweise als Bewerber sagen?
Darüberhinaus birgt jede Zertifizierung die Gefahr, dass der Zertifizierungsprozeß sich immer weiter von der Wirlichkeit entfernt. Es kommt darauf an, dem Formalismus der Zertifizierung zu genügen und nicht mehr darauf, die Situation in der Realität zu verbessern.
Schließlich verursachen Zertifizierungen Aufwand und kosten Geld. Also, liebe Personalerinnen, sollte in ihrem Unternehmen jemand auf die Idee kommen, wir brauchen das New Work Siegel, reden sie es ihm aus.
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