Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte?
Um diese Frage zu beantworten, analysierte das Institut für Führung im digitalen Zeitalter (IFDZ) 61 seit 2012 erschienene Studien, an denen insgesamt über 100.000 Personen teilnahmen, Führungskräfte, Wissenschaftler und teilweise auch Mitarbeiter. Dabei wurde untersucht, welche Kompetenzen in den Studien als relevant genannt wurden. Entsprechend der Häufigkeit ihrer Nennung wurde ein Ranking erstellt.Das daraus entstandene Kompetenz-Ranking listet sage und schreibe 86 Kompetenzen auf. Richtigerweise folgern die Autoren daraus, dass "die Anforderungen an Führungskräfte ...sehr vielschichtig und Komplex (sind)" (zit. nach changemanagement 2/20) Bemerkenswert ist allerdings der Hinweis, dass die Terminologie sich ändert.
"So werden zum Beispiel in den bis 2015 publizierten Studien recht häufig die Begriffe "Schnelligkeit" und "Flexibilität" als Kompetenzen genannt, in den später erschienenen Studien hingegen dominiert der Begriff "Agilität". Zudem ist mal von "Motivationsfähigkeit", mal von "Inspirationsfähigkeit" und mal von den damit verknüpften Eigenschaften wie "Vorbild sein" und "Visionär sein" die Rede."
Wer der Meinung ist, sogenannte Managementlehren seien der Mode unterworfen, kann sich durch diesen Befund bestätigt sehen. Er stärkt die Vermutung, dass sich die traditionellen Anforderungen an die Kompetenzen der Führungskräfte nicht ändern, sondern allenfalls ihre Gewichtung.
Befragungen spiegeln Moden wider
Das merkt man ganz deutlich, wenn man sich das Kompetenz-Ranking ansieht. Allerdings spürt man auch daran, wie gerade bei Befragungen zu Management-Themen das aus der empirischen Sozialforschung bekannte Phänomen der sozial erwünschten Antwort durchschlägt. An der Spitze steht, wenig überraschend, die Kommunikationsfähigkeit mit 57%. "Insbesondere die dialogischen Kommunikationsfähigkeiten wie Feedback geben, Zuhören und Coachen werden als erfolgsrelevant angesehen. Der Dialog mit den Mitarbeitern wird im digitalen Zeitalter als bedeutsamer für den Führungserfolg erachtet als der hierarchische Top-down-Monolog." Es sind genau diese Sätze, die immer wieder im Zusammenhang mit Führung und Digitalisierung zu hören und zu lesen sind. Folglicherweise werden sie dann bei entsprechenden Befragungen auch folgsam nachgeplappert. Ob das Verhalten in der Praxis dem entspricht, ist damit noch lange nicht gesagt. Ein noch nicht einmal sehr tief gehender Blick in die Wirtschaftsberichterstattung belehrt einen oft schon eines Besseren.Wie wichtig ist die Fachkompetenz?
Das sieht man beispielsweise an der Kompetenz Fachwissen. Sie liegt mit nur 16% auf Rang 20.Wie lange schon gehört es zu den Glaubenssätzen der Personalentwicklung, dass es falsch ist, nur die zu befördern, die die besten Fachleute sind. Da überrascht es nicht, wenn das Fachwissen in solchen Studien gegenüber den sozialen Kompetenzen zurückfällt. Dass es allerdings soweit hinten landet ist nach meiner Ansicht etwas zuviel des Guten oder Schlechten. Und es dürfte auch nicht der Praxis entsprechen. Ein Produktionsleiter, der hervorragend kommuniziert, veränderungsoffen ist und seinen Leuten Wertschätzung vermittelt, um die drei Spitzenkompetenzen aufzuzählen, aber nur wenig Fachwissen mitbringt, dürfte nur mäßig erfolgreich sein. So weist auch der Artikel darauf hin, dass "viele der genannten Kompetenzen...in einer Wechselbeziehung zueinander (stehen)". Der Produktionsleiter, der veränderungsoffen ist, muss sich zwangsläufigerweise, mit neuen Produktionstechnologien beschäftigen. Und das kann er nur mit dem nötigen Fachwissen.
Eine Kompetenz wird in dem Ranking verschwiegen. Oder schwebt diese Eigenschaft über den anderen, weil sie stillschweigend vorausgesetzt und nicht hinterfragt wird: die Gewinn- und Ergebnisorientierung? In der Berichterstattung zu diesen Rankings wird auch nicht thematisiert, in welcher Wechselbeziehung diese dominante Anforderung zu den anderen Kompetenzen steht. Stattdessen liest man Sätze wie "Der Fokus des Führungshandelns sollte auf den Bedürfnissen der Mitarbeiter sowie deren Potenzialen, Stärken und Schwächen liegen." Das ist natürlich nicht falsch, doch was ist, wenn die Gewinnorientierung dazu im Widerspruch steht? Mit diesem Konflikt umzugehen und trotzdem noch wertschätzend zu führen, das ist eine der Kernkompetenzen erfolgreicher Führung. Diese Kompetenz gewinnt möglicherweise im digitalen Zeitalter noch mehr Bedeutung.
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