Sonntag, 27. Mai 2018

Was hilft gegen Pflegenotstand?

Auf formale Qualifikationen verzichten.

Man braucht nicht für alles "Fachkräfte" - Hilft vielleicht auch gegen "Fachkräfte-Mangel"

In Deutschland ist eine formale Qualifikation - ein Zeugnis über einen Ausbildungsabschluss - in der Regel die Eintrittskarte für einen Job. Wer die Entwicklung in den letzten Jahren beobachtet hat, stellt fest, dass gerade in den sogenannten gewerblichen Berufen die Anforderungen in der Berufsausbildung in vielen Berufen gestiegen sind. Die Berufsbilder sind anspruchsvoller geworden. Als Folge davon wurden auch die Anforderungen an die Schulabschlüsse hochgeschraubt. Das wiederum führte dazu, dass die Hauptschulabsolventen, auch wenn sie in manchen Bundesländern mittlerweile anders heißen, in vielen Berufen nicht mehr oder nur schwer zum Zuge kommen.
Nun sind in der Tat in vielen Tätigkeiten die Anforderungen durch die technologische Entwicklung gestiegen. Nehmen wir als Beispiel den guten alten Schornsteinfeger. Hier hat ein Hauptschüler heute keine Chance mehr.
Die Kenntnisse, die man in einer Ausbildung vermittelt bekommt, sind in der Regel breiter ausgelegt, als das, was man später in der doch spezialisierten Berusausbildung braucht. Manches liegt brach, stattdessen muss der Beschäftigte sich arbeitsplatzbezogenes Spezialwissen aneignen.
Die Halbwertszeit des Wissens und der Kenntnisse, die man sich in einer Berufsausbildung aneignet hat deutlich abgenommen. Das heißt, der einmal erworbene Ausbildungsabschluss muss immer wieder durch aktualisiertes Wissen und auch durch Erfahrung erneuert oder gar verändert werden.
Nun wird in vielen Bereichen über Fachkräftemangel geklagt. Im Bereich der Pflege alter und kranker Menschen wird gar von einem Notstand gesprochen. Könnte es hier nicht helfen, wenn man mehr Beschäftigte einstellt, die zwar nicht über die entsprechende Ausbildung verfügen, aber ansonsten über die Fähigkeit verfügen mit Alten und Kranken umzugehen und die passende Einstellung zu diesem Beruf mitbringen? Gewiß kann in einem OP keine angelernte Hilfskraft assistieren, aber es gibt in der Pflege genügend Tätigkeiten, für die man nicht unbedingt eine dreijährige Ausbildung braucht. Ich rede dabei nicht nur von der Essensausgabe und dem Bettenmachen. Was ein Pflegeroboter können soll, kann eine angelernte Kraft sicher. Allerdings sollte die dann auch nicht mit einem Mindestlohn abgespeist werden. Und mit Training on the job und berufsbegleitenden Ausbildungsmassnahmen könnte man diese Beschäftigten weiterentwickeln.
In der Gastronomie ist es schon lange üblich mit Angelernten zu arbeiten.
Es wäre also mehr als eine Überlegung wert, sogenannte Mangelberufe darauf abzuklopfen, für welche Tätigkeiten aus dem Spektrum des Berufes man wirklich eine formale Qualifikation braucht. Diese könnten dann von Angelernten ausgeführt werden - bei angemessener Bezahlung.
Bis die Roboter dann kommen und diese Jobs ersetzen, könnten wir aber schon mal einige aktuelle Beschäftigungsprobleme lösen.

