Montag, 25. Februar 2019

Hierarchiefreie Unternehmen

Warum eine differenzierte Diskussion darüber schwierig ist

Wenn man den Ansatz kritisch hinterfragt, läuft man sofort Gefahr in die Ecke der konservativen Bedenkenträger gedrängt zu werden. Wer will schon als changeresistenter, ewig gestriger abgestempelt werden? Man muss sich rechtfertigen, kein Befürworter von Hierarchien oder gar autoritär zu sein. Ähnliches passierte es einem vor nicht allzu langer Zeit, wenn man Inklusion in Schulen kritisch hinterfragte. Man hatte schnell das Gefühl man werde verdächtigt, etwas gegen Menschen mit Behinderungen zu haben. Bei diesem Thema hat allerdings mittlerweile eine kritischere Diskussion eingesetzt. Beim Thema hierarchiefreie Unternehmen scheint das noch nicht der Fall zu sein. Hier wird nach dem Schwarz-Weiß-Schema argumentiert: Hierarchie ist schlecht, hierarchiefrei ist gut. Bisweilen hat man den Eindruck, dass die Abschaffung der Hierarchie alle Unbill der Erwerbsarbeit beseitigt.

Mythos hierarchiefreie Organisation

Wie immer, bei schwarz-weißer Argumentation liegt die Wahrheit nicht in der Mitte, sondern neigt sich mal der, mal jener Seite zu. Manchmal ist sie auch schwer zu ermitteln. Ich habe an dieser Stelle schon öfter geschrieben, warum es in Organisationen nicht ganz ohne Hierarchie geht. (Der geneigte Leser möge unter diesem Stichwort nachschauen.) Hierarchie wird es immer geben. Und wenn es keine formale Hierarchie geben sollte, bildet sich eine auf informellem Wege. Ob die dann "besser", oder sagen wir lieber "zielführender" ist, sei dahingestellt.
Ich halte es für absolut sinnvoll Hierarchien, wo möglich, zu reduzieren. Es ist auch gut zu diesem Zweck mit Organisationsmodellen zu experimentieren. Doch sollte man dabei vorbehaltlos Vor- und Nachteile abwägen.

Vorteile hierarchiefreier Organisationen

Das Zauberwort der Befürworter heißt Selbstständigkeit. Die Mitarbeiter wissen selbst am besten unter welchen Bedingungen sie ihre Aufgaben bestmöglichst erledigen. Teams entscheiden selbständig über ihre Belange und die Verteilung der Aufgaben an die Mitglieder. Dazu muss ihnen ein hohes Mass an Vertrauen entgegengebracht werden. Die Argumentation der Befürworter klingt an der Stelle immer so, als ob beides in einer hierarchischen Organisation nicht möglich wäre. Natürlich können in einer strengen Hierarchie Selbstständigkeit und Vertrauen reduziert sein, aber Hierarchie behindert sie in keiner Weise sozusagen per se.
Vertrauen zu  haben ist eine individuelle menschliche Eigenschaft und nicht etwas, das sich durch organisatorische Massnahmen erzeugen läßt. Der Druck, den eine Gruppe aufbaut, kann genauso groß sein wie der eines autoritären Chefs.
Mehr oder weniger Hierarchie kann für eigenständiges Arbeiten und vertrauensvollen Umgang miteinander bestenfalls eine Rahmenbedingung sein, aber nicht mehr.

Hierarchie hat auch Vorteile

Hierarchie reduziert Komplexität. Sie bietet ein System an, mit dem man die Erledigung von mehr oder minder komplexen Aufgaben bewältigen kann. Sie legt Entscheidungswege fest und - ganz wichtig - damit auch Verantwortlichkeiten. Entscheidend ist, wie sie gestaltet wird. Auch in einer hierarchischen Organisation kann man Entscheidungen dort plazieren, wo die meiste Kompetenz dafür vorhanden ist, nicht nur  "so weit oben", wie möglich. Man kann in Teams oder Gruppen und sogar in übegreifenden Projektgruppen arbeiten. Und vor allem, man kann auch wertschätzend und vertrauensvoll miteinander arbeiten. Genau so wichitg, wie die Hierarchie gestaltet ist, ist es aber, wie sich die Persönlichkeiten verhalten, die in ihr arbeiten. Autoritär und hierarchisch muss nicht dasselbe sein.





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