Dienstag, 5. Januar 2021

Sind wir eigentlich eine agile Gesellschaft?

Sind die agilen Mitarbeitenden auch agile Bürger?

Angeblich ist die agile Organisation ja das Zukunftsmodell für Unternehmen, die im digitalen Zeitalter erfolgreich bestehen wollen.  

Angeblich wollen die Beschäftigten, die zukünftig in der Mehrzahl als WissenarbeiterInnen tätig sein sollen/wollen, nur noch in Strukturen möglichst ohne Hierarchien und ohne Anweisungen "von oben" in Teams arbeiten. Selbstbestimmung und Selbstorganisation ist die Losung der Stunde.


Das berechtigt zu der Frage, wie diese Menschen, die unsere Organisationen bevölkern, sich als Bürger benehmen. Erweisen sich sich in dieser Rolle auch schon als so agil, dass sie selbstbestimmt ihr Schicksal in die Hand nehmen, ohne zum Beispiel immer wieder nach "dem Staat" oder "der Politik" rufen?

Wenn man das Verhalten mancher Zeitgenossen betrachtet, muss man daran erhebliche Zweifel haben. Wie würde ein agiler Bürger mit so etwas wie einer Kontaktregel umgehen? Gar nicht - ein agiler Bürger bräuchte keine Kontaktregel. Er wüsste, wenn er durch Vermeidung seiner Kontakte und durch Einhalten von Hygieneregeln eine Infektion vermeiden kann, dann würde er eigenverantwortlich Kontakte so weit es geht reduzieren und, wo immer notwendig, seine Maske aufsetzen.

Davon sind wir allerdings weit entfernt. Wir brauchen einen staatlich streng geregelten Shutdown, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Und selbst in dieser Situation pilgern die agilen Bürger noch scharenweise in die Mittelgebirge, um Schnee zu sehen. Agilität wird nur an den Tag gelegt, wenn es der Optimierung der eigenen Interessen dient. Auch die Kontaktregel wird von vielen maximal ausgenutzt, anstatt die Kontakte zu minimieren. Man spielt scheinheilig den obrigkeitshörigen Staatsbürger, versucht aber ansonsten so gut wie möglich auf seine Kosten zu kommen. 

Die mündigen Bürger stöhnen zwar über die Beschränkungen, gleichzeitig aber ist nach meinem Eindruck der Ruf nach dem fürsorgenden Wohlfahrtsstaat noch nie so ausgeprägt gewesen, wie aktuell. Und die Politiker bemühen sich willfährig dem gerecht zu werden. Aber wehe, etwas klappt auf Anhieb nicht gleich richtig. Sofort kommt aus allen Ecken der bürgerlichen Komfortzone lautes Gemäkel.

Gewiß, gewiß, es gibt Gott sei Dank auch echte Bürger, die sich für das Gemeinwesen engagieren und nicht nur an sich denken. Die keine Regel brauchen sondern aus Einsicht und mit Vernunft handeln. Wenn die Zeit reif wäre für agile Organisationen, müsste man es auch in der Gesellschaft spüren. 

Agilität wird auch im Unternehmen nur funktionieren, wenn sie von oben geregelt wird. Und damit wird sie ad absurdum geführt.

Darum nehmen wir uns für das neue Jahr vor verantwortungsvolle Bürger und Mitarbeitende zu sein. Die Agilität können wir dann mit dem Weihnachtsbaum entsorgen.

 

 

 




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