Es ist geschafft: Die Unternehmenskultur läßt sich durch ein Tool präzise steuern
Es ist Freitagnachmittag, der CCO (Chief Culture Officer) sitzt vor seinem Culture-Cockpit und schaut sich die Entwicklung der Unternehmenskultur in der vergangenen Woche an. Zuerst schaut er sich HR an. Die Personaler müssen auf diesem Gebiet schließlich Vorbild sein. Seit Wochen dümpeln allerdings die Indikatoren schon im Mittelfeld vor sich hin. Lediglich der Wert für Kollegenzusammenhalt ist um 0,2 angestiegen. Der Indikator "Interessante Aufgaben" ist allerdings um 0,3 gesunken. "Kann man noch verstehen" denkt der CCO, "die müssen gerade das "Fit for Future" Projekt umsetzen und den Leuten das Frühpensionierungsprogramm verkaufen". Er schwenkt zu den Werten der Produktion, seinem Sorgenkind.Vorgesetztenverhalten, Work-Life-Balance und Arbeitsbedingungen sind auf fast auf dem Tiefpunkt. Er beschließt dem gesamten Bereich kurzfristig Team-Building-Seminare zu verordnen und als Kurzfristmassnahme sollen alle am nächsten Freitag eine After-Work-Party spendiert bekommen. Zusätzlich wird nochmal ein Kontingent ermäßigter Monatskarten für das Fitness-Studio zur Verfügung gestellt. "Die kriegen wir schon wieder hin." bestätigt er seine Entscheidungen und schaut sich die nächste Einheit an......
So jedenfalls könnte man sich die Konsequenz aus einem "Feedback-Tool" vorstellen, das von Prof. Dauth von der Handelshochschule Leipzig entwickelt worden ist. In diesem Tool sind sieben Dimensionen vereint, die eine positiv geprägte Unternehmenskultur kennzeichnen sollen: Kommunikation, interessante Aufgaben, Vorgesetztenverhalten, Kollegenzusammenhalt, Work-Life-Balance, Arbeitsatmosphäre und Arbeitsbedingungen. Ganz abgesehen davon, dass diese als Einflußfaktoren auf Unternehmenskultur nicht sonderlich überraschend sind, ist das wieder ein schönes Beispiel daür, welche Quantifizierungsstilblüten um sichgreifen. O-Ton Prof. Dauth aus einem Interview: "Sie können sich das so ähnlich wie ein "Kultur-Cockpit" vorstellen. Jeder einzelne Schlüsselfaktor wird in zehn bis zwölf Indikatoren übersetzt, die gemessen und grafisch aufbereitet werden. So sehen Vorgesetzte quasi in Echtzeit, an welcher Stelle es Probleme gibt..."
So verständlich es ist, Soft-Facts quantifizieren zu wollen, so schwierig und problematisch ist es auch. Wie will man beispielsweise Kommunikationsverhalten auf einer Zahlenskala präzise darstellen?
Ein weiteres Problem ist, dass man kaum sagen kann, warum sich ein Indikator verändert. Auf Grund welcher Einflüsse hat sich die "Arbeitsatmosphäre" verbessert oder verschlechtert? Spätestens hier fängt wieder die Kaffeesatzdeuterei an. Gerade bei sogenannten kulturellen Phänomenen ist es schwer derartige Veränderungen empirisch seriös zu begründen. Auf die Arbeitsatmosphäre beispielsweise wirken verschiedene Faktoren ein, dass man eine Veränderung nur durch eine weitere differenzierte Untersuchung analysieren könnte. Die Zusammenfassung in einer Zahl verführt dazu, "einfache" Massnahmen zu ergreifen, im Glauben, damit lasse sich das Defizit beheben.
Hinzu kommt, dass die Schlüsselfaktoren auch nicht trennscharf sind.
Schließlich die Frage, ab wann muss ich mir wegen einer Veränderung des Wertes Gedanken machen, ab 0,2 oder erst ab 0,5? An der Frage wird deutlich, dass man schnell ins Reich des Absurden kommt.
An diesem Beispiel kann man sehen, wie eine Führungskrücke entsteht. Anstatt auf fragwürdige Indikatoren zu schauen, ist es Aufgabe der Führungskräfte sich über das Befinden ihrer Leute zu informieren und darum zu kümmern, wenn es die Arbeit negativ beeinflußt. Wenn wir schon über Kultur reden: sie muss offenes Feedback ermöglichen, von oben nach unten, besonders aber auch umgekehrt. Das erreicht man nicht von heute auf morgen und schon gar nicht auf dem Weg über anonyme, oberflächliche Abfragen. Es ist ein langer und steiniger Weg, auf dem zu laufen beide Parteien mühsam lernen müssen.
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