Das standardisierte Dankesritual für langjährig Beschäftigte: Wer 25, 35, 40 oder sogar 50 Jahre im Unternehmen gearbeitet hat, wird in vielen Unternehmen dafür besonders geehrt. Er erhält eine vorbereitete Dankesurkunde, eine Jubiläumsnadel oder ein anderweitiges mehr oder minder anspruchsvoll anmutendes Präsent und wenn er Glück hat, sogar noch eine Jubiläumsprämie. Die Leistungen zu den Jubiläen schwanken stark. Am besten sind noch die Beschäftigten dran, die in einem Betrieb arbeiten, wo diese Gaben tarifvertraglich geregelt sind. Ohne diesen schönen - das meine ich ehrlich - Brauch diskreditieren zu wollen, klebe ich ihm doch mein Etikett Führungskrücke auf.
Warum? In der Regel wird der Jubiläumskalender von der Personalabteilung sorgsam gepflegt. Schon am Jahresanfang verschickt sie die Jubeldaten an die Führungskräfte der Jubilare, damit diese den Ehrentag auch ja nicht vergessen. Täte sie das nicht, würden die meisten Betriebsjubiläen sehr wahrscheinlich vergessen. Das Jubiläumsritual ist meist auch genau geregelt und damit standardisiert. Zu diesem Ritual gehört, dass unbedingt gelobt werden muss. Die Geehrten sind nun schon viele Jahre an Bord und das muss in positiven Tönen gewürdigt werden. Der Vorteil eines standardisierten Verfahrens ist, dass alles gleich behandelt werden. Das ist aber auch gleichzeitig sein Nachteil. Das bedeutet für den Chef, dass er sich auch noch für den Mitläufer, der versucht sich nur ja kein Bein auszureißen, etwas Positves aus den Fingern saugen muss. Die Führungskräfte versuchen sich dann durch das Ausmalen eines meist unspektakulären Werdegangs oder das schlichte Vorlesen der Jubiläumsurkunde aus der Verlegenheit zu retten. Letztere Variante wird auch gerne von einfallslosen Chefs genutzt, die sich nicht die Mühe machen, eine einigermaßen ambitionierte Laudatio zu halten. Jubiläumsreden und Trauerreden sind die Ansprachen, in denen die Wahrheit am meisten verbogen wird.
Wenn es eine Jubiläumsregel gibt, muss man sich auch darüber im klaren sein, dass die Mitarbeiter dann erwarten entsprechend geehrt zu werden. Da jeder davon überzeugt ist, ein guter Mitarbeiter zu sein, möchte er das natürlich auch am Jubiläum gespiegelt bekommen. Es triit dann schnell Enttäuschung ein, wenn der Jubilar das Gefühl hat nicht adäquat gewürdigt worden zu sein.
Zur Führungskrücke wird das Jubiläumsritual deshalb, weil es die Führungskraft von der schweren Aufgabe des Dankesagens entlastet. Was im Tagesgeschäft untergeht, wird am Jubiläum nachgeholt. Das Ritual als solches ist unpersönlich. Guten Führungskräften gelingt es ihm eine persönliche Note zu geben und die Individualität des Jubilars in der Vordergrund zu stellen auch wenn es nicht gerade ein Leistungsträger ist. Eine gute Führungskraft nutzt aber auch im normalen Alltag die sich bietenden Gelegenheiten zu loben oder auch Kritik zu üben und Danke zu sagen. Das Betriebsjubiläum hat, sozusagen ergänzend zur individuellen Anerkennung durch den Vorgesetzten, seinen Sinn darin, den symbolischen Dank des Unternehmens als Ganzes für die langjährige Zugehörigkeit zu vermitteln. Wenn dem Mitarbeiter aber, dessen Jubiläum in die Passivphase der Altersteilzeit fällt, die Urkunde kommentarlos per Post zugestellt wird, dann sollte man es besser bleiben lassen. Dann degeneriert das Ritual zum administrativen Akt und hat seine ursprüngliche Bedeutung verloren.
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