Von fast jedem zweiten Arbeitnehmer in Deutschland wird erwartet, dass er über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zeitliche Flexibilität zeigt. Das zitiert faz.net am 21.4. aus einer Umfrage. Zugleich werde aber der Mehrheit der Befragten (4000) nicht zugestanden, ihre Arbeitszeit frei zu gestalten. Arbeitgeber bieten zu wenig Möglichkeiten auf private Umstände schnell und flexibel zu reagieren. Auch des Zitat des Schulleiters in meinem Post vom Wochenanfang fiel, als die junge Kollegin den Wunsch nach einer familienfreundlichen Stundenplangestaltung äußerte. Viele Unternehmen schreiben schon in die Arbeitsverträge, dass eine bestimmte Zahl von Stunden ohne irgendeine Abgeltung über die vertragliche Arbeitszeit hinaus erbracht werden muss.
Das zeigt, mit der Selbstbestimmung der Beschäftigten, die mit ihren Arbeitgebern auf Augenhöhe verhandeln ist es noch nicht so weit, wie manche Management-Gurus es aus ihrem Kaffeesatz herauslesen. Nach meiner Einschätzung empfinden viele Beschäftigten eher eine zunehmende Rigidität in ihren Arbeitsverhältnissen, die sich in ausgedehnter Erreichbarkeit, Flexibilität und Zeitdruck ausdrückt. Wie und warum sich das in zehn Jahren, wie manche prognostizieren, radikal verändern soll, ist mir nicht klar.
Doch zurück zur Arbeitzeit: Auch die Forderung nach flexibler Arbeitszeit hat ihre zwei Seiten. Wenn eine junge Lehrerin von ihrem Schulleiter mehr oder minder fordert, ihr Teilzeit-Stundendeputat so zu legen, dass für sie drei freie Tage in der Woche rausspringen, kann ich schon verstehen, dass dieser ungehalten reagiert (was natürlich in keinem Fall den zitierten Spruch rechtfertigt). Auch in manchen Büros gibt es nicht immer Verständnis, für die Arbeitszeitwünsche von teilzeitbeschäftigten Müttern bei den anderen KollegInnen, die möglicherweise deshalb mit ihren Wünschen zurückstecken müssen.
Der Vorteil der gleitenden Arbeitszeit, den Mitarbeitern individuelle Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, kehrt sich mental in einen Nachteil um, bei den Beschäftigten und bei den Arbeitgbern. Bei den Arbeitgebern födert die minutengenaue Dokumentation das Kontrollbedürfniss: Mal sehen, wer genau seine Zeit einhält und wer auch mal was verfallen läßt. Wehe es ist jemand über längere Zeit im Minus. Bei den Beschäftigten wird das Bemühen gefördert immer im Plus zu sein und im Rahmen des Übertragungsspielraums auch ein Guthaben anzusparen. Das bedeutet, man ist möglicherweise auch dann anwesend, wenn vielleicht nicht so viel zu tun ist. Andererseits soll auch keine Zeit verfallen. Das führt dann dazu, dass am letzten Freitag im Monat viele früher Schluss machen, damit am Monatsende ja nichts verfällt. Minutenfuchserei auf beiden Seiten also. Den eigenverantwortlichen Umgang mit Arbeitszeit fördert das nicht. Es wäre in meinen Augen deshalb besser auf Arbeitszeiterfassung zu verzichten, wenn es nicht die gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation gäbe - die allerdings in der Praxis kaum kontrolliert wird.
Der faire Umgang mit Arbeitzeit - von beiden Seiten - sollte auch ohne Zeiterfassung funktionieren.
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