Sonntag, 25. November 2018

Prekäre Arbeitsverhältnisse ?

Von Gebäudereinigern redet niemand, wenn es um die neue Arbeitswelt geht

Gerade im Radio ein Interview mit einem Gebäudereiniger gehört. Er hat am Monatsende etwas über 1.100 Euro Netto auf dem Lohnzettel. Nach jeder Tariferhöhung werden die Zeitvorgaben für die zu reinigenden Räume gekürzt. Trotz gesetzlichem und tariflichem Mindestlohn.

Das ist die Folge des Kostendrucks unter dem die Auftraggeber der Reinigungsunternehmen stehen. Wer den günstigsten Preis bietet, bekommt den Auftrag. Auch wenn das ein sinnvolles Prinzip ist, kommt es irgendwann an Grenzen. Nämlich dann, wenn die am Ende der Rationalisierungskette nicht mehr genug Geld für die Miete haben und vom Staat Unterstützung brauchen. Dann müssen wir alle zahlen.

Blicken wir in die Zulunft. Werden die Büros eines Tages von Robotern gereinigt und die Gebäudereiniger können sich endlich kreativen Tätigkeiten widmen mit denen sie ordentliches Geld verdienen, wie es die Digitalisation Evangelists predigen? Ich kann mir aus heutiger Sicht noch keinen Roboter vorstellen, der in vier Minuten ein Büro reinigt einschließlich Papierkorbleerung.



Freitag, 23. November 2018

Atypische Arbeitszeiten

25 Prozent der Beschäftigten arbeiten am Wochenende

So betitelte Spiegel Online eine Meldung am 15.11.. Es ging darin um Daten zu sogenannten atypischen Arbeitszeiten, die die Fraktion der Linken von der Bundesregierung erfragt hatte. Es mag sein, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort differenzierter war. Der Text von Spiegel Online pointiert jedoch genau die Informationen, die in das Bild vom ständig steigenden Leistungsdruck durch immer flexiblere Arbeitzeiten passen.
Nun habe ich an dieser Stelle selbst oft genug vor dieser Entwicklung gewarnt. Und es besteht auch absolut kein Grund zur Entwarnung. Nur, etwas differenzierter sollte man mit dem Thema schon umgehen.
Da steht zum Beispiel, dass jeder vierte Beschäftigte am Wochenende arbeitet. Am stärksten betroffen davon sind die, die im Gastgewerbe arbeiten und in den Bereichen Kunst, Unterhaltung und Erholung. Das ist nicht weiter verwunderlich. Es wird auch nicht erwähnt, inwiefern es vielleicht Ausgleichsregelung mit freien Tagen unter der Woche gibt.
Ähnlich sieht es mit den Zahlen zum Nacht- und Schichtdienst aus. Davon ist jeder siebte Beschäftigte betroffen. Auch hier gibt es, meist tarifvertraglich geregelt, Zeitausgleich in Form von Freiblöcken. Darüberhinaus gibt es Zuschläge zum Entgelt.
Problematischer ist da schon die Zahl, dass 1,6 Millionen Menschen 49 Stunden oder mehr in der Woche arbeiten. Allerdings wird nicht erwähnt in welchen Bereichen das der Fall ist.
Die wirklichen Problemgebiete der Arbeitszeit dürften mit solchen Anfragen kaum erfasst werden. Zum Bespiel wie manche Arbeitgeber versuchen mit längeren Arbeitszeiten den gesetzlichen Mindestlohn auszuhebeln versuchen. Oder wie eine zunehmende Zahl von formal selbständigen Einzelkämpfern, beispielsweise als Subunternehmer in der Paketauslieferung oder in der Möbelmontage, mit ungeregelten Arbeitszeiten zurechtkommen müssen. Noch weniger erfassbar ist die zunehmende Entgrenzung von Arbeits- und Privatzeit.
Alle Befunde zusammengenommen zeigen, dass man die Arbeitszeit nicht dem sogenannten freien Markt überlassen kann. Hier gibt es nur einige wenige "gleichberechtigte" Marktteilnehmer, die auf Augenhöhe miteinander verhandeln können. Die meisten anderen müssen nehmen, was sie geboten bekommen. Insofern sind Tarifverträge immer noch das Mittel der Wahl.
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Montag, 19. November 2018

Mythos Generation Y,Z u.s.w.

Etiketten für Jugendgenerationen sind nicht zutreffend

Unter diesem Titel habe ich hier schon öfter gepostet. Nun wurden meine kritischen Äußerungen zu den vollmundig, plakativen Beschreibungen dieser sogenannten Generationen auch empirisch bestätigt. Der Soziologe Martin Schröder hat sich bisherige Studien zu dem Thema angeschaut und war "entsetzt, auf was für fragwürdigen Annahmen und Methoden die bisherigen Studien zu Generationen basieren" (zit. nach ZEIT Nr 47, 15.11.) Er weist darauf hin, dass man beim Vergleich  der Einstellungen von Jugendlichen über Generationen hinweg keine statistisch relevanten Unterschiede findet. Wenn heutige Heranwachsende andere Einstellungen haben wie ihre Eltern, ist das kein neues Phänomen. Das traf schon auf die Jugendlichen in der Antike zu und wurde bereits zu dieser Zeit heftig kritisiert, wie wir ja wissen. Wenn diese Jugendlichen heute anders denken, wie die vor 20 oder 50 Jahren, dann liegt das auch daran, dass sich die Einstellungen in der Gesellschaft insgesamt geändert haben. Gerade dieser Effekt wird in vielen sogenannten Generationenstudien meist vernachlässigt. Auch Schröder kritisiert darüberhinaus, dass "die Formulierungen immer unglaublich schwammig" sind.  Beispiel: "Die neue Generation sucht in einer unsicheren Welt einen sicheren Platz." Wer tut das nicht? Auch die ansonsten renommierte Shell-Jugendstudie nimmt er hier nicht aus und weist auf Widersprüche in deren Aussagen hin.
Also, liebe KollegInnen vom Personalmarketing, hört nicht auf das Geschwafel von den neuen Generationen. Wenn Ihr glaubhaft rüberbringen könnt, dass im Unternehmen wertschätzend geführt wird, sprecht ihr alle potentiellen Bewerber treffsicher an. Eine Zielgruppe besonders zu betütteln ist angesichts des Nachwuchsmangels außerdem fahrlässig.

Montag, 12. November 2018

Kann digitale Arbeit menschlich sein?

Wie man über dieses Thema auch differenzierter reden kann

Unter der oben zitierten Frage ist in der letzten ZEIT ein lesenswerter Artikel von Prof. Lisa Herzog erschienen. Fairerweise muss man allerdings erwähnen, das ihr wesentlich mehr Raum gegeben wurde, als Herrn Horx in der Ausgabe davor. Vielleicht wären ja auch ihm dann noch ein paar differenziertere Argumente eingefallen.
Unter anderem weist sie auf die zentrale Bedeutung des "Eigentums" hin. Wem gehören die modernen Produktionsmittel Software und Daten? Diese Frage wird von der sonst üblichen Zukunfts-Lyrik kaum gestellt. Technische Entwicklung allein führt noch nicht zu dem von den Digitalisation Evangelists herbeigepredigten paradiesischen Zustand. "Um die Digitalisierung der Arbeitswelt zu verstehen, muss man sie im Konsens einer Geschichte der Macht betrachten. Denn sie trifft unsere Gesellschaft in einer historischen Lage, in der die soziale Ungleichheit enorm ausgeprägt ist und in der es demokratischer Politik immer weniger zu gelingen scheint, Märkte zum Wohle aller Gesellschaftsmitglieder zu gestalten."
Ohne politisch regulierenden Einfluß wird digitale Arbeit nicht menschlich werden.
Bevor man so etwas vorschnell als linkes Gedankengut abtut, lohnt es sich darüber mal in Ruhe nachzudenken. Das ist sinnvoller, als das Gerede vermeintlicher Trend-Gurus nachzuplappern.

Freitag, 9. November 2018

Was hat ein Schönheits-Designer mit Künstlicher Intelligenz zu tun?

Es ist einer von tollen, neuen Jobs, die durch die Entwicklung der KI entstehen.

Ebenso wie Konnektoren, Traffic-Manager oder Achtsamkeitsagenten. Jedenfalls sieht das der Trend-Guru Matthias Horx so. (ZEIT Nr. 45, 31.10.) Was immer diese Leute machen werden, "es sind sozial wirksame Berufe". Sie sind das Sinnbild dafür, dass "die kommende Arbeitsgesellschaft zu einer humanen..." transformiert wird. Für Horx ist klar, dass "über kurz oder lang ...die künstliche Intelligenz dazu führen (wird), dass wir uns vom Joch industrieller Lohnarbeit und ihren funktionalen Zwängen emanzipieren können."
In dem Artikel warnt er vor zuviel Angst vor der künstlichen Intelligenz. Die Debatte sei so "vollgestopft mit Klischees, Ängsten und Mißverständnissen.." Und er selbst trägt mit dazu bei. Er strickt kräftig mit an den Klischees und Mißverständnissen. Zwar erzeugt er keine Ängste, dafür übertüncht er die Zukunft mit kitschig rosaroter Farbe. Genauso wenig empirisch fundiert, wie die Bedenkenträger.
Woher nehmen diese Propheten eigentlich die Gewißheit dass die technologische Entwicklung quasi automatisch zu einer humaneren Arbeitswelt führt? Anstatt nur in die Zukunft sollten sie ausnahmsweise einmal mit etwas mehr Demut in die Vergangenheit schauen. Eines der Klischees, die immer wieder im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz zu hören sind, ist der Spruch, dass wir von Routinetätigekeiten befreit werden und damit mehr Zeit für kreative Jobs haben. In diese Kerbe haut auch Horx. Dabei ist es eine stehende Erfahrung, dass durch technischen Fortschritt bedingte Produktivitätsgewinne möglichst abgeschöpft werden, um eine Produktivitätssteigerung zu erreichen. Dass finden wir auch aktuell immer wieder bestätigt. Die Leistungsverdichtung nimmt eher zu. Und ob die sich auflösende Trennung zwischen Arbeits- und Privatsphäre zur Humanisierung beiträgt, kommt auch auf den jeweiligen ideologischen Blickwinkel an. Wenn im Laufe der industriellen Entwicklung Humanisierungsfortschritte erzielt wurden, war das nie allen dem technischen Fortschritt zu verdanken, sondern sehr viel mehr "politischer" Aktivität - Stichwort "Arbeiterbewegung".
Herrn Horx und seinen Kollegen sei als Kontrastprogramm mal wieder die Lektüre des Kommunistischen Manifestes von Karl Marx empfohlen. Mit dessen Gedanken kann man vielleicht auch einen differenzierteren Blick in die Zukunft gewinnen. Genauso wenig wie Ängste und Bedenken ist übertriebene Euphorie angebracht. Vor allem sollte man sich bewußt sein, dass die Komplexität der Entwicklung präzise Prognosen äußerst schwer macht.

Sonntag, 4. November 2018

Moderne HR Organisation

Mit schwungvollen Etiketten ist es nicht getan.

Vor einiger Zeit habe ich mich hier mit den Aufgaben von HR in der Zukunft beschäftigt und auch die Abschaffung der organisatorischen Funktion (!) der Personalentwicklung gefordert. (Der Widerspruch dazu hielt sich im übrigen in Grenzen.) Daraus folgt unmittelbar die Frage, wie soll sich denn eine Personalabteilung in der Zukunft aufstellen? Die Übernahme englischsprachiger Bezeichnungen mag zwar die internationale Verständigung erleichtern, inhaltlich ändert sie noch nichts.
Darum, verzichtet endlich auf das Etikett Business Partner. Business Partner zu sein, ist eine Einstellung und keine Funktionbezeichnung. Auch der Entgeltabrechner und die Sachbearbeiterin in der vielgeschmähten "Personalverwaltung" sollten ihre Jobs mit dieser Einstellng machen. Das sieht im übrigen auch Dave Ulrich so.
Welche Funktionen sind wichtig:
Personalbeschaffung
Die Aufgabe: die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle. Hört sich leicht an, ist aber enorm schwierig. Darum braucht man hier Menschen, die das Unternehmen und sein Geschäft gut kennen, ebenso wie den "Arbeitsmarkt" und die ein Gespür für Marketing haben. Natürlich müssen sie auch technologisch auf der Höhe der Zeit sein. Das gilt natürlich für die anderen Funktionen gleichermaßen. Dass sie das Handwerkszeug des Recruiters virtuos beherrschen, muss man eigentlich nicht extra erwähnen. Aber der Hinweis sei erlaubt, dass es Personaler gibt, die nicht unbedingt begnadete Interviewer sind.
Personalbetreuung
Eine Funktion, deren Bedeutung in Zukunft noch zunehmen wird. Beschäftigte und deren Führungskräfte wollen von Menschen betreut werden und nicht nur von Workflows und fernen Hotlines. Hier findet die Personalentwicklung statt. In dieser Funktion gibt es auch den oder die Verantwortlichen, die den Kontakt zur Arbeitnehmervertretung pflegen, so es denn eine gibt. Die sind auch zuständig für die Konzeption, Formulierung und Verhandlung von Betriebsvereinbarungen. Damit tragen sie auch die Veranwortung für Entgelt-, Arbeitszeitsysteme und ähnliche Instrumente.
Administration
Keine Scheu vor der Bezeichnung! Das ist eine Funktion, die hohe Professionalität erfordert und mit deren wirtschaftlicher Anwendung man auch einiges an Geld sparen kann. Kernaufgabe ist die Entgeltabrechnung, deren Umsetzung auf dem technisch neuesten Stand sein sollte. Darum rankt sich ein dichtes Netz von sozialversicherungsrechtlichen, gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen.
Bei deren Anwendung wird man nicht ohne externe Spezialisten auskommen. Die Fachleute in dieser HR-Funktion sollten allerdings so fit sein, dass sie deren Hilfe nur punktuell brauchen.
Sind diese Funktionen damit nicht überfordert? Braucht man nicht eine "Grundsatzabteilung", die verschiedene Spezialisten vorhält, um die "operativen" Funktionen zu unterstützen?
Meine Antwort: Nein. Selbst in großen Organisationen sollten keine Stabsfunktionen notwendig sein. Diese sorgen nach den ehernen Gesetzen der Bürokratie selbst für ihre Auslastung und entfernen sich so von den Bedürfnissen der operativen Kollegen. Statt diese zu unterstützen konzipieren sie aufwendige Systeme, die für zusätzliche Arbeitsbelastung sorgen. Außerdem verhindert das nicht, dass von den Grundsatzleuten trotzdem noch externe Berater hinzugezogen werden. Wenn beispielsweise in der Entgeltabrechnung ein IT-Spezialist für das Abrechnungssytem notwendig sein sollte, sollte der auch in der Funktion selbst angesiedelt sein. So behält er "die Füße auf dem Boden"
und kann sich unmittelbar nach den Bedürfnissen der Entgeltabrechnung richten.
Für andere Spezialthemen, wie Arbeitsrecht, Marketing, IT oder Training gibt es eine Fülle von externen Anbietern, die fallbezogen eingebunden werden können.
So bleibt die Personalabteilung schlank und kann sich effektiv und effizient auf die Bedürfnisse von Beschäftigten und Führungskräften konzentrieren.
Ob man dann den Personalleiter oder die Personalreferenten noch so nennt, das sind Peanuts.