Wie Herr S. die berufliche Bildung retten will.
Notwendigerweise muss auch die Berufsausbildung auf die Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt ausgerichtet werden. Das versucht das Bildungsministerium mit einem reformierten Berufsbildungsgesetz. Dieses sieht wohl unter anderem vor, die berufliche Bildung durch neue Titel aufzuwerten. Herr S., der von diesen Ideen - nicht überraschend, aber berechtigterweise - nichts hält, meint in einem Interview sogar die Berufsausbildung müsse "gerettet" werden. "Traditionelle industrielle Berufsausbidung....mit strenger Normierung - Lernfließband statt Kreativlabor - taugt weniger für die digitale Ökonomie.", so sein Diktum.Im Gegensatz dazu hat er den Eindruck, dass "Auszubildende etwa im Handwerksbetrieb oft unternehmerische Fähigkeiten entwickeln." Für Menschen, die handwerkliche Ausbildung aus etwas näherem Augenschein kennen, mag diese Erkenntnis überraschend sein. Nun war Herr S. in seinem früheren Leben einmal Vorstand in diversen Unternehmen. Angehörige dieser Berufsgruppe zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie gelegentlich den Kontakt zur Basis etwas aus dem Auge verlieren. Die Ausbildungsabteilungen der Unternehmen, in denen er einmal aktiv war, würden die Bezeichnung "Lernfließband" kaum auf sich sitzen lassen.
Da ich selbst einmal längere Zeit für einen Ausbildungsbetrieb verantwortlich war, weiß ich, wieviel Innovation deutsche Industriebetriebe in ihre Ausbildung stecken.
Wie stellt sich Herr S. nun die Zukunft vor? "In der Industrie gehört die Zukunft einem Hybrid, dem Facharbeiter-Ingenieur mit beruflicher und akademischer Qualifikation. Dieser grey collar worker vereint Blaumann mit weißem Kragen und behebt auf dem Tablet souverän Irregularitäten in Produktion, Logistik...." Sogar den Friseur sieht er "am Tablet interaktiv mit dem Kunden Bartvarianten simulieren."
Dass er einige Sätze vorher das reformierte Berufsbildungsgesetz wegen seiner "Pseudoakademisierung" kritisiert hat, stört ihn nun nicht mehr.
"Für die digitale Welt brauchen wir lehrplanbefreite Räume, in denen junge Menschen im Team experimentieren, designen oder Prototypen bauen - Trial and Error ohne Instruktor."
Herr S. war unter anderem einmal Vorstand in einem großen Luftfahrtunternehmen. Es wäre ein interessantes Beispiel, wie er sich die Pilotenausbildung in lehrplanbefreiten Räumen im Trial an Error -Verfahren vorstellt.
Nachdenkenswert ist sicher seiner Forderung "Karrieresysteme wieder chancengerechter für beruflich Qualifizierte zu gestalten." Allerdings muss man auch dazu sagen, dass es bereits heute vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten im Anschluß an eine Berufsausbildung gibt, Beispiel Meister/Techniker und dann noch weiter. Das gibt es anlog auch auf der kaufmännischen Seite und im Handwerk. Gerade in Industrieunternehmen wird viel für die Förderung dieser Weiterbildung getan.
Es ist durchaus sinnvoll und notwendig die Berufsausbildung im Hinblick auf die Zukunft kritisch zu hinterfragen. Gerettet werden muss sie deshalb nicht. Vor allen Dingen sollte man vorher präziser diagnostizieren. Dafür reichen schicke Schlagworte nicht.
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