Es ist normalerweise elementarer Bestandteil der Führungsaufgabe mit den Mitarbeitern Gespräche zu führen und ihnen ein Feedback - kritisch wie auch positiv - zu ihrer Leistung zu geben. Doch gerade damit tun sich viele Führungskräfte schwer. Die Kommunikation verlässt oft nicht die fachliche Ebene. Kritik wird durchaus artikuliert, aber vorwiegend im kollektiven Rahmen. Auch wenn es berechtigt und notwendig wäre, unterbleibt die individuelle Ansprache, das in-die-Verantwortung-nehmen des Einzelnen. Davor haben viele Chefs Scheu. Und wenn es doch dazu kommt, weil es nicht mehr anders geht, erfolgt es in weich gespülter Form. Mit Lob ist es nicht anders. Es wird nur noch seltener eingesetzt als Kritik sowohl in kollektiver als auch in individueller Form. Der aus dem schwäbischen kommende Spruch: Nichts gesagt, ist genug gelobt, kommt nicht von ungefähr.
Um dem
abzuhelfen, wurden als Hilfsmittel Beurteilungssysteme erfunden. Das Verfahren
wurde ritualisiert, mit Fristen unterlegt, um wenigstens Mindestzeiträume
einzuhalten, innerhalb denen ein Gespräch geführt werden sollte. Es wurden
Formulare und Notensysteme kreiert und natürlich auch Trainings, damit die
Führungskräfte in die Lage versetzt werden, ihrer Aufgabe nachzukommen. Korrekterweise
muss man hier allerdings ergänzen, dass viele Beurteilungssysteme einen anderen
Zweck erfüllen als zu gewährleisten, dass die Mitarbeiter ein Mindestmaß an
Feedback bekommen. Sie dienen als Grundlage für eine sogenannte
Leistungszulage. Damit wurden sie auch Bestandteil von Tarifverträgen, zum
Beispiel in der Metallindustrie. Dass man die Beurteilung mit einem
finanziellen Anreiz gekoppelt hat, hatte allerdings dieselbe Wirkung, wie man
an eine Gehhilfe zusätzliche Gewichte hängen würde. Hier stand wieder der alte
Irrglaube Pate, dass man damit die Beschäftigten motivieren könne. Dabei
erschließt sich einem schon bei oberflächlichem Nachdenken, dass die
Motivationskraft eines oft schwerfälligen, ritualisierten Verfahrens, in dem
man sich nur theoretisch verschlechtern kann und die Verbesserungsmöglichkeiten
gedeckelt sind, äußerst gering ist. Bei wohlwollender Betrachtung kann man den
Erfindern eine positive Absicht unterstellen. Beurteilungssysteme sind auch ein
Versuch Gerechtigkeit herzustellen, indem alle dem System unterworfenen nach
dem gleichen Schema beurteilt werden. In der Praxis hat sich allerdings
gezeigt, dass auch dieser Effekt eingeschränkt ist. Durch die Subjektivität der
beurteilenden Führungskräfte kommt es doch zu unterschiedlichen Einstufungen
bei vergleichbaren Leistungen. Das wird immer dann deutlich, wenn es in einer
Abteilung zu einem Vorgesetztenwechsel kommt. Folgt dem großzügigen Beurteiler
einer, der das System enger auslegt und damit vermeintlich schlechter
beurteilt, kommt es regelmäßig zu Diskussionen.
Bei allen
Beurteilungssystemen ist eine ausgeprägte Tendenz zum Positiven festzustellen.
Die Gaussche Normalverteilung, die zwar in allen Beurteilungsschulungen erklärt
wird, findet sich in den Ergebnissen der Beurteilungsrunden nicht wieder.
Besonders selbstbewusste Führungskräfte erklären diesen Effekt dann mit der
Tatsache, dass sie eben in der Mehrzahl auch gute Mitarbeiter hätten. Diese
Neigung zur positiven Beurteilung zeigt die Scheu viele Chefs kritisches
Feedback zu geben. Das wird natürlich noch dadurch verstärkt, wenn die
Beurteilung an eine Leistungszulage geknüpft ist. Ans Geld gehen will der
Vorgesetzte dem Mitarbeiter schon gar nicht. Ganz abgesehen davon, dass die
Absenkung von Leistungszulagen in den Tarifverträgen meist auch an hinderliche
Prozeduren gebunden ist.
Am
Beurteilungssystem wird die Funktion als Führungskrücke besonders deutlich. Daran ändert auch das neudeutsche Etikett Performancemanagement nichts. Der
Vorgesetzte bekommt ein Instrument an die Hand für eine Aufgabe, die er
eigentlich selbständig ausüben müsste. Er bekommt ein Hilfsmittel verordnet,
damit er in der Lage ist, den gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Im
Gegensatz zum medizinisch verordneten Hilfsmittel müssen bei einem
institutionalisierten Beurteilungssystem alle Führungskräfte das Instrument
nutzen, auch wenn sie ohne es zurecht kämen. An diesem Beispiel wird allerdings
auch deutlich, dass diese Krücke durchaus positive Effekte haben kann.
Offensichtlich ist die Beurteilung – oder besser das Feedback – für viele
Führungskräfte ein schwieriges Metier. Durch dieses Instrument wird
sichergestellt, dass überhaupt beurteilt wird und die Beurteiler bekommen etwas
an die Hand, das ihnen das Vorgehen erleichtert. Mehr sollte ein
Beurteilungssystem auch nicht sein. Ein Angebot, eine Hilfe insbesondere für
solche, die neu in ihrer Aufgabe sind, dann auch verbunden mit einer
sorgfältigen Schulung. Die Beurteilung sollte in keinem Fall mit einem
finanziellen Anreiz verknüpft sein. Das beeinflusst unweigerlich den Inhalt und
hat darüber hinaus keinerlei motivierende Wirkung. Grundsätzlich aber ist an
eine Führungskraft die Anforderung zu stellen, dass sie in der Lage ist ihren
Mitarbeitern situationsgerecht, zeitnah, fair und wertschätzend Feedback zu
geben. Wohlgemerkt, auch in positive Richtung.
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