Ein Lateinlehrer aus meiner Schulzeit pflegte bei passenden Gelegenheiten den Spruch loszulassen: "Demokratie ist unmöglich in der Schule, im Gefängnis und im Betrieb." Als Schüler in den achtundsechziger Jahren stand ich diesem Satz natürlich skeptisch gegenüber. Heute stehe ich dem entgegensetzten Streben nach mehr Basisdemokratie skeptisch gegenüber - insbesondere wenn es um deren Einsatz in Unternehmen geht. Offensichtlich gibt es nicht nur das Streben danach sondern in einigen Unternemen auch tatsächliche Ansätze Basisdemokratie zu praktizieren. HRMonline zitiert in der vergangenen Woche das Beispiel eines IT-Dienstleisters mit 150 Mitarbeitern, der die Software Liquid Feedback eingeführt hat, um die Mitarbeiter bei Entscheidungen mitabstimmen zu lassen. Natürlich kann man es begrüßen, wenn in einem Unternehmen versucht wird, die Mitarbeiter in bestimmte Entscheidungen miteinzubeziehen Aber ist das dann schon Demokratie? Aus dem erwähnten Artikel ging auch nicht hervor, ob der Inhaber des Unternehmens seine Mitarbeiter auch darüber abstimmen läßt, wenn er beispielsweise ein Unternehmen zukaufen oder eine große Investition tätigen will.
Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes und damit ist es zunächst eindeutig ein Begriff aus dem politischen Raum. Es geht darum, wie die Bevölkerung einer Staatsgemeinschaft die Herrschaft organisiert und über demokratisch gewählte Institutionen an der politischen Willensbildung mitwirkt. Eine völlig andere Situation wie in einem Unternehmen. Hier übt der Unternehmer die Herrschaft aus, legitimiert durch seinen Kapitaleinsatz. Da er das Risiko und die Verantwortung für dieses Kapital trägt, muss er auch über dessen Verwendung entscheiden können. Er kann diese Entscheidungen an Manager delegieren. Diese Manager müssen sich durch verschiedene Kompetenzen für ihre Jobs eignen. Und sie sollen bei ihren Entscheidungen auch die Mitarbeiter miteinbeziehen, die durch ihre Kompetenzen sachgerecht an den Entscheidungen mitwirken können. Und sie sollen den Mitarbeitern die Entscheidungsspielräume geben, die sie bei ihrer Arbeit brauchen. Das hat aber mit Demokratie noch nichts zu tun. Damit üben die Beschäftigten noch nicht die Herrschaft über das Unternehmen aus.
Nun könnte man sagen, dadurch, dass die Beschäftigten ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, sind sie legitimiert auch in ihrem Betrieb zumindest eine gewisse Herrschaft auszuüben. Genau aus diesem Gedanken ist die gerade in Deutschland bewährte Betriebsverfassung entstanden. Die Belegschaft wählt einen Betriebsrat, der ihre Interessen vertritt und auch mit gewissen Rechten ausgestattet ist. Es gehört zur Ironie dieser Diskussion, dass viele Betriebe versuchen Betriebsräte zu vermeiden und andere Basisdemokratie betreiben wollen. Abgesehen davon kann beispielsweise der Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft, wenn er gleichzeitig auch Aktionär ist, über die Hauptversammlung an Unternehmensentscheidungen mitwirken. Gerade die Probleme dieser demokratischen Institutionen zeigen auch ihre Nachteile für die Unternehmenspraxis: Schwerfälligkeit, politisches Taktieren und auch Kompetenzdefizite. Im politischen Raum gibt es den Begriff des Herrschaftswissens. Die Profis sind den anderen mit ihrem Know-How voraus.
In der arbeitsteiligen Organisation eines Industrieunternehmens muss es so sein.
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