"Gibt's bei uns nicht", gibt's nicht. Das ist genau wie mit Alkohol im Betrieb. Sexuelle Belästigung kommt in den besten Betrieben vor. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten hat schon einmal sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet. Ein Drittel der Frauen und jeder vierte Mann musste sich bereits unliebsamer Körperkontakte erwehren. Das geht aus einer Studie der Antidiskrimierungsstelle des Bundes hervor. Allerdings würde nur jede siebte Frau und jeder zwölfte Mann dies als sexuelle Belästigung einstufen.
Da fängt das Problem an. Es herrscht offensichtlich eine Grauzone der Lockerheit, deren Grenzen noch zusätzlich durch die jeweilige individuelle Veranlagung aufgeweicht wird. Das leistet der vorschnellen Behauptung Vorschub: "Sexuelle Belästigung gibt es bei uns nicht". "Wir machen mal einen lockeren Spruch, aber das macht doch nichts. Wer das nicht verträgt, ist selber schuld."
Ich selbst habe in dreiundzwanzig Jahren Tätigkeit als Personalleiter sechs Kündigungen wegen sexueller Belästigung vollzogen. In einem Unternehmen mit eher traditionellem Charakter, mit ordentlichem Betriebsklima und langjährigen Betriebszugehörigkeiten. Ein Unternehmen ist eben auch ein Ausschnitt der Gesellschaft, in dem die Untugenden nicht an der Pforte abgegeben werden. In keinem dieser Fälle handelte es sich nicht um direkte körperliche Belästigung. Wir waren uns aber einig - auch mit dem Betriebsrat - , dass es in derartigen Situationen keine Diskussionen gibt und das keine "Kavaliersdelikte" sind. Im übrigen wurden wir auch in den Fällen, in denen es zu Kündigungsschutzklagen kam, von den Arbeitsgerichten bestätigt.
Für eine Unternehmensleitung und für Führungskräfte kann es in dem Thema nur eine Haltung geben: klare und eindeutige Ablehnung aller vermeintlichen Lockerheit und Zweideutigkeit. Keine Witze sexuellen Inhalts beispielsweise im Kollegenkreis. Auch wenn man dafür als spröde oder spießig belächelt wird. Diese Lockerheit schafft den Nährboden für tatsächliche Belästigung. Und wenn es doch zu einem Vorfall von Belästigung gekommen ist, muss der mit aller Konsequenz aufgeklärt und auch sanktioniert werden. Dem stehen Diskretion und Schutz der Belästigten in keiner Weise entgegen. Eine Führungskraft, die selbst ihre hierarchische Stellung für einen lockeren Umgang mit Nachgeordneten ausnutzt, muss das Unternehmen verlassen. Gerade in solchen Fällen kann es kein Zögern geben.
Diese Haltung sollte sich auch schon an Äußerlichkeiten festmachen. Beispielsweise keine Pin-Up Fotos in Produktionsbetrieben mehr, insbesondere, wenn dort Besucher durchgeführt werden. Das beeinträchtigt im übrigen keineswegs den Spaß bei der Arbeit - im Gegenteil.
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