Da hat der Herr Kühnert wieder was losgetreten. Reflexartig kommen die Reaktionen auf seine Gedanken zur Überwindung des Kapitalismus, oft polemisch und nicht fundiert. Manchen merkt man an, dass vorher das Interview nicht richtig gelesen worden sein kann. Leider trifft das auch auf Äußerungen aus seiner eigenen Mutterpartei zu. Auch Frau Nahles läßt die Chance aus, die Gedanken von Herrn Kühnert zu einer Standortbestimmung zu nutzen. Dabei könnte sie hier punkten und programmatische Kompetenz beweisen.
Für alle, die sich mit Führung in Industrieunternehmen beschäftigen, könnte es anregend sein, einmal die weit verbreitete Diskussion um Demokratisierung in Unternehmen mit den Gedanken von Herrn Kühnert zusammenzubringen.
Es sind ja gewiss keine linken Theoretiker, die immer wieder die Abschaffung der Hierarchie und die demokratische Beteiligung der Beschäftigten an unternehmerischen Entscheidungen fordern. Dennoch haben sie mit Kühnert einiges gemeinsam. Die einen machen sich keine Gedanken darüber, wie der Wunsch und auch das Recht des Kapitalgebers, zu wissen, was mit seinem Geld geschieht, in den unternehmensdemokratischen Prozeß eingebaut werden soll. Sie umgehen diese Frage gewöhnlich locker mit Beispielen altruistischer Einzelunternehmer, die das in ihren Firmen situativ regeln. Wo sie die Rolle des Privateigentums ignorieren, schafft Kühnert es gleich ganz ab, in dem er Unternehmen "vergesellschaften" will. Er übersieht dabei, dass die Vergesellschaftung an den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zunächst noch nichts ändert. Schon heute werden viele große Aktiengesellschaften von angestellten Managern geführt, die das "kapitalistische Prinzip" am Leben halten. Auch Frau Quandt hält sich aus dem operativen Geschäft von BMW raus. Was würde sich für die BMW-Werker ändern, wenn ihr Betrieb vergesellschaftet wäre? Kühnert wird an der Stelle natürlich entgegnen, dass die Beschäftigten dann über ihre Arbeitsbedingungen abstimmen und diese zu ihren Gunsten verändern könnten. Womit er auch den Beifall der Hierarchiebefreier sicher hätte.
Doch wenn beide es mit der Demokratie ernst meinen, müssen sie zugestehen, dass es darüber, wie "gute" Arbeitsbedingungen aussehen, unterschiedliche Auffassungen geben kann. Ganz schwierig wird es, wenn es um den Gewinn geht. Soll überhaupt Gewinn erwirtschaftet werden? Wenn ja, wie hoch kann, soll er sein? Wieviel davon wird an die Belegschaft ausgeschüttet?
Diese Meinungs- und Willensbildung muss organisiert werden.
Wie soll man sich das in einer Organisation wie BMW vorstellen, um das Beispiel nochmals zu strapazieren?
Man muss Kühnert zugestehen, dass ein Zeitungsinterview nicht unbedingt das Format für das gesellschaftspolitische Gesamtkonzept ist, aber dann muss er baldmöglichst mit fundierteren Gedanken nachlegen. Wenn er es nicht tut, dann sollten es die Genossen von der SPD tun und sich dazu mit den wirtschaftsnahen Apologeten der Hierarchieüberwindung zusammensetzen. Vielleicht entsteht daraus dann wirklich etwas Zukunftsträchtiges.
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