Freitag, 7. Februar 2020

Fünf-Stunden-Tag bei vollem Gehalt

Arbeitszeitexperimente sind sinnvoll und notwendig

Fünf Stunden tägliche Arbeitszeit, ohne Gehalts- oder Urlaubseinbußen, klingt ohne Zweifel toll. Wer sich allerdings schon einmal mit betrieblicher Arbeitszeitgestaltung beschäftgt hat, wird bei dieser Botschaft skeptisch. Verzichten die tatsächlich auf Aufträge, oder haben sie die Mitarbeiterzahl erhöht, um dieses Ziel zu erreichen? Oder versuchen sie die Arbeit so zu gestalten, dass das Arbeitsvolumen eines Acht-Stunden-Tages in einem Fünf-Stunden Tag bewältigt werden kann? Diese Frage muss einem kommen, wenn man liest, dass es feste Wochenziele gibt und das Team morgens um acht Uhr an der Arbeit ist.
Besprechungen sind auf fünfzehn Minuten begrenzt und Mails werden nur zweimal am Tag abgerufen. Gerade die letzten beiden Regeln hören sich sinnvoll an. Allerdings gibt es Themen, die auch in gut strukturierten und disziplinierten Besprechung nicht in fünfzehn Minuten abzuhandeln sind. Und wie wird kontrolliert, wie oft die Mails abgerufen werden?
So macht die Bielefelder Digitalagentur, in der dieses Modell praktiziert wird, auch keinen Hehl daraus, das das nur funktioniert, wenn es diszipliniert zugeht. Es seien auch soziale Kontakte auf der Strecke geblieben, da für Privatgespräche und Kaffeepausen keine Zeit geblieben sei. Nun trifft man sich an zwei Nachmittagen in der Woche zum geselligen Beisammensein.
Es ist immer zu begrüßen, wenn mit Arbeitszeit experimentiert wird. Da gibt es viele gute Ideen, aber viele Betriebe sind auch zu phantasielos und immer noch zu mißtrauisch gegenüber ihren Mitarbeitern, wenn es darum geht, Flexibilität zuzulassen.
Das Bielefelder Beispiel scheint allerdings gegen den Trend der Flexibilisierung zu laufen, der in der Arbeitszeitdiskussion bisher vorherrschte. Die Arbeitszeit wird zwar verkürzt, aber um den Preis militärisch anmutender Disziplin. Ist es sonst in zu sagen, die Arbeit muss erledigt werden, ob ihr das morgens im Büro oder abends zu Haus macht, ist uns egal, gilt hier offenbar die Devise, die Arbeit muss mit dem Tagespensum von fünf Stunden erledigt werden. Ich denke, es ist nicht davon auszugehen, dass die Kunden der Agentur längere Projektlaufzeiten zugestehen und wenn die Mitarbeiter doch abends zu Hause noch am Laptop werkeln, wäre das Ganze eine Mogelpackung.

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