Die poststrategische Phase beginnt - und damit schlägt die Stunde der Personalfunktion
Die Unternehmensberatung Kienbaum und SAP haben eine "Studie zur HR-Strategie und -Organisation 2020" veröffentlicht. Wenn eine Beratung und ein Unternehmen, das HR-Softwarelösungen entwickelt und verkauft, eine Studie zu diesem Thema veröffentlichen, kann man leicht erahnen, was dabei herauskommt. "Das veränderte Rollenverständnis der HR-Funktion als Gestalter der digitalen Transformation erfordert, dass die HR-Funktion sich zukuünftig mehr strategischen Aufgaben widmen muss." Eingeleitet mit solchen Sätzen zeigen die Ergebnisse der Studie dann erwartungsgemäß, dass die Personaler noch weit davon entfernt sind, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Nichts Neues also - wie lange wird den Personalleuten schon eingeredet, dass sie sich zu wenig um strategisch relevante Themen kümmern und stattdessen im Sumpf der Administration stecken bleiben?
Die haben die Kritik verinnerlicht und beklagen ihrerseits die fehlende Beteiligung an strategischen Diskussionen. Doch damit dürfte für die nächste Zeit - Corona sei Dank - Schluß sein. Gleich einem Tsunami hat die Pandemie alle Strategien durchgeschüttelt und manche spurlos weggespült. Darum, liebe PersonalkollegInnen nutzt die Gunst der Stunde.
In der erwähnten Studie wird von einem "Zielbild" ausgegangen, nachdem 40% der Ressourcen der HR-Funktion den Managementprozessen, dem "Fokus auf Strategic Excellence" gewidmet sein sollen. Weitere 40% stehen für die Kernprozesse zur Verfügung, worunter "die Abbildung des Employee Life Cycle" verstanden wird. Lediglich 20% bleiben für die Unterstützungsprozesse, also die Personaladministration übrig.
In einer Ausnahmesituation - wie sie die jetzige für viele Unternehmen ist - wird besonders deutlich, dass eine Personalabteilung schlecht beraten wäre, wenn sie ihre Ressourcen so verteilen würde. Aber auch in einer Normalsituation - was immer das zukünftig sein wird - ist eine derartige Aufstellung realitätsfern.
Machen wir uns das an zwei Themenfeldern deutlich, die für Unternehmen und für die Personalarbeit von hoher strategischer Relevanz sind:
Arbeitszeit
Durch Corona wurde es von heute auf morgen notwendig, Arbeit in einem bisher nicht geahnten Ausmaß ins Home Office zu verlagern. Keine Strategie dieser Welt hätte diese Aktion voraussagen können. Stattdessen ist ein Haufen operativer und auch administrativer Detailarbeit zu bewältigen, gerade von der HR-Funktion.
Trotzdem drängt sich gerade jetzt die Frage noch stärker auf, wie müssen wir zukünftig unsere Arbeit organisieren? Ohne Zweifel ist dafür ein strategischer Ansatz notwendig. Doch wenn die längerfristigere Richtung klar ist, müssen die Details der Umsetzung geklärt werden. Wer jemals ein Arbeitszeitsystem konzipiert hat, weiß, dass in einem solchen Projekt höchstens 30% der Kapazität für Strategie, dafür aber 70% für die Realisierung, einschließlich der Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung, notwendig sind. Und zu diese Umsetzungskapazität muss die Personaladministration einen wesentlichen Teil beitragen. Standardisieren kann man nur laufende und funktionierende Prozesse. Die Konzeption und Implementierung der Prozesse sind aufwendige Detailarbeit, die sehr viel Expertise erfordert.
Entgelt
Ebenso von hoher strategischer Bedeutung ist die Frage, wie wollen wir unsere Beschäftigten vergüten.
Doch auch gilt wie schon bei der Arbeitszeit. Ohne fundiertes administratives Know How läßt sich die tollste Vergütungsstrategie nicht umsetzen.
An diesen Beispielen kann man auch verdeutlichen wie stark Personalarbeit externen Einflüssen ausgesetzt ist. Beispielhaft seien nur tarifvertragliche oder sozialversicherungsrechtliche Regelungen genannt. Der Umgang damit läßt sich nicht standardisieren. Auch wenn man Fachkompetenz extern zukaufen kann, der Löwenanteil der Umsetzung bleibt im Unternehmen hängen.
Ohne Frage gibt es strategisch relevante Themen in der Personalarbeit. Diese müssen auch als solche erkannt und bearbeitet werden. Doch die Arbeit an der Strategie erfordert die laufende Rückkopplung mit den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Taktik.
Für die "Ressourcenallokation der HR-Funktion" heißt das, 40% der Kapazität für Managementprozesse sind zu viel und auch unrealistisch. Wenn der Istwert bei 19% liegt, sollte man darin auch einen Hinweis sehen, dass da möglicherweise nicht mehr soviel Luft nach oben ist.
Abgesehen davon ist die Trennung in Management-, Kern- und Unterstützungsprozesse analytisch und damit künstlich. In der Praxis sind in allen drei Prozesstypen strategische Elemente enthalten.
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