Freitag, 8. Mai 2015

Mindestlohn....

....oder was Zeitungsverleger unter Stakeholdermanagement verstehen.

Meine regionale Tageszeitung hat diese Woche mehr als die Hälfte einer Seite des Wirtschaftsteils darauf verwendet, die Folgen des Mindestlohns unter der dramatischen Überschrift "Ganze Landstriche verlieren den Anschluss" an die Wand zu malen. Der Mindestlohn verursacht bei den Zeitungsverlegern die Umstellung des bisherigen Stücklohns (die Zusteller werden pro Exemplar zugestellter Zeitung bezahlt) auf den Zeitlohn. Das würde komplizierte Berechnungen verursachen und mache sogar den Einsatz von mobilen GPS-Geräten bei den Zustellern notwendig. Angeblich wäre die Mindestlohnabrechnung bürokratisch sehr aufwendig. Folge: Es wird in jedem Fall für den Abonnenten teurer, beziehungsweise Millionen Haushalte würden gar nicht mehr "betriebswirtschaftlich sinnvoll" versorgt werden können, so der Verband der Zeitungsverleger. Er sieht sogar die bundesrepublikanische Bildung gefährdet: " Ein Land, das Bildung als wichtigste Ressource habe, dürfe sich aber keine Versorgungslücken leisten."
Wenn man sich einmal näher mit Leistungsentlohnung beschäftigt hat, kann man über die Argumente der Zeitungsverleger nur milde lächeln.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die bisher keine Informationen darüber hatten, wieviel Zeit ein durchschnittlicher Austräger braucht, um eine bestimmte Zahl von Exemplaren in die Briefkästen zu bringen. Also ließe sich dieser Wert sehr einfach mit einem Stundenlohn hinterlegen. Der Haken ist natürlich woanders. An keiner Stelle in dem Artikel wird erwähnt, wie hoch der Stücklohn pro Exemplar denn ist und wie der sich durch den Mindestlohn verändert. Es ist legitim, dass die Verleger ihre Interessen vertreten und höhere Kosten beklagen. Dann sollen sie das aber auf seriöse Art und Weise tun und ihren Lesern, die die Kosten letztendlich tragen sollen, transparent vermitteln, wie die gestiegene Belastung aussieht.
Ich gestehe dem Verleger zu, dass er mit seinem Unternehmen einen angemessenen Ertrag erwirtschaftet. Ich gestehe aber auch dem Zusteller zu, dass er dafür genauso angemessen bezahlt wird. Sollte das bisher nicht der Fall gewesen sein, dann bin auch ich als Leser bereit meinen Teil - nicht alles - dazu beizutragen, dass sich das verbessert.
Geradezu lustig klingt der Vorwurf, dass durch die Einführung des Mindestlohns die bisherige "odnungspolitische Begleitung des Funktionierens des Pressevertriebs" verloren gegangen sei. Genau die hat es ja bisher nicht gegeben. Eine Begleitung zu fordern, die gar keine ist, ist auch originell.
Für eine Branche, die eh noch um ihre Positionierung in der modernen Medienwelt ringt, ist diese Auseinandersetzung mit dem Mindestlohn merkwürdig rückwärtsgewandt. Als Stakeholdermanagement gegenüber dem Leser und Kunden untauglich.

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