Flache Hierarchie bedeutet, es gibt weniger Führungskräfte. Die Organisation ist weniger differenziert, die Führungsspanne größer. Das kann für eine traditionell strukturierte Führungskraft mit einem ausgeprägten Kontrollantrieb bedeute, dass sie hier sehr wahrscheinlich überfordert ist. In dieser Form der Organisation muß man sich als Chef auf seine Mitarbeiter und auch auf die Prozesse verlassen können. Das heißt, die Mitarbeiter müssen in der Lage sein eigenständig ihre Arbeit zu erledigen auch wenn plötzlich etwas Unvorhergesehenes auftaucht. Sie müssen auch ohne Rückfrage beim Chef oder ohne Nachschauen in irgendeinem Reglewerk eine Entscheidung treffen können - im Rahmen ihres Arbeitsgebietes. Das bedeutet, in einer flachen Organisation müssen Führungskräfte die Hauptaufgabe im Empowerment (Leider gibt es keine aussagefähige deutsche Übersetzung) ihrer Mitarbeiter sehen. Vielleicht ist deshalb dieser Begriff nach einer kurzen Euphorie so schnell wieder verschwunden: nicht nur weil er sich in seiner ganzen Bedeutung nicht ins Deutsche übersetzen läßt sondern auch weil viele Führungskräfte sich gerade damit schwer tun. Die Mitarbeiter "befähigen" - was nicht nur fachlich gemeint ist - und dann: loslassen. Ohne detaillierte Kontrollen und "Da setzen Sie mich bitte auf den Verteiler.". Das hat auch mit Vertrauen zu tun.
Wobei loslassen nicht alleine lassen bedeutet. Die Führungskraft muss trotzdem den Mitarbeitern zur Verfügung stehen, für Gespräche oder wenn Rat unnd Hilfe benötigt werden. Sie muss den Mitarbeitern auch die Informationen zur Verfügung stellen, die sie für ihre Arbeit brauchen. Und sie muss sich auch darüber im Klaren sein, was Personalentwicklung bedeutet. Nicht nur ab und zu einmal ein Seminar aussuchen sondern die kontinuierliche Begleitung der Mitarbeiter, das Erkennen ihrer Stärken und Schwächen und das Arbeiten daran.
Man muss an dieser Stelle auch die Frage nach der Führungsspanne stellen. Wieviele Menschen kann eine Führungskraft führen? Früher war es üblich eine Faustformel zu nennen. Den Gefallen tue ich ihnen hier nicht. Denn das ist in der Tat abhängig von der Art des Geschäftes und den daraus resultierenden Arbeitsvorgängen. Ein Bereich mit hoch standardisierten Prozessen kann möglicherweise eine größere Führungsspanne vertragen als eine Einheit mit Spezialisten und sehr heterogenen Anforderungen.
Ehrlicherweise
sollte man zugeben, dass der Traum von der flachen Hierarchie oft mehr dem
Drang zur Kostenreduzierung geschuldet ist als dem Bedürfnis „moderne“ – was
immer das dann heißen mag – Organisationsstrukturen zu schaffen. Wenn man
allerdings das Bedürfnis hat wertschätzende Führung zu ermöglichen, dann stößt
eine Führungsspanne möglicherweise sehr schnell an ihre Grenzen. Bei welcher
Zahl an Nachgeordneten kann ein Chef noch die einzelnen Individuen im Blick
haben? Ihre individuellen Stärken und Schwächen richtig einschätzen, ihre
Leistung beurteilen, sich Zeit für Mitarbeitergespräche nehmen, vielleicht auch
ihre private Situation einschätzen? Stellen sich diese Fragen und sie kommen zu
einer realistischen Führungsspanne.
Aber die flache Hierarchie stellt auch Anforderungen an die Mitarbeiter. Das bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, selbständig zu handeln und nicht schon bei kleineren Problemen diese nach oben zu delegieren. Die Mitarbeiter müssen "sich zu helfen wissen" in den wechselnden Situationen ihres Arbeitslebens auch wenn diese mal nicht unbedingt in der Routine vorkommen. Und sie müssen auch aus eigenem Antrieb dafür sorgen, dass ihr Know-How auf dem aktuellen Stand bleibt.
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