Jahresabschlussmeeting eines Managementkreises. Der CEO hält seinen Führungskräften anstatt der sonst üblichen Schulterklopfrethorik eine Liste von Krankheiten vor, von denen er sie bedroht oder sogar schon betroffen sieht. Er zählt folgende Leiden auf:
Immunität und Unersetzlichkeit
Übertriebene Arbeitswut
Versteinerung - "hinter Papier verstecken"
Ausufernde Planung, Funktionalismus
Schlechte Absprache
Rivalität und Ruhmsucht
Schizophrene Existenz - "den Kontakt zur Realität verlieren - in einer Parallelwelt leben"
Geschwätz, Tratsch
Schmeicheln - "den Vorgesetzten gegenüber"
Gleichgültigkeit gegenüber anderen
Beerdigungsgesicht - "theatralische Strenge gegenüber anderen"
Krankheit des Sammelns - "von Reichtümern"
Krankheit der geschlossenen Kreise
Sie können sich nicht vorstellen, dass es so eine Jahresabschlussveranstaltung in Wirklichkeit gegeben hat?
Sie werden aber möglicherweise spontan zustimmen und bestätigen, dass es diese Krankheiten auch in ihrem Unternehmen zumindest teilweise gibt?
Dieses Meeting hat tatsächlich stattgefunden, allerdings nicht in einem normalen Unternehmen und der, der die Predigt gehalten, war auch kein normaler CEO. Es war Papst Franziskus, der diese Standpauke seinen Leitenden Angestellten, der Kurie, gehalten hat. Er hat damit wieder einmal gezeigt, dass er nicht nur der freundlich lächelnde Mann ist sondern auch eine veritable Führungsfigur. Wer es fertig bringt, in einer traditionalistischen Organisation wie der katholischen Kirche seinen Führungskräften eine derartige Predigt zu halten, von dem kann sich manche Führungskraft in einer beliebigen anderen Organisation eine Scheibe abschneiden. Die kirchlichen Manager sind ja noch weniger wie ihre weltlichen Kollegen offene Kritik gewöhnt. Da gehört schon eine gehörige Portion Mut und Offenheit dazu, verbunden aber auch mit der Fähigkeit anschließend darüber eine Diskussion in Gang zu bringen, was man gegen diese Krankheiten tun kann.
Können sie sich das in ihrem Unternehmen vorstellen? Bevor sie möglicherweise mit dem Kopf schütteln: Können sie sich das bei sich selbst vorstellen? Denn eine Krankheit hat der Papst nicht erwähnt. Die Krankheit der Nicht-Betroffenheit. "Sollen doch mal die Chefs anfangen. Wenn mein Chef sich so verhält, dann gebe ich das auch so weiter." Auch wenn sie keine Führungsverantwortung haben, benutzen sie den Katalog einmal zur eigenen Gewissenserforschung.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes, neues Jahr.
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