Sonntag, 5. Juli 2020

Employee Experience

Selbst in den Schlachtbetrieben zerplatzt diese Seifenblase nicht

Auch in diesen Zeiten findet man bei einem Streifzug durch die Posts der einschlägigen Seiten immer noch Beiträge, die voll sind mit Lobpreisungen von Employee Experience, oder kurz EX. Employee Experience bedeutet ja eigentlich Erfahrung der Mitarbeiter. Bei dem Ansatz geht es darum, diese in dem Mittelpunkt zu stellen, damit die Mitarbeiter motiviert und beider Stange bleiben. In der üblichen Managementlyrik heißt das, dass inspirierende Arbeitserlebnisse geschaffen werden müssen, um das Engagement der Beschäftigten zu steigern. Wer angesichts der Situation in den Fleischbetrieben noch an derartige Lehren glaubt, muss entweder Berater oder realitätsfern sein. Nun werden natürlich die Befürworter einwenden, gerade diese Vorfälle machen deutlich, wie notwendig es ist für motivierende Arbeitsbedingungen zu sorgen. Sie merken aber wohl hoffentlich, dass sie mit diesem Argument deutlich machen, wie schwammig und unbestimmt dieses Konzept ist. Es ist ein schönes Besipiel dafür, wie für eigentlich Selbstverständliches oder Althergebrachtes ein schickes Etikett gefunden wird mit dem dann eine Zunft Geld verdienen kann.

Man muss allerdings gar nicht bis zu den Schlachtbetrieben gehen, um festzustellen, dass es mit Employee Experience in der Praxis nicht so weit her ist. Gerade hat die Bertelsmann-Stiftung eine Studie veröffentlcht, die offenbart, dass zunehmend auch qualifizierte Tätigkeiten unterhalb der Niedriglohnschwelle vergütet werden. Die Anzahl Niedriglohnbeschäftigter, die Tätigkeiten mit mittleren oder gar hohen Qualifikationsanforderungen ausüben ist seit Mitte der 90er Jahre deutlich angewachsen. Niedrige Löhne dienen nicht mehr nur dem Einstieg in den Arbeitsmarkt, sondern sind häufig ein Dauerzustand.

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ein Discussion Paper zur Lohnungleichheit bei Vollzeitbeschäftigten veröffentlicht und darin festgestellt, dass es in Westdeutschand zwischen 1980 und 2010 zu einem deutlichen Anstieg der Lohnungleichheit bei Vollzeitbeschäftigten gekommen ist.

Die Personalkosten sind noch immer die Nummer 1, wenn es um Kosteneinsparung geht. Da ändert auch alles schöne Gerede von Enployee Experience nichts dran. Wenn überhaupt ist das ein Thema fürs ganz schöne Wetter und wenn es mal sonst keine Probleme geben sollte. Aber davon sind wir am Arbeitsmarkt ja im Moment ziemlch weit entfernt. Also ab in die Mottenkiste mit EX.

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