Samstag, 7. Mai 2022

Warum will das Möbelhaus nichts mehr mit seinen Kunden zu tun haben?

Die Schattenseiten der Digitalisierung 

Onlinebestellung bei einem überregionalen Möbelhaus. Einige Zeit nach der Bestellung teilt das Möbelhaus in einer freundlichen Mail mit, dass sich der Liefertermin verzögert. Die Mail war eine noreply
Mail. Da eine Reise in dem möglichen Lieferzeitraum ansteht unternehme ich den Versuch, die Abwesenheit dem Möbelhaus mitzuteilen, um eine Fehllieferung zu vermeiden. Das Kontaktformular auf der Homepage funktioniert nicht. Anruf bei der Service-Telefonnummer. Bei Fragen zum Liefertermin soll man die Taste 1 drücken. Ein nicht sehr freundliche Mitarbeiterin machte mir ohne längeres Nachfragen klar, dass sie nicht zuständig sei und ich die Taste 4 drücken soll. Diese Taste soll man allerdings drücken, wenn man Fragen zur Rechnung hat. Auch wenn diese nicht der Fall ist, wähle ich beim nächsten Versuch diese Taste. Ich erreiche nur eine Bandansage, dass man meinen Anruf nicht entgegennehme könne. Dann werde ich abgehängt.
Wie soll ich nun dem Möbelhaus mein Anliegen mitteilen? Vielleicht sollte ich einen analogen Brief schreiben?
Auch wenn es viele Online-Anbieter gibt, bei denen der Service besser funktioniert, habe ich doch zunehmend den Eindruck, dass der persönliche Kontakt zum Kunden vermieden werden soll. Oft werden die Kontaktmöglichkeiten in der hinteren Ecke der Homepage angeboten oder ganz durch eine mehr oder minder umfangreiche FAQ-Liste ersetzt. Wenn es eine Hotline gibt, dann scheint die unterbesetzt zu sein und alle MitarbeiterInnen befinden sich zur Zeit des Anrufes in Kundengesprächen.
Man kann ohne Zweifel einen Trend zur Entpersonalisierung von Kundenbeziehungen erkennen. Der Onlinekauf setzt standardisierte Prozesse voraus, doch das muss keineswegs die persönliche Kundenbeziehung wegrationalisieren. Gerade im After-Sales-Bereich ist die von großer Bedeutung.
Bedauerlicherweise macht diese Entpersonalisierung auch nicht vor den Beziehungen zu den Mitarbeitenden Halt. Ich meine damit nicht nur die sogenannten Management-Self-Service-Systeme. Wenn die von Routinevorgängen entlasten, können sie durchaus vorteilhaft sein. Problematischer sind in diesem Zusammenhang die durch die Digitalisierung möglich gewordenen Systeme Leistungskennzahlen zu ermitteln und Leistung zu zu steuern und auch zu überwachen. Man denke nur an die Trackingsysteme, die bei Paketzustellern und auch bei Speditionen zum Einsatz kommen. Was für den Kunden komfortabel aussieht, bedeutet für die betroffenen Beschäftigten oft Leistungsdruck. Der braucht nicht mehr durch gestrenge Vorgesetzte ausgeübt zu werden. Das übernimmt das System.
Auch Führung wird so entpersonalisiert.