Mittwoch, 16. Oktober 2019

New Pay....

....mit einem alten Instrument

Zur Zeit, so scheint es, wird wieder eine neue Wutz durch's Management-Dorf getrieben: New Pay. 
New Work braucht New Pay, so wird plakativ verkündet. Zu New Work habe ich mich hier schon früher geäußert (s. Post vom 23.6.). Doch was ist New Pay? Es ist "kein fertiges Gehaltsmodell von der Stange, sondern ein Veränderungsprozeß: Es geht darum, ein Vergütungssystem zu schaffen, das zur Form der Zusammenarbeit in einer Organisation passt". So eine der Autorinnen des Buches "New Pay" in einem Interview. So wichtig und richtig es ist, Entgeltsysteme an die Bedürfnisse der Organisation und ihrer Beschäftigten anzupassen, so alt ist die Erkenntnis selbst. Ich war selbst  mehrfach an der Konzeption und Enführung von Entgeltsystemen für unterschiedliche Beschäftigungsgruppen beteiligt und weiß von daher, dass man Vergütungsmodelle nicht "von der Stange" kaufen und eins zu eins im Unternehmen einführen kann.
Den New Pay-Jüngern geht es natürlich um mehr. Sie wollen die mit New Work verbundenen Prinzipien Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta zur Grundlage der Vergütung machen, wobei Fairness berechtigterweise eine zentrale Rolle spielt.
Wenn man sich das zu Gemüte führt, kommt einem spontan ein altes, bewährtes Instrument in den Sinn: der Tarifvertrag. Er bringt vieles mit, was zur Verwirklichung dieser Prinzipien beitragen kann.
Er kann, wie bei uns weit verbreitet, auf die Bedürfnisse einer Branche bezogen sein und wird von Arbeitgebern und Arbeitnehmern konzipiert und ausgehandelt. Da Tarifverhandlungen immer breite Abstimmungsprozesse auf beiden Seiten vorausgehen, kann man zumndest indirekt von demokratischen Prozessen sprechen. Auch wenn Tarifverhandlungen meist langwierig sind und von überkommenen Ritualen begleitet, halten sie diese Prozesse doch aus den Unternehmen raus und entlasten diese. Die Konzeption und Einführung von Entgeltsystemen ist immer kompliziert und aufwendig. So berichten auch Unternehmen, die das selbst und unter möglichst weitgehender Beteiligung der Mitarbeiter machen, von aufwendigen auch nervenaufreibenden Diskussionen.
Die einzelnen Entgeltgruppen eines Tarifs sind anforderungsbezogen und damit wird sichergestellt, dass Beschäftigte mit vergleichbaren Tätigkeiten auch vergleichbar bezahlt werden, sogar betriebsübergreifend. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Fairness. Da die Tariftabellen öffentlich sind, ist auch die Transparenz gewährleistet.
Und sie sie haben eine in der heutigen Zeit sehr wichtige Funktion, sie legen Mindeststandards fest. Wenn wir eine gesetzliche Verpflichtung hätten Tarifverträge abzuschließen, bräuchten wir keinen Mindestlohn.
Im übrigen kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, dass es trotz Tarifvertrag immer noch genügend Spielraum gibt, die individuellen betrieblichen Anforderungen einzubeziehen.
Es kann nicht das Ziel sein, die Gestaltung von Entlohnung und Arbeitsbedingungen ausschließlich den Betrieben zu überlassen, selbst wenn diese versuchen, ihre Mitarbeiter einzubeziehen. Da in der Regel das Renditeprinzip auch gegenüber den hehren New Work-Prinzipien immer noch die Oberhand behält, muss es Rahmenregelungen geben, die den Mitarbeitern faire und verläßliche Arbeitbedingungen - es geht ja auch nicht nur um Entgelt - garantieren. Im übrigen ist das überschaubare Mitarbeiterkollektiv eines einzelnen Unternehmens nicht so durchsetzungsstark wie der Zusammenschluß vieler Beschäftigten beispielsweise in einer Gewerkschaft. Die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Laufe der Industriegeschichte kamen nicht in einzelnen Betrieben zustande - und sie mussten oft sogar "erkämpft" werden.

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