Freitag, 25. Mai 2018

Unwort "Ruhestand"

Gesprächsrunde von älteren Menschen. Meistens RentnerInnen, zwei, drei arbeiten noch. Davon eine Dame, die kurz vor dem Renteneintritt steht. Sie wird natürlich gefragt, was sie denn anschließend so mache. Dann zählt sie eine beachtliche Zahl von Aktivitäten auf, die sie teilweise schon gestartet hat oder nach dem Ende der Arbeit noch anfangen will. Es ist absehbar, dass auch dann etliche Termine auf sie warten werden. Auf die Gegenfrage eines anderen Teilnehmers der Runde, ob sie es denn nicht erst mal etwas ruhiger angehen lassen und sich entspannen wolle, reagiert sie mit spürbarem Unverständnis.
Nach meinem Eindruck nehmen diese Beispiele zu. Besonders Zeitgenossen, die eine Führungsposition inne hatten oder ihre beruflich Rolle für irgendwie bedeutsam hielten, scheinen sich davor zu fürchten als Rentner in die Einflußlosigkeit zu fallen.
Natürlich sind die meisten Menschen noch fit, wenn sie die Phase der Erwerbsarbeit beenden und sie haben sich Erfahrungen angeeignet, die in die Gesellschaft nützlich eingebracht werden können. Aber warum muss das unter dem Druck stehen sich oder anderen immer noch etwas beweisen zu müssen?
Warum können manche nach dem Ende des Erwerbslebens nicht loslassen, kürzer treten, mit wenigen ausgewählten Terminen auskommen?
Das ist das Schöne am Ende des Erwerbslebens: Man "muss" nichts mehr machen. Man kann sich aussuchen, was man tun oder lassen möchte. Man kann Leistung selbst definieren. Man ist nicht mehr auf Erfolg angewiesen.
Und man muss sich über eins im Klaren sein: Das, was sich im Berufsleben nicht erfüllt hat, kann man danach nicht mehr aufholen.

Dienstag, 15. Mai 2018

Bonuszahlungen für Politiker ?

Der Glaube an die Wirkung von Prämien ist nicht zu erschüttern.

Die Ökonomin Dambiss Moyo hat in einem Interview (ZEIT Nr. 20) vorgeschlagen die Einkommen von Politikern teilweise variabel und erfolgsabhängig zu gestalten. In Singapur werde das offensichtlich schon praktiziert. Als Messgrößen schlägt sie beispielsweise Daten aus den Bereichen Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Bruttoinlandsprodukt vor. Außerdem möchte sie eine Langfristorientierung einbauen. Wenn man nach zehn feststellt, dass "die Wirtschaft vorsätzlich und künstlich aufgeblasen wurde, um zu besseren BIP-Zahlen zu kommen, können die Zahlungen zurückgefordert werden."
Ich habe mich an dieser Stelle immer wieder gegen Zielvereinbarungsprämien ausgesprochen. Wenn man die praktische Umsetzung dieses Instruments einigermaßen kennt, kann man diesen Vorschlag nur als kurios einstufen und hoffen, dass nie jemand ernsthaft auf diese Idee kommt.
Wer soll in einem demokratischen Staat die Ziele formulieren und die Zielerreichungskriterien festlegen? (Nebenbei zum Beispiel Singapur: dort existiert ein autoritäres Staatssystem.)
Wer legt die Zielerreichung fest?
In der BRD käme dafür eigentlich nur das Parlament in Frage. Oder ist der Bundespräsident dafür zuständig? Das würde dieses Amt erheblich aufwerten.
Gesetzt den Fall, es wäre das Parlament. Man stelle sich die Diskussionen vor, wenn es um die Formulierung der Ziele geht.
Beispielsweise das Ziel, "Senkung der Arbeitslosigkeit". Welches Ressort ist dafür zuständig, nur das Arbeitsminsterium oder auch noch Wirtschaft und Finanzen? Das Finanzministerium müsste an jedem Ziel beteiligt sein, da es die Budgets zur Verfügung stellt.
Und dann erst, wenn es um die Zielerreichung und den Bonus geht. Ich kann mir jetzt schon tausend Argumente vorstellen, die der Arbeitsministerin einfallen, wenn die Arbeitslosenquote nicht im erwarteten Maß gesunken ist.
Wie soll man sich beispielsweise ein Ziel vorstellen, das die Förderung der europäischen Integration zum Inhalt hätte? Oder ein Ziel, in dem es um die Teilnahme der Bundeswehr an Einsätzen in Krisengebieten geht?
Was ist mit dem Effekt, der bei Zielerreichungsprämien gewöhnlich eintritt und die Politiker veranlaßt sich erstmal um die Ziele zu kümmern, die ihnen eine Prämie verheißen und andere Aufagben vernachlässigen? Als Bürger hätte ich ein Problem damit.
Ich will mir hier die Aufzählung weiterer Punkte, die gegen Zielprämien sprechen, ersparen. Siehe dazu meine Post aus der Vergangenheit.
Schon ein flüchtiges Nachdenken läßt erkennen, wie schräg diese Idee ist, auch wenn sie von einer renommierten Ökonomin kommt.




