"Titel, Konkurrenzdenken, Selbstdarstellung und andere Faktoren der Dominanz und Absicherung werden unbedeutend, da sie nicht mehr ausschlaggebend sind und Karriere nicht von Macht, Verdrängung und Hierarchie geprägt sind."
Dies ist ein Zitat aus einer Zusammenfassung des Inhaltes des Buches " Reinventing Organizations" von Frederic Laloux, der als "Organisations-Guru" gilt. (zit. aus dem Blog denkmodell).
Andere Erwähnungen dieses Werkes hatten mein Interesse geweckt, das aber nach dem Lesen der Zusammenfassung ziemlich geschrumpft ist.
Offensichtlich reiht es sich ein in die lange Reihe ähnlicher Bücher, die mit großer Selbstgewißheit eine schöne neue Arbeitswelt herbeischreiben. Möglicherweise ist der große Anklang den diese Sehnsuchtsliteratur findet, schon ein Symptom dafür, dass das Publikum die aktuelle Arbeitssituation deutlich anders empfindet und sich deshalb gerne in eine bessere Zukunft entführen läßt. Die blaue Blume der Romantik läßt grüßen.
Man muss sich nur das obige Zitat genauer anschauen.
Warum sollen denn plötzlich Konkurrenzdenken und Selbstdarstellung unbedeutend werden? Beides sind persönlichkeitsbeeinflusste Eigenschaften. Warum sollen denn die Menschen, die in Unternehmensorganisationen arbeiten, auf dem Weg in die neue Arbeitswelt zu empathischen Teamworkern werden, die sich unter Hintanstellung eigener Ambitionen in idealerweise demokratische Abstimmunsprozesse einfügen? Die Welt, die dieses Zitat beschreibt, setzt bestimmte Persönlichkeiten voraus, die es zwar ohne Zweifel gibt - auch in Unternehmen. Aber es wird auch immer Typen geben, die mehr an der eigenen Karriere und am Ausbau ihrer Herrschaftsposition interessiert sind, als am Erfolg des Teams.
Schauen wir kurz in die Politik. Warum gibt es denn Trumps, Erdogans, Orhans, Kims und ähnliche?
Selbst wenn man von derart autoritären Typen absieht, glaubt denn irgendjemand, dass es zukünftig keine sogenannten "Alphatiere" mehr geben wird?
Die Unternehmen, die immer wieder als fortschrittliche und zukunftsgerichtete Beispiele und Gegenentwürfe zu herkömmlich geführten Unternehmen genannt werden, sind meist auch von bestimmten Führungspersönlichkeiten geprägt. Im übrigen hat es Unternehmer mit einer sozialen Verantwortung für ihre Mitarbeiter schon immer gegeben - sogar in den Frühphasen der Industrialisierung. Ein besonders prominentes und wirkmächtiges Beispiel rückt dieser Tage im Zuge des Marx-Jubiläums wieder in den Blick: Friedrich Engels.
Ich fürchte, wer darauf vertraut, dass mit der zukünftige Arbeitswelt auch andere Persönlichkeiten in Erscheinung treten, der wird enttäuscht werden.
Und was Titel angeht, sollte man sich nur mal die auf diesem Gebiet in den letzten Jahren auf den Markt gekommenen Anglizismen ansehen. Warum soll sich das in Folge technologischer Entwicklung ändern?
Es ist gut, dass es Unternehmer gibt, die experimentieren und die mit ihren Beschäftigten wertschätzend umgehen. Unternehmensorganisationen werden sich auch ändern - nur man sollte nicht davon ausgehen, dass das automatisch in eine im Moment für positv gehaltene Richtung geht, Was ist denn, wenn sich die Richtung umkehrt? Wenn es wieder autoritärer wird? Und zwar nicht weil die Führungkräfte so werden, sondern weil seelenlose, kennzahlengesteurte Workflows diese Rolle übernehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen