Sonntag, 29. März 2020

40 Jahre Harvard Business Manager

Eine Rezension der Jubiläums-Edition

In dieser Ausgabe sind die "zehn wichtigsten Beiträge aus 40 Jahren Harvard Business Manager" vertreten. Wenn man das Heft durchblättert und einzelne Beiträge liest, fühlt man sich wie in einem Oldtimermuseum in dem man staunt, welche Autos früher gebaut wurden. Insofern kann so ein Streifzug durchaus interessant und amüsant sein. Im Falle des Oldtimernuseums ist dem Besucher jedoch von vorneherein klar, dass er es bei den Exponaten mit alten Autos zu tun hat. Mit der Jubiläums-Edition erweckt die Redaktion allerdings den Eindruck, als handle es sich bei den vorgestellten Konzepten um zeitlose Wahrheiten, "Das Beste aus dem Harvard Business Manager....sie gehören zum Basiswissen der Unternehmensführung."
Zunächst muss man feststellen, dass der jüngste Artikel aus dem Jahr 2013 stammt. Das sind immerhin schon sieben Jahre her. Hat es in den letzten Jahren keine Ideen der "renommiertesten Managementdenker ihrer Zeit" mehr gegeben? Gibt es am Ende keine Managementdenker mehr, die es zu Renommee bringen?
Schauen wir uns einige Ausstellungsstücke einmal näher an. Sie sind in fünf "zentrale Managementgebiete" aufgeteilt. Den Anfang macht "Führung" und dort darf natürlich Peter F. Drucker nicht fehlen. Der verspricht in einem Artikel aus dem Jahr 2004, dass der Schlüssel zum Erfolg "letztlich darin liegt, acht einfache (sic!) Prinzipien zu beachten". Entsprechend lautet der Titel des Artikels "Das Geheimnis effizienter Führung". Diese Headline ist gewissermaßen programmatisch für das ganze Heft und die dort vertretenen Lehren, die ja alle aus den USA stammen, dem Titel des Magazins entsprechend meist von "Denkern" der Harvard Business School.
Natürlich hat Drucker recht, wenn er schreibt, dass Manager einen Aktionsplan brauchen, oder Meetings ohne Ergebnisse Zeitverschwendung sind. Auch gegen die Aufforderung dem "Wir" den Vorzug gegenüber dem "Ich" zu geben, ist wenig einzuwenden. Nun kann man Drucker nicht vorwerfen, dass sich viele Führungskräfte immer noch schwer tun mit der Umsetzung dieser einfachen Prinzipien, trotz vielfacher Wiederholung in den unterschiedlichsten Varianten in den letzten Jahrzehnten. Aber das zeigt das Kritische dieser Lehren. Sie erwecken den Eindruck, man muss nur die richtigen Instrumente oder "Prinzipien" anwenden und schon läuft der Laden. Die Komplexität von Führung wird auf das Beherrschen von einigen wenigen Techniken reduziert.
In der Abteilung Organisation kommen wir an dem damaligen Bestseller "In Search of Excellence" vorbei, der die Balanced Scorecard bekannt gemacht hat. Zu einer mechanistischen Vorstellung von Führung passt natürlich der Ansatz die Ergebnisse der Führung detailliert zu messen. Hat sich die Balanced Scorecard mit ihrer kleinteiligen Zahlensammlerei jemals durchgestzt? Vielleicht ist von diesem Ansatz die Key-Figure-Kultur übrig geblieben. Diese Messgrößenbesessenheit wird aber nun durch die Möglichkeiten der Digitalisierung befeuert.
Das fünfte Managementgebiet schließlich widmet sich dem Personal. Hier ist "Pygmalion im Management" zu sehen. Dessen Kernaussage lautet: "Je mehr Vorgesetzte von ihren Mitarbeitern verlangen, desto mehr sind diese imstande zu leisten. Trauen die Chefs ihnen dagegen wenig zu, sinkt auch ihre Leistung." Wenn man über das aus heutiger Sicht teilweise Befremdliche in diesem Artikel hinweglesen kann, bleibt fast nur noch Banales übrig. Nebenbei ist allerdings bemerkenswert, dass dieser Artikel 1969 erschienen ist. Das zeigt wie wenige Spuren die 68er Bewegung in den Managementlehren hinterlassen hat.
Zum guten Schluß treffen wir natürlich auf den großen Säulenheiligen des "modernen Personalwesens", Dave Ulrich mit seinem Business-Partner-Modell. Ich habe hier schon mehrfach diskutiert, dass dieses Konzept nicht als Organisationsmodell für HR-Abteilungen taugt, sondern als Beschreibung einer Einstellung zur Personalarbeit. Auch Ulrich selbst sieht ja zwischenzeitlich seinen Ansatz kritischer. Geichwohl nennen sich nun Heerscharen von Personalern mittlerweile Business-Partner, auch wenn sie weiterhin in einer klassischen Personalabteilung arbeiten.
Damit sind wir auch schon beim großen Mangel dieser Jubiläums-Edition. Warum werden hier zehn Modelle aus dem Management-Museum vorgestellt, ohne sie kritisch zu hinterfragen? Es hätte einem derartigen Magazin gut angestanden, wenn beispielsweise jedem Artikel eine Replik angefügt worden wäre, welche Wirkung diese Lehre entfaltet hat und was von ihr heute noch "übrig geblieben" ist.
Wenn man das Oldtimermuseum wieder verläßt, freut man sich, wenn man in sein modernes Fahrzeug einsteigen kann. Wenn man die Jubiläumsedition aus der Hand legt, fragt man sich erst recht, was es im Management Neues gibt, wenn diese Themen zum Basiswissen der Unternehmensführung gehören sollen. Verwunderlicherweise ist die Agile Organisation nicht vertreten. Wahrscheinlich ist sie noch nicht alt genug fürs Museum.

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