Mittwoch, 9. Mai 2018

Die neue Arbeitswelt ändert nicht automatisch die Menschen

"Titel, Konkurrenzdenken, Selbstdarstellung und andere Faktoren der Dominanz und Absicherung werden unbedeutend, da sie nicht mehr ausschlaggebend sind und Karriere nicht von Macht, Verdrängung und Hierarchie geprägt sind."

Dies ist ein Zitat aus einer Zusammenfassung des Inhaltes des Buches " Reinventing Organizations" von Frederic Laloux, der als "Organisations-Guru" gilt. (zit. aus dem Blog denkmodell).
Andere Erwähnungen dieses Werkes hatten mein Interesse geweckt, das aber nach dem Lesen der Zusammenfassung ziemlich geschrumpft ist.
Offensichtlich reiht es sich ein in die lange Reihe ähnlicher Bücher, die mit großer Selbstgewißheit eine schöne neue Arbeitswelt herbeischreiben. Möglicherweise ist der große Anklang den diese Sehnsuchtsliteratur findet, schon ein Symptom dafür, dass das Publikum die aktuelle Arbeitssituation deutlich anders empfindet und sich deshalb gerne in eine bessere Zukunft entführen läßt. Die blaue Blume der Romantik läßt grüßen.
Man muss sich nur das obige Zitat genauer anschauen.
Warum sollen denn plötzlich Konkurrenzdenken und Selbstdarstellung unbedeutend werden? Beides sind persönlichkeitsbeeinflusste Eigenschaften. Warum sollen denn die Menschen, die in Unternehmensorganisationen arbeiten, auf dem Weg in die neue Arbeitswelt zu empathischen Teamworkern werden, die sich unter Hintanstellung eigener Ambitionen in idealerweise demokratische Abstimmunsprozesse einfügen? Die Welt, die dieses Zitat beschreibt, setzt bestimmte Persönlichkeiten voraus, die es zwar ohne Zweifel gibt - auch in Unternehmen. Aber es wird auch immer Typen geben, die mehr an der eigenen Karriere und am Ausbau ihrer Herrschaftsposition interessiert sind, als am Erfolg des Teams.
Schauen wir kurz in die Politik. Warum gibt es denn Trumps, Erdogans, Orhans, Kims und ähnliche?
Selbst wenn man von derart autoritären Typen absieht, glaubt denn irgendjemand, dass es zukünftig keine sogenannten "Alphatiere" mehr geben wird?
Die Unternehmen, die immer wieder als fortschrittliche und zukunftsgerichtete Beispiele und Gegenentwürfe zu herkömmlich geführten Unternehmen genannt werden, sind meist auch von bestimmten Führungspersönlichkeiten geprägt. Im übrigen hat es Unternehmer mit einer sozialen Verantwortung für ihre Mitarbeiter schon immer gegeben - sogar in den Frühphasen der Industrialisierung. Ein besonders prominentes und wirkmächtiges Beispiel rückt dieser Tage im Zuge des Marx-Jubiläums wieder in den Blick: Friedrich Engels.
Ich fürchte, wer darauf vertraut, dass mit der zukünftige Arbeitswelt auch andere Persönlichkeiten in Erscheinung treten, der wird enttäuscht werden.
Und was Titel angeht, sollte man sich nur mal die auf diesem Gebiet in den letzten Jahren auf den Markt gekommenen Anglizismen ansehen. Warum soll sich das in Folge technologischer Entwicklung ändern?
Es ist gut, dass es Unternehmer gibt, die experimentieren und die mit ihren Beschäftigten wertschätzend umgehen. Unternehmensorganisationen werden sich auch ändern - nur man sollte nicht davon ausgehen, dass das automatisch in eine im Moment für positv gehaltene Richtung geht, Was ist denn, wenn sich die Richtung umkehrt? Wenn es wieder autoritärer wird? Und zwar nicht weil die Führungkräfte so werden, sondern weil seelenlose, kennzahlengesteurte Workflows diese Rolle übernehmen.

