Es heute modern von Narrativen zu sprechen. Das Narrativ von der flexiblen Arbeit lautet so:
Mitarbeiter beginnen morgens ihren Arbeitstag, gehen mittags noch etwas essen, bleiben bis nachmittags noch im Büro, kommen dann rechtzeitig zur KITA, um die Kids abzuholen, mit denen sie sich dann den Rest des Nachmittags beschäftigen können. Wenn die dann abends versorgt und im Bett sind, geht es nochml an den Computer, um die für den nächsten Tag terminierte Präsentation fertig zu machen. Idealerweise kommt auch der Partner oder die Partnerin rechtzeitig am Nachmittag nach Hause, so dass zwischendurch noch mal die Mails gecheckt werden können.
Das ist das Grundmuster, das beliebig ergänzt oder variiert werden kann. Von den Apologeten dieser Form der Flexibiliserung wird dann gerne betont, dass sie den Mitarbeitern hilft, Privat- und Arbeitsleben besser in Einklang zu bringen und den Unternehmen gleichzeitig mehr Flexibilität ermöglicht. Klar, dann wird die Präsentation abends um 22 Uhr noch fertig gemacht. Wenn die Kleinen im Bett sind, hat man ja die nötige Ruhe. Wenn dagegen der starre Acht-Stunden-Tag um 17 Uhr vorbei ist, wird der Griffel weggelegt. Die Arbeit (und der Arbeiter) ruht bis zum nächsten Tag. Wenn sie meine früheren Posts lesen