Wenn es eine Wahl zum Zauberwort des Jahres im Management gäbe, müsste sie auf Netzwerk und alle damit im Zusammenhang stehenden Kombinationen fallen. Im letzten Post hatte ich einen Kollegen zitiert, der die Arbeitswelt im Jahr 2015 als vernetzt, selbstbstimmt und hierarchiefrei beschrieben hat. Eine Managementberaterin fordert in einem Interview, dass Führungskräfte empathische Netzwerker sein müssen. Die Zahl der Zitate, in denen das Netz zum Heilmittel für fast alle Probleme der zukünftigen Arbeitswelt herbeigeredet wird, ist unübersehbar. Selbst Wikipedia bittet ob der Vielzahl an Definitionen um Beiträge, die die Redundanzdisskussion vermindern und Klarheit in der begrifflichen Abgrenzung schaffen. In der Tat, es gibt kaum einen Fachbereich, der es nicht mit Netzwerken zu tun hat: Mathematiker, Elektriker, Organisationstheoretiker Betriebswirte, Soziologen und Politikwissenschaftler. Von all diesen gibt es natürlich auch jede Menge vernünftiger Beiträge zum Thema Netzwerk. Mit denen setzt sich aber im Rahmen des Management-Small-Talks keiner mehr auseinander.
Darum kann der erste Rat nur lauten: hören sie auf über Netzwerke zu reden. Wenn es sie es dennoch tun, dann verschwenden sie wenigstens einen erklärenden Satz darauf, was sie damit meinen. Wenn sie es nicht tun, kommen möglicherweise solche Floskeln raus, wie bei der obern zitierten Unternehmensberaterin: "Also darf das Denken einer Führungskraft nicht an der Grenze des eigenen Bereichs enden. Sie muss vielmehr versuchen, ihren Bereich mit den anderen Bereichen so zu vernetzen, dass Top-Leistungen erbracht werden." Abgesehen davon, dass die inhaltliche Botschaft dieses Statements so alt ist, wie das Organigramm selbst, was heißt denn hier vernetzt? Es sollte ja sichergestellt sein, dass alle Bereiche eines Unternehmens im Rahmen der formalen Organisation so miteinander verbunden sind, dass am Ende ein ordentliches Ergebnis rauskommt (es muss nicht ja nicht immer gleich eine Top-Leistung sein). Und es gehört zur Standardaufgabe einer Führungskraft, dass sie im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses auch mit den anderen Bereichen zielführend zusammenarbeitet. Oder ist das informelle Beziehungsgeflecht gemeint, ohne das keine Organisation existiert? Sich dessen geschickt zu bedienen, gehört aber auch schon immer zur Führungskunst. Wie auch immer: alter Wein in neuen Schläuchen.
Wenn sie sich also ernsthaft mit dem Thema befassen wollen - und als Führungskraft sollten sie das in jedem Fall tun, dann beschäftigen sie sich mit dem Verhältnis von formaler und informeller Organisation unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Informationstechnologie. Und fragen sie sich vor allem, welche Rolle spielt das Netzwerk in einer hierarchischen Organisation?
Vergessen wird bei dem ganzen Geplappere der Berufsstand, der schon am längsten mit Netzen arbeitet: die Fischer. Die fangen damit ja bekanntlich ihre Fische. Sie freuen sich, wenn das Netz schön fest ist und nicht reißt auch wenn die Fische noch so zappeln. Hoffentlich hat das keiner von den Managementgurus im Kopf, wenn er von Netzwerk redet.
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