Freitag, 26. Oktober 2018

Die Scheu vor der Kontrolle

Kann Kontrolle wirklich durch Vertrauen ersetzt werden?

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist bessser", dieser Satz hält sich noch immer in den Köpfen vieler Führungskräfte. Im Gegensatz dazu wird propagiert, dass zeitgemäße Führung nur auf der Basis von Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern funktioniert. Wenn die Mitrabeiter spüren, dass ihnen vertraut wird, fühlen sie sich motiviert und bringen bessere Leistung. Kontrolle hat aus dieser Sicht ein eindeutig negatives Image und gehört in das Arsenal der ausrangierten Führungsmethoden. Doch ist das realistisch? Geht es wirklich ohne Kontrolle? Und steht Kontrolle im Widerspruch zum Vertrauen?
Eine Führungskraft ist verantwortlich dafür, dass die Beschäftigten eine bestimmte Leistung erbringen. Darum muss sie auf irgendeine Art und Weise "feststellen", dass diese Leistung auch erbracht wird und zwar so, wie es erwartet wird. Wie immer man das umschreiben mag, letztendlich ist es Kontrolle. Auch Feedback setzt voraus, dass der, der Feedback gibt, sich vorher informieren muss, welche Rückmeldung er gibt.
Nun mögen die Apologeten der hierarchiefreien Zusammenarbeit einwenden, das seien Argumente, die einem traditionellen und überkommenen Denkschema entstammen. Schafft man die Hierarchie ab, ist auch keine Kontrolle mehr nötig. Doch auch das Kollektiv muss die von ihm verlangte Leistung erbringen und Gruppendynamik kann mehr oder minder subtile, aber um so wirksamere  Kontrollmechanismen erzeugen. Ein Trost ist vielleicht, dass im Kollektiv auch die (formale) Kontrolle "selbstbestimmt" ist.
Aber da wir auf absehbare Zeit nicht ohne Hierarchie - wie immer sie ausgeprägt sein und gelebt werden mag - in Organisationen auskommen werden, müssen wir die Frage stellen, ob Kontrolle immer mit Misstrauen gleich zu setzen ist. Wenn der Chef detailliert über die Arbeit seiner Mitarbeiter Bescheid wissen und möglichst viele Arbeitsgänge "abzeichnen" will, ist das sicherlich Misstrauen und überzogene Kontrolle. Wenn er darauf achtet, dass die Mittagspause genau eingehalten wird und minutiös die Raucherpausen zählt, ebenso.
Wenn er seinen Mitarbeitern vertraut, läßt er sie ihre Tagesarbeit eigenverantwortlich verrichten. Er muss allerdings darauf achten, dass das Gesamtergebnis seines Verantwortungsbereiches stimmt.
Wenn ein Unternehmen anstatt einer detaillierten Zielvereinbarung eine Prämie gewährt, die am Unternehmensergebnis orientiert ist, kann das auch eine vertrauensbildende Massnahme sein. Überhaupt spiegelt eine "feste" Bezahlung mehr Vertrauen wider, als eine variable, "leistungsabhängige". Auch ein übertriebenes Kennzahlensystem spricht nicht unbedingt für eine Vertrauenskultur. Andererseits ist es legitim, wenn ein Unternehmen bestimmte Kennzahlen ermittelt, um seine Leistung zu überprüfen und auch zu verbessern und die Führungskraft die Arbeit ihrer Mitarbeiter überprüft.
Man muss Vertrauen so weit wie möglich erhöhen und Kontrolle so weit wie möglich reduzieren. Nur, auf Null wird sie nie kommen. In jedem Fall aber sollte man ehrlich über das Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle sprechen und nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es grenzenloses Vertrauen. Ein Arbeitsverhältnis ist keine Liebesbeziehung.

  

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