Samstag, 5. Mai 2018

Heute ist der Geburtstag von Karl Marx

Aus diesem Anlaß ein Lesetip:
Das Kommunistische Manifest ist gerade heute eine interessante Lektüre mit aktuellem Bezug.
Auch linientreuen Managern schadet es nichts, wenn sie "das System" mal aus kritischer Distanz betrachten.

Freitag, 4. Mai 2018

Welt ohne Arbeit?

Die Diskussion wird von Schwarz- oder Rosamalern bestimmt.

Verfolgt man die aktuelle und teilweise sehr intensive Diskussion um die Zukunft der Arbeit (s. bspw. das aktuelleTitelthema im Wirtschaftsteil der ZEIT), scheint es vorwiegend zwei Alternativen zu geben: eine düstere, in der die "künstliche Intelligenz" den meisten die Arbeit weg nimmt und es nur noch eine Elite von hochbezahlten Spezialisten gibt, während das massenhaft gewachsene Proletariat um die wenigen noch verbliebenen, gering bezahlten Jobs buhlt. Diese werden über Internetplattformen vermittelt und sind auch nicht sozialversicherungspflichtig.
Demgegenüber werden gewöhnlich Einzelbeispiele von meist kleinen Unternehmen und Initiativen beschrieben in denen Alternativen zum sich ausbreitenden Digital-Kapitalismus gesehen werden. Dabei wird gerne eine romantische Stimmung in Kauf genommen, die die Sehnsucht nach der blauen Blume der selbstbestimmten und erfüllenden Arbeit wach hält.
Wie soll man sich in diese Diskussion einordnen?
Ein Blick in die Geschichte kann zur Gelassenheit verhelfen. Als James Watt die Dampfmaschine erfand, begann eine Industrielle Revolution mit dramatischen Folgen. Es war deshalb eine Revolution, weil die industrielle Produktionsweise damit überhaupt erst in Gang kam. Sie war völlig neu und traf auf gesellschaftliche und politische Strukturen, die darauf nicht vorbereitet waren.
Das ist heute anders. Zumindest auf Europa bezogen hat die industrielle Entwicklung keine Verelendung gebracht, ganz im Gegenteil. Wir haben mittlerweile Erfahrung im Umgang mit technologischen Entwicklungen und auch mit dadurch verursachten Krisensituationen.
Natürlich müssen sich auch die vorhandenen Instrumente und Strukturen, insbesondere auf politischer Ebene verändern.
Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass wir die Globalisierung annehmen. Das Konzept des Nationalstaates taugt nicht mehr zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen. Es braucht politische Rahmensetzungen um faire Arbeitsbedingungen zu garantieren. Da es schon auf dem nationalen Arbeitsmarkt keine gleichberechtigten Partner gibt, wird es sie international erst recht nicht geben.
Wie will man die "markt"-beherrschenden Internet-Giganten überhaupt zügeln, wenn nicht mit internationalen Regeln?
Wenn wir diesen konsequent globalen Ansatz mit den Erfahrungen paaren, die wir aus über zweihundert Jahren Industrialisierung gesammelt haben, dann sollten wir auch mit dem nächsten Technologiesprung fertig werden.
Wir sollten uns also weder den Schwarz- noch den Rosamalern anschließen und uns unvoreingenommen mit der Entwicklung auseinandersetzen.

Dienstag, 1. Mai 2018

Kann Ihr Job durch Roboter ersetzt werden?

Das können sie herausfinden mit dem Job-Futuromat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB - Forschungsinstitut der Agentur für Arbeit), www.job-futuromat.iab.de.

Man sollte das nicht als Spielerei abtun, sondern als Hilfe sich mit den Perspektiven seines Jobs oder allgemein mit den Auswirkungen der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Natürlich auch interessant für alle, die sich in einer Orientierungsphase befinden.