So habe ich vor gut zwei Jahren (11/2012) schon einmal einen Post überschrieben. Nun gibt es offenbar wieder Gründe dieser Frage erneut zu stellen. Unter der Überschrift "Macht der Kapitalismus depressiv?" stellen in der ZEIT (Nr. 2, 8.1.) zwei Wissenschaftler nachvollziehbar an Hand von Studien dar, dass es zwischen 1947 und 2012 keinen Anstieg von psychischen Störungen weder bei Erwachsenen noch bei Kindern gegeben hat. Einer DAK-Statistik zur Folge sind die Fehltage wegen Burn-Out seit 2012 wieder deutlich zurückgegangen und waren 2013 mit 67 je 1000 Versicherte auf einem niedrigeren Stand als 2010.
Nach dieser Statistik sind sie von 2004 mit 6 je 1000 bis 2011 - dem bisherigen Spitzenjahr - mit 102 je 1000 angestiegen. Allein dieser Anstieg und auch der Rückgang seit 2011 können schon stutzig machen. Kann sich eine Erkrankung in einem solch relativ kurzen Zeitraum so sprunghaft entwickeln? Die beiden Autoren sprechen von einer für den Laien auf den ersten Blick merkwürdigen "Differenz zwischen realer und diagnostizierter Krankheitshäufigkeit." Am Beispiel Burn-Out zeigen sie, dass schon allein "die öffentliche Aufmerksamkeit für einzelne Krankheitsbilder ihr tatsächliches oder vermeintliches Auftreten beeinflussen" kann. In diesem Fall sprechen sie sogar von einer "Modediagnose". Kommt Burn-Out nun wieder aus der Mode?
Als Erklärung bieten die Wissenschaftler an, dass das Leben zwar anstrengender geworden sein mag, damit aber gleichzeitig auch "die individuellen Kompetenzen und sozialen Ressourcen zur Stressbewältigung zugenommen" haben. Die Komplexität der Lebens- und Arbeitssituationen hat zugenommen und damit werden auch mehr Selbstverantwortung, Eigeninitiative und Kommunikationskompetenz verlangt. "Soll man das bedauern?" fragen die Autoren berechtigterweise. In der Tat sind diese Eigenschaften eindeutig positv besetzt und allseits, insbesondere von allen, die der Erwerbsarbeit nachgehen, gewünscht. Nur, muss man an dieser Stelle einhaken, dann muss es auch möglich sein, diese Eigenschaften in der individuellen Arbeits- und Lebenssituation umzusetzen. Damit wären wir wieder beim Thema Burn-Out. Wobei wir, um der begrifflichen Klarheit willen und um nicht wieder einem möglichen Modetrend zu verfallen, Burn-Out durch Belastung und Überlastung ersetzen sollten. Die Erfahrung zeigt immer wieder - und das auch durch Studien belegt - , dass Über- und auch Unterforderung, eingeschränkte Eigeninitiative und Gelegenheit Verantwortung zu übernehmen für Belastung und Stress sorgen. Und zuviel negativer Stress ist auf Dauer der Gesundheit nicht zuträglich. Zur Entwarnung ist also kein Grund. Auch wenn die Erkrankung Burn-Out, was sie ja tatsächlich ist, auf ihre tatsächliche Verbreitung schrumpft, für die Grenzen der Belastbarkeit ist eine erhöhte Sensibilität notwendig - das betrifft die eigene Konstitution wie die der Mitarbeiter.
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