Ist das Bewerberprofil wichtiger oder das Anforderungsprofil der Stelle?
Personalrekrutierung mit Hilfe von Social Media wird seit Existenz dieser Medien von den Personalmarketinggurus und von Recruitern propagiert. Die Realität indes sieht anders aus wie aktuelle Studien belegen. In vielen Unternehmen wird mehr darüber geredet ohne das Instrumentarium professionell zu beherrschen und bei den Bewerbern findet dieser Weg der Bewerbung noch nicht die rechte Akzeptanz. Gleichwohl geht auch hier die Entwicklung weiter. An der Universität Cambridge wurde ein statistisches Werkzeug entwickelt, mit dessen Hilfe man aus Facebook-Profilen Psychogramme über die Nutzer erstellen kann. Das Programm "youarewhatyoulike" (nach Sonntag Aktuell, 9.3.) destilliert aus Likes, Bildern, Gruppen, Freunden Persönlichkeitseigenschaften des jeweiligen Nutzers, die dann auch bei der Bewerberauswahl eingesetzt werden können und nach Aussage der Autoren ein hohe Vorhersagekraft zu den Eigenschaften des Bewerbers haben.Ganz abgesehen davon, dass der Nutzer einer derartigen Anwendung zustimmen muss und sonstiger Datenschutzgesichtspunkte, stellt sich die Frage wie seriös und damit auch zuverlässig die Zuordnung von Persönlichkeitseigenschaften zu bestimmten Vorlieben ist. Kann man aus der Automarke, die ich fahre oder aus dem Urlaubsziel, das ich wähle, ermitteln, ob ich konservativ, schüchtern oder emotinal stabil bin? Auch wenn es derartige Untersuchungen in der Konsum- und Marktforschung schon lange gibt, muss deren wissenschaftliche Zuverlässigkeit doch immer wieder neu hinterfragt werden.
Unter den Aspekten der Personalauswahl scheint mir jedoch ein anderer Aspekt wichtiger. Nach meiner Beobachtung und Erfahrung werden der Methodik der Bewerberauswahl weitaus mehr Anstrengungen gewidmet als der Erstellung des Anforderungsprofils der Stelle, die zu besetzen ist. Wird bei der Besetzung der Stelle eines Entwicklungsingenieurs vorher gefragt, ob man lieber einen Menschen mit konservativer oder eher fortschrittlicher Ausrichtung sähe? Wenn ja, woran will man das festmachen? Selbst ein Ingenieur, der technisch absolut auf dem neuesten Stand ist, kann ansonsten ein traditonell ausgerichteter Zeitgenosse sein.
Ehe man sich also Gedanken darüber macht, wie kann ich die Bewerber möglichst präzise durchleuchten, sollte man genau analysieren, wen suche ich denn überhaupt. Meist beschränkt man sich doch auf fachliche Anforderungen, die dann auch noch überhöht werden. Alles andere wird in der Forderung zusammengefaßt: Die Chemie muss stimmen - was immer das heißt. Leider ist das oft auch so bei Positionen mit Personalverantwortung. Es gibt schon lange eine breite Palette von psychologischen Testverfahren zur Bewerberauswahl, die sich auch bewährt haben. An einem Instrument wird kein Weg vorbei führen: an einem gut vorbereiteten, professionell geführten Vorstellungsgespräch.
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