Freitag, 3. Januar 2020

Leistungsorientierte Vergütung ist nie leistungsgerecht

Manchmal werden Sachverhalte etwas klarer, wenn man sich das Gegenteil dazu vorstellt. Das Gegenteil von leistungsorientierter Vergütung wäre "nicht-leistungsorientierte Vergütung". Da im allgemeinen Verständnis die Leistungsorientierung von Bezahlung durch variable Bestandteile zum Ausdruck kommt, wäre ein fixes Entgelt nicht leistungsorientiert. Mit dieser Behauptung dürfte man bei den unbekehrbaren Anhängern des varaiablen Entgelts durchaus Zustimmung finden. Andererseits kann man fairerweise nicht behaupten, alle die ein nicht-variables Einkommen beziehen, würden keine oder eine unzureichende Leistung erbringen.

Mit der sogenannten leistungsorientierten Vergütung ist es also nicht so einfach, wie ihre Apologeten es gerne darstellen. "Mehr Geld, mehr Leistung", so lautet zugespitzt die einfache Gleichung, die bei der Entgeltgestaltung immer noch eine Rolle spielt. Oder anders ausgedrückt: man muss Leistung nur weitgehend quantifizieren, in Bezug zur Entlohnung setzen, dann stimmt am Ende das Ergebnis.
Das klassische Beispiel ist die Akkordentlohnung. Schon früh im Zuge der Industriealisierung entstanden, hat sich die ihr zugrundeliegende Zielsetzung bis heute behauptet und durch die Möglichkeiten der Digitalisierung eine starke Belebung erfahren. Leistungsbezogene Entlohnung wird schon lange nicht mehr nur in der industriellen Produktion einegsetzt, sondern hat beispielsweise auch das Dienstleistungsgewerbe erreicht. (Siehe dazu meinen Post über das Bonussystem eines Online-Getränke-Services vom 8.12.)
Nur hat die Akkordentlohnung im Laufe ihres immer ausgefeilteren Einsatzes in der industriellen Produktion durch tarifvertragliche Regulierungen eine Entschärfung erfahren. Hinzu kam, dass vielen Unternehmen der Aufwand für diese Methode zu groß wurde und beispielsweise Vorgabezeiten nicht mehr gepflegt wurden. Das führte dazu, dass die Werker damit ganz gut leben konnten. Der angestrebte Leistungbezug ging freilich durch diese Entwicklung immer mehr verloren. Im Lichte der modernen Technik könnte man fast von der "guten, alten Zeit" reden.
Wie das Beispiel des Getränkelieferdienstes zeigt, läßt die moderne Technik den Beschäftigten keine Spielräume mehr Leistungsschwankungen auszugleichen, wie es im Akkord noch möglich war. Also ist das Ziel erreicht? Die Vergütung wird durch die technischen Möglichkeiten unmittelbarer - um es neutral zu sagen - an die Leistung gekoppelt, aber wird sie damit auch leistungsgerechter?
Ist ein Entgelt, das geringfügig über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, für eine derartige Arbeit gerecht, leistungsgerecht? Und wie sieht es mit der immer wieder zitierten Anreizwirkung aus? Auch die hat ihre Grenzen. Ab einem gewissen Punkt ist Schluß. Dann läßt sich Leistung nicht mehr optimieren, weil die Menschen an iher Belastungsrenze sind.
Wäre unter diesen Gesichtspunkten ein fixer Lohn möglicherweise nicht sogar gerechter? Eine Entlohnung, die den Mitarbeitern Spielräume für persönliche Befindlichkeiten läßt (im Akkord gab es den Komfort der persönlichen Verteilzeit) und sie nicht für ein kurzes Schwätzchen mit dem Kunden bestraft? Ein Vergütung, die nicht das Gefühl permanenten Druckes erzeugt?
An der Stelle kommt immer der Einwand: Aber die Produktivität..... Es gibt aus der Produktion durchaus Erfahrung, dass bei vergleichbaren Prozessen, die Produktivität bei einem fixen Zeitlohn nicht gesunken ist. Mitarbeiter, die sich nicht unter Druck fühlen, arbeiten besser, machen weniger Fehler und fallen weniger aus. Außerdem ist der Aufwand geringer.

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