Freitag, 27. März 2015

Führung?????

Es gibt zur Zeit nach meinem Empfinden eine merkwürdige Gemengelage in der Diskussion rund um das Thema Führung. Der Management-Zeitgeist plappert eifrig und immer wieder von hierarchiefreien oder zumindest -reduzierten und möglichst fluiden Organisationen, von der Demokratisierung der Unternehmen, von der unaufhaltsamen Ausbreitung von Netzwerken und davon, dass die hochqualifizierten Wissensarbeiter, insbesondere dann, wenn sie der Generation Y angehören, sowieso nur selbstbestimmt arbeiten wollen.
Andererseits werden wir auch immer wieder mit Veröffentlichungen konfrontiert, die die Belastung am Arbeitsplatz in oft dramatischer Form beschreiben. Burn-Out ist immer noch ein Thema, obwohl die Statistiken dazu widersprüchlich sind.
Kürzlich hat uns die DAK in einer Studie die Zunahme des Hirndopings vor Augen geführt. Eine Million Beschäftigte in Deutschland greifen regelmäßig zu Pillen, um ihre Leistung zu halten oder zu steigern. Die Ergebnisse weisen auch darauf hin, dass die Arbeitswelt nicht nur aus hochqualifizierten Wissensarbeitern besteht. Der Anteil der Pillenkonsumenten bei den Ungelernten und sogenannten "einfach Beschäftigten" liegt merklich höher als bei den Hochqualifizierten. Möglicherweise werden Letztgenanntere doch etwas anders geführt als die "einfach Beschäftigten". Zumindest brauchen sich die Wissensarbeiter nicht mit den Tricks der Mindestlohnumgehung herumzuschlagen und auch keine Mehrfachbeschäftigungen um über die Runden zu kommen.
Aber offensichtlich braucht auch ein zunehmender Teil dieser Gruppe Hilfe bei der Bewältigung der Anforderungen der Arbeitswelt. Die Zahl der Coaches und sonstigen einschlägigen Berater sowie die von ihnen bearbeiten Themenfelder wächst. Das fängt schon bei der Studien- und Berufswahl an und geht bis zur Karriere- und Konfliktberatung für die, die schon im Job sind.
Wir erleben also einerseits eine offensichtliche - keinesfalls neue oder gar revolutionäre - Sehnsucht nach selbstbestimmter Arbeit in einem möglichst hierarchiefreien Umfeld. Andererseits sind die, die vemeintlich so arbeiten können, damit überfordert. Die Individualisierung der Arbeitswelt wirft die Beschäftigten auf sich selbst zurück. Sie müssen sich selbst managen. Das fängt schon bei der Berufswahl an, die keine berufslebenslange Bedeutung und Verläßlichkeit mehr hat. Das geht in einer Arbeitswelt weiter, die zunehmend von Workflows gesteuert und nach Kennzahlen gesteuert wird. Persönliche Führung wird durch digitale Führung ersetzt und den Beschäftigten als Selbstführung verkauft. Du hast es selbst in Hand, effizienter zu werden. Dieses Dilemma macht den Menschen zu schaffen.
Um so mehr kommt es auf persönliche Führung an, auf Begleitung, auf Unterstützung bei Problemen, auf sorgfältige Einarbeitung, aber auch auf Kritik und auf Lob und Anerkennung. Der Bedarf an externen Coaches zeigt oft nur ein Defizit an Führung in der Organisation auf. Selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten braucht einen Rahmen - durch eine sinnvolle Hierarchie und souveräne Führungskräfte.

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