Montag, 29. Oktober 2018

Bewerber bei kirchlichen Einrichtungen dürfen konfessionslos sein

Anmerkungen zu dem Urteil des BAG

Nach diesem Urteil ist es Religionsgemeinschaften nur noch dann zulässig eine bestimmte Religionszugehörigkeit bei Einstellungen zur Bedingung zu machen, wenn das für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten und entscheidend ist. Dies zu überprüfen obliege den Gerichten.
Auch wenn ich es in jeder Hinsicht befürworte, dass Kirchen kein arbeitsrechtlicher Sonderstatus zugestanden wird, mit diesem Urteil wird der Bogen etwas überspannt.
Zunächst dürfte es in der Praxis genügend Grenzfälle geben, bei denen es nicht so eindeutig ist, was "für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten und entscheidend ist". Hoffentlich hält sich die Zahl der Fälle in Grenzen, in denen die Gerichte das überprüfen müssen.
Hier sind die Kirchen selbst aufgefordert mit Augenmass zu handeln. Im vorliegenden Fall der klagenden Sozialpädagogin scheint allerdings beiden Parteien dieses Augenmass verloren gegangen zu sein. Eine Arbeitskräfte suchende Religionsgemeinschaft sollte sich im vorhinein überlegen, ob sie unbedingt auf eine "kirchliche Bindung" Wert legen muss. Bezüglich der klagenden Bewerberin wäre es interessant zu wissen, warum sie ohne Konfession ist und warum sie als Konfessionslose sich auf ein Stellenangebot bewirbt, in dem eine kirchliche Bindung gefordert wird.
Im Rahmen dieses Augenmasses halte ich es aber für legitim, dass Religionsgemeinschaften von BewerberInnen die Zugehörigkeit zu ihrer oder gegebenenfalls einer ähnlich ausgerichteten Gemeinschaft verlangen können. Die Tätigkeit einer Sekretärin im Büro einer Kirchengemeinde hat soviel Bezug zu "Kernthemen" dieser Kirche, dass sich einer Mitarbeiterin, die aus der Kirche ausgetreten ist, mit der Identifikation möglicherweise etwas schwer tut.
Die Kirchen haben sich nach dem "weltlichen" Arbeitsrecht zu richten, aber dieses Urteil stellt auch einen Eingriff in die selbstbestimmte Personalauswahl eines Arbeitgebers dar. Wenn eine Kirche in einem Stellenangebot transparent eine kirchliche Bindung oder fundierte religiöse Grundhaltung erwartet, ist das nach meiner Ansicht nicht mit einer Diskriminierung wegen des Geschlechtes, des Alters oder der Parteizugehörigkeit gleichzusetzen.
Apropos Parteizugehörigkeit: ich wage zu bezweifeln, ob ein Mitglied der Grünen Chancen hätte, einen Job in der Parteizentrale zu CDU zu bekommen. Allerdings werden die "geschickter" sein und einen Streit deswegen nicht zum BAG hocheskalieren.

Freitag, 26. Oktober 2018

Die Scheu vor der Kontrolle

Kann Kontrolle wirklich durch Vertrauen ersetzt werden?

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist bessser", dieser Satz hält sich noch immer in den Köpfen vieler Führungskräfte. Im Gegensatz dazu wird propagiert, dass zeitgemäße Führung nur auf der Basis von Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern funktioniert. Wenn die Mitrabeiter spüren, dass ihnen vertraut wird, fühlen sie sich motiviert und bringen bessere Leistung. Kontrolle hat aus dieser Sicht ein eindeutig negatives Image und gehört in das Arsenal der ausrangierten Führungsmethoden. Doch ist das realistisch? Geht es wirklich ohne Kontrolle? Und steht Kontrolle im Widerspruch zum Vertrauen?
Eine Führungskraft ist verantwortlich dafür, dass die Beschäftigten eine bestimmte Leistung erbringen. Darum muss sie auf irgendeine Art und Weise "feststellen", dass diese Leistung auch erbracht wird und zwar so, wie es erwartet wird. Wie immer man das umschreiben mag, letztendlich ist es Kontrolle. Auch Feedback setzt voraus, dass der, der Feedback gibt, sich vorher informieren muss, welche Rückmeldung er gibt.
Nun mögen die Apologeten der hierarchiefreien Zusammenarbeit einwenden, das seien Argumente, die einem traditionellen und überkommenen Denkschema entstammen. Schafft man die Hierarchie ab, ist auch keine Kontrolle mehr nötig. Doch auch das Kollektiv muss die von ihm verlangte Leistung erbringen und Gruppendynamik kann mehr oder minder subtile, aber um so wirksamere  Kontrollmechanismen erzeugen. Ein Trost ist vielleicht, dass im Kollektiv auch die (formale) Kontrolle "selbstbestimmt" ist.
Aber da wir auf absehbare Zeit nicht ohne Hierarchie - wie immer sie ausgeprägt sein und gelebt werden mag - in Organisationen auskommen werden, müssen wir die Frage stellen, ob Kontrolle immer mit Misstrauen gleich zu setzen ist. Wenn der Chef detailliert über die Arbeit seiner Mitarbeiter Bescheid wissen und möglichst viele Arbeitsgänge "abzeichnen" will, ist das sicherlich Misstrauen und überzogene Kontrolle. Wenn er darauf achtet, dass die Mittagspause genau eingehalten wird und minutiös die Raucherpausen zählt, ebenso.
Wenn er seinen Mitarbeitern vertraut, läßt er sie ihre Tagesarbeit eigenverantwortlich verrichten. Er muss allerdings darauf achten, dass das Gesamtergebnis seines Verantwortungsbereiches stimmt.
Wenn ein Unternehmen anstatt einer detaillierten Zielvereinbarung eine Prämie gewährt, die am Unternehmensergebnis orientiert ist, kann das auch eine vertrauensbildende Massnahme sein. Überhaupt spiegelt eine "feste" Bezahlung mehr Vertrauen wider, als eine variable, "leistungsabhängige". Auch ein übertriebenes Kennzahlensystem spricht nicht unbedingt für eine Vertrauenskultur. Andererseits ist es legitim, wenn ein Unternehmen bestimmte Kennzahlen ermittelt, um seine Leistung zu überprüfen und auch zu verbessern und die Führungskraft die Arbeit ihrer Mitarbeiter überprüft.
Man muss Vertrauen so weit wie möglich erhöhen und Kontrolle so weit wie möglich reduzieren. Nur, auf Null wird sie nie kommen. In jedem Fall aber sollte man ehrlich über das Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle sprechen und nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es grenzenloses Vertrauen. Ein Arbeitsverhältnis ist keine Liebesbeziehung.

  

Sonntag, 21. Oktober 2018

Warum sollten Drittklässler programmieren lernen?

Zeitgleich zu meinem letzten Post erscheint im Mannheimer Morgen ein Interview mit dem Arbeitsdirektor der BASF, in dem es auch um den Umgang mit der Digitalisierung ging. Und was sagt der Herr Direktor dazu? Er zeigt der Reporterin einen Minicomputer, mit dem man Drittkläßlern programmieren auf einfachem Niveau beibringen kann. "Und es macht ihnen auch noch Spaß." ist der Manager überzeugt.
Ganz abgesehen davon, dass es sicherlich nicht jedem Grundschüler Spaß macht, was hat er davon? Ist er damit schon für das digitae Zeitalter gerüstet? Weiß er ein Jahr später noch, was er da mal gelernt hat und ist das weitere drei Jahre später überhaupt noch aktuell? Im selben Interview sagt der Arbeitsdirektor: "Wissen hat eine immer kürzere Halbwertszeit." - auch so eine Plattitüde. Unser Grundschüler soll zunächst einmal richtig schreiben, rechnen und lesen lernen. Das ist die wichtigste Grundlage, um später überhaupt mit Informationen umgehen zu können.
Das Interview ist ein gutes Beispiel dafür, wie bestimmte Meinungen so lange unreflektiert wiederholt und propagiert werden, bis sie tatsächlich in (politische) Aktionen münden und es dann womöglich noch in den Rang von "Sachzwängen" schaffen.

Freitag, 19. Oktober 2018

Wie bereiten wir uns auf die Digitalisierung vor?

Sollen die Kinder in der Schule programmieren lernen?

Ausgerechnet in dem vielen Zeitschriften beiliegenden Google-Magazin wird diese Frage von einem Theologieprofessor mit Schwerpunkt Ethik in einem Interview über die Herausforderungen der künstlichen Intelligenz zurückhaltend beantwortet. Mit dem Hinweis darauf, dass nicht jeder, der Auto fährt, dieses auch reparieren können muss, plädiert er dafür einen kombinierten Unterricht aus Medientheorie, Ethik, Psychologie und Grundkenntnissen der Programmierung anzubieten. Nach meiner Ansicht reicht es, wenn die Jugendlichen ein Verständnis dafür entwickeln, was diese Programme, was Algorithmen sind und wie und warum sie das Funktionieren von Computern ermöglichen. Programmieren muss nur der können, der es wirklich später auch beruflich anwendet.
Außerdem setzt der Professor, wie zunehmende andere Stimmen mittlerweile auch, auf "klassische Bildungselemente". "Die Bibel, Gothes Faust, Mathematik, zwei Fremdsprachen, Musik und Sport" scheinen ihm "ein gutes Paket zu sein, um mit den Herausforderungen zurechtzukommen, die durch künstliche Intelligenz entstehen".
Dem kann ich nur zustimmen. Über den Fächerkanon mag man diskutieren, aber über der Anschaffung von schicken White-Boards für jedes Klassenzimmer darf man nicht vergessen den klassischen Bildungsauftrag der Schule zu pflegen. Dazu gehört, dass die Grundschulen sich auf die Vermittlung der Basics, Lesen, Schreiben, Rechnen, konzentrieren. Fremdsprachen, oder gar "spielerisches Programmieren" gehören dort nicht hin.


Montag, 15. Oktober 2018

Die Generation Z ist im Anmarsch

Hoffentlich geht es dann nicht wieder bei A los

Noch sind die mythischen Erzählungen über die Generation Y nicht verstummt, taucht schon die nächste Schimäre am Horizont auf: die Generation Z. Das sind die um und kurz nach der Jahrtausendwende Geborenen. Allerdings scheint bei den Trend-Gurus die Phantasie zu schwächeln. Es wird das aufgegossen, was schon zur Generation Y gesagt wurde. "Die junge Generation zeichnet sich durch Internationalität, Vielsprachigkeit, interkulturelle Kompetenz, Engagement, Offenheit und Sensibilität für Andersdenkende, Ehrgeiz und digitale Fähigkeiten aus" so zitiert brand eins eine Daimler Personalerin. Wie bei der Generation Y werden Eigenschaften, die nur auf eine Teilmenge dieser Generation zutreffen, wahrscheinlich sogar auf eine ziemlich geringe, der ganzen Generation zugeschrieben. Die Fülle der Zuschreibungen der Daimler-Kollegin dürften noch nicht einmal auf die Mehrzahl der aktuellen AbiturientInnen zutreffen. Was ist mit denen, die kein Abitur machen und denen, die nicht über ein Hauptschulniveau hinauskommen?
Selbst wenn man nur den in den Medien vorkommenden Teil dieser Generation betrachtet, kann einem die ketzerische Frage kommen, warum sollten diese jungen Leute für Arbeitgeber so interessant sein? Auch wenn der brand eins Artikel in dem üblichen positiven Sound geschrieben ist, gibt er doch einige Hinweise, die man kritisch deuten kann.
"Die Generation Z ist nicht rebellisch....Es ist ja alles erlaubt. Sie lassen sich gerne umsorgen...In einer Welt, in der sich alles schnell verändert, suchen sie nach Sicherheit......Etwas sinnvolles tun, flexibel arbeiten, Verantwortung in Projekten tragen....Chef werden eher nicht."
Der Inhaber einer Werbeagentur wird zitiert: "Sie haben hohe Erwartungen, viel Geld, viel Freizeit, viele Zusatzleistungen..."   Trotzdem spendiert er seinen Mitarbeitern nach der Probezeit erstmal einen Trip in eine Stadt ihrer Wahl. Wenn man die ansonsten üblichen Arbeitsbedingungen in der Werbebranche betrachtet, schon fast ein exotisches Verhalten.
Wir haben es also mit verhätschelten Kids zu tun, die hohe Ansprüche haben und erwarten, dass sich die Arbeitswelt nach ihren Wünschen richtet, um es ebenfalls plakativ zu formulieren. Sie sind mehr auf ihren Vorteil bedacht und werden, genau wie die Generation vor ihnen, die Arbeitswelt ebenfalls nicht revolutionieren.
Insofern kann es auch nicht verwundern, dass die Unternehmen selbst ihre Hochglanz-Personalmarketingsprüche und -aktivitäten, mit denen sie die jungen Leute ködern wollen, in der Realität kaum einlösen. Was nützen flexible Arbeitszeiten und Home-Office, wenn durch Leistungsdruck die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben immer mehr verwischen? Wie passen befristete, Teilzeit- und spärlich honorierte Jobs für sogenannte Wissensarbeiter in Wissenschafts-, Medien- und Werbebereichen in dieses Bild? Und wo ist schließlich die in den Medien ebenfalls viel beklagte Generation Praktikum geblieben? Haben die jetzte alles lukrative Top-Jobs gefunden?
Wir stellen fest: eine in den Medien hochstilisierte Generation trifft auf eine in den Medien schön geredete Arbeitswelt. Kann das gut gehen? Es funktioniert irgendwie - weil die Realität Gott sei Dank, oder leider, anders aussieht.


Montag, 8. Oktober 2018

Immer am Limit

Manchmal kann man auch vom Fußball lernen

"Wir sind ein Team, in dem Spieler immer an ihr Limit oder darüber hinaus gehen müssen...Wir müssen im Grunde in jedem Spiel über uns hinauswachsen....", so sprach der Trainer der TSG Hoffenheim (zit. nach MM 4.10.). Anlaß für diesen Satz war die Frage nach den Ursachen für die vielen verletzungsbedingten Ausfälle seiner Spieler. Nun könnte man meinen, dass Profifußballer  im Training und im Spiel immer nur über begrenzte Zeiträume diese Leistung bringen müssen und dann genügend Zeit für Regeneration haben. Außerdem werden sie noch von Ärzten und Therapeuten gut umsorgt.
Trotzdem werden viele von ihnen immer wieder von Verletzungen heimgesucht. Hinzu kommt  gerade im Profisport der Leistungsdruck: Ich muss gut sein, damit ich aufgestellt werde. Wenn ich schlecht spiele und selten aufgestellt werde, sinkt mein Marktwert.
Diese Beobachtungen sind natürlich ein Steilpass ins Spielfeld der Personalführung.
"Wir müssen über uns hinauswachsen" ist ja auch eine gern gehörte Forderung von Managern an ihre Beschäftigten. Gemeint ist dann oft, mit einer knappen Personalbemessung das Ergebnis kontinuierlich zu steigern. Personal unter Plan, Ergebnis aber darüber. Immer am Limit "spielen" geht nicht. Genau wie im Fußball häufen sich dann die Blessuren.
Man kann mit mittelmäßigen Fußballern kaum in der Chanpions League mithalten - mit mittelmäßigen Trainern übrigens auch nicht. Unternehmen müssen in ihre Mitarbeiter investieren, um sie fit zu halten. Auch wenn das Personal als Kostenfaktor gesehen wird - allen schönfärberischen Phantastereien über die neue Arbeitswelt zum Trotz - man kann nicht immer zurerst daran sparen.
Man muss die Ratioeffekte moderner Technologien nicht auch noch mit einem Einsparungsaufschlag bei der "Manpower" umsetzen.


Sonntag, 7. Oktober 2018

Mehr als Taxi fahren

Ein Tip für alle, die sich über Tätigkeiten und Erfahrungen von Soziologen  informieren wollen:www.mehralstaxifahren.de


Freitag, 5. Oktober 2018

Niedriglöhne und Perspektivlosigkeit

Die Schattenseiten von New Work

Die Niedriglohnquote betrug laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2014 21,4 Prozent (Niedriglohn bedeutet weniger als 10 Euro in der Stunde) . Die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung beziffert den Anteil derer, die in prekären Arbeitsverhältnissen leben mit 12,3 Prozent. In dieses Bild passen die Berichte über die kontinuierlichen Versuche den gesetzlichen Mindestlohn zu umgehen. Der Anteil der Unternehmen, die keinem Tarifvertrag unterfallen ist ebenfalls kontinuierlich gestiegen.
Es gibt also genügend Befunde, die einem beim Betrachten der Arbeitsbedingungen Sorgenfalten auf die Stirn treiben.