Sonntag, 30. Dezember 2018

Genau genommen weiß ich nicht, was ich sagen soll, deswegen rede ich.

Diesen Satz hat der kürzlich verstorbene Schriftsteller Wilhelm Genazino in den letzten Monaten seines Lebens niedergeschrieben. Er war bekannt als präziser und sensibler Beobachter menschlicher Existenzen und hat in seinen Büchern wahrlich genug "gesagt". Nun, das Ende seines Schriftstellerlebens offenbar im Blick, wußte er nicht mehr, was er noch sagen sollte. Er gesteht, dass er nur noch reden kann.
Beschrieben hat er damit nicht nur seinen eigenen Zustand sondern etwas, was wir täglich selbst erleben und auch praktizieren. Welches Ausmaß an Gerede erleben wir täglich? Wieviel wird in Besprechungen geredet ohne dass tatsächlich etwas gesagt würde? Wieviele Zeitgenossen reden drei Sätze, um etwas zu sagen, wofür einer gereicht hätte? Wieviele Mitmenschen hören sich gerne reden ohne dem Anderen etwas zu sagen oder ihm gar zuzuhören? Auch die, die etwas zu sagen haben sollten, reden oft nur -  und das dann auch noch um "den heißen Brei herum".
Aber auch: wieviel reden wir täglich selbst ohne uns Gedanken zu machen, ob wir auch etwas sagen?
Welche Mengen Nichtssagendes werden geappt, getweetet und gepostet?
Falls sie noch einen Neujahrswunsch brauchen, denken sie einmal über den Unterschied zwischen Reden und Sagen nach. Das kostet nicht viel Zeit und sie brauchen daraus auch keinen guten Vosatz abzuleiten. Denn immer dann, wenn sie auf einen "Redner" oder auch eine "Rednerin" treffen, werden sie daran erinnert und können für sich überlegen, kann, soll und weiß ich etwas zu sagen - oder bin ich besser still?
In diesen Sinne wünsche ich allen LeserInnen einen guten Start ins neue Jahr.


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