Freitag, 31. März 2023

Warum gibt es Bullshit?

Und was sagt die zunehmende Produktion von Bullshit über die Veränderung der Führungsrolle?

Welcher Strauß von blumiger Management-Lyrik rankt sich allein um Begriffe wie agil oder New Work?
Auch Innovation, Nachhaltigkeit oder Diversität eignen sich gut für wohlklingende Verlautbarungen ohne inhaltlich präzise Festlegungen. Gerade diese Eigenschaft trägt wesentlich zur Verbreitung von Bullshit bei. Was ließe sich auch dagegen einwenden, wenn die Personalchefin Diversität auf die Fahnen der HR-Abteilung schreibt oder der CEO mit großer Bestimmtheit Agilität einfordert, um das Innovationstempo zu erhöhen? Und wenn die Unternehmensleitung die agile Organisation ausruft, wird zunächst auch niemand nachfragen, was denn konkret damit gemeint sei, um nicht in den Ruf des Zweiflers oder Bedenkenträgers zu geraten. Stattdessen wird es genügend eilfertige Nachplapperer geben, die dafür sorgen, dass dieser Hohlsprech sich im Unternehmen rasch genug verbreitet.
Stefan Kühl weist auf einen weiteren wichtigen Effekt hin, der diese Dampfplauderei fördert. Insbesondere in Organisationen, die die Selbstorganisation ihrer Beschäftigten proklamieren und versuchen zu realisieren, entsteht eine Diskrepanz zwischen den Handlungsmöglichkeiten der Führungskräfte und der ihnen zugewiesenen Verantwortung. Die Mitarbeiter sollen immer stärker selbst bestimmen,  aber am Ende werden die Chefs verantwortlich gemacht. Einerseits sollen sie Führungsstärke unter Beweis stellen, andererseits die Selbstorganisation der Mitarbeiter fördern.
"Bullshit ist die verlockende Lösung für dieserart Dilemma. Weil man sich mit direkten Befehlen als Führungskraft der "alten Schule" zu erkennen geben würde, nehmen die nach wie vor geforderten Orientierungshilfen immer mehr den Charakter allgemeiner Wertformulierungen an. Führungskräfte können so eine Anmutung von Anweisungen geben, ohne wirklich anzuweisen." (Kühl)
So gehören die Begriffe rund um Selbstbestimmung, Selbstorganisation, Hierarchiereduzierung oder gar -abbau selbst zum unverzichtbaren Arsenal des Bullshit-Vokabulars und tragen so mit dazu bei das Verständnis von dem, was Führung in Organisationen bedeutet, zu reduzieren.
Da konsequent ausgeübte, persönliche Führung eh keine einfache Aufgabe ist und deshalb meist eher als lästige Pflicht denn als Kür wahrgenomen wird, erhält die Bullshit-Produktion kontinuierlich neuen Nachschub.




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