Mittwoch, 6. März 2019

Die "agile Organisation" ist kalter Kaffee

Das sagt der Soziologieprofessor Stefan Kühl in einem Interview im Human Resources Manager (2.3.). Mit einem kurzen Blick zurück zeigt er auf, dass die Prinzipien der Agilität keineswegs neu sind. Bereits 1970 ging es um die flexible Firma, 1980 spielte das innovative Unternehmen eine große Rolle und 1990 war es die lernende Organisation.

Es täte in der Tat manchen Management-Modeschöpfern gut, gelegentlich einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Aber solange "rückwärtsgewandt" in vielen Unternehmen als Schimpfwort gilt, ist das verpönt. Es wäre allerdings einmal eine eigene Untersuchung wert, wie und warum es gerade bei den sogenannten Management-Lehren - von Theorien sollte man lieber nicht sprechen - immer wieder gelingt alten Wein in neue Schläuche zu füllen und und diesen dann mit großer medialer Aufmerksamkeit zu "verkaufen". Kaum ist ein neues Label, transportiert von einem geschickt gepuschten Management-Bestseller, auf dem Markt, springen zahlreiche Unternehmen auf dieses Brett. Man will ja schließlich vorne sein, zeigen, dass man modern ist und permanente Veränderung zum Geschäftsprinzip gehört. Da werden Scharen von Mitarbeitern durch Seminare gejagt - das Tagesgeschäft muss warten -, Scrum-Master ausgebildet und die Hierarchie weggeredet. Dabei fragt niemand, was das Ganze denn gebracht hat, ob die Organisation wirklich innovativer geworden ist. Vielleicht liegt darin auch ein Grund für den Erfolg dieser Managementideen. Letztlich kann später niemand nachweisen, ob die Methode wirklich Erfolg gebracht hat oder nicht. Wäre das Unternehmen ohne sie weniger erfolgreich gewesen? Und wenn sich kein durchschlagender Erfolg eingestellt hat, ist das um so mehr ein Grund schnellstmöglich wieder nach der nächsten Heilslehre zu suchen.
Was zählt ist der gnadenlose Blick nach vorn. Weder die kurzfristige kritische Rückschau, ob das Veränderungsprojekt wirklich etwas verbessert hat, oder ob es nur Veränderung um ihrer selbst willen war, ist gewünscht, noch die Frage, ob die Managementlehre, der man gerade folgt, in ähnlicher Form schon früher einmal praktiziert wurde.
Damit ist keineswegs gesagt, dass Managementlehren und -methoden sinnlos und untauglich sind. Würde man sie jedoch in einem strengen, empirisch-wissenschaftlichen Sinn an Hand der Ergebnisse der nach ihren Vorgaben durchgeführten Praxisprojekte immer wieder auf die Probe stellen, würde sich die Spreu vom Weizen trennen und die würden herausgefiltert, die wirklich nützlich sind.
Das allerdings wird eine breite Beraterfront zu verhindern wissen. Denn dieses Vorgehen würde deren Geschäftsmodell nachhaltig beeinträchtigen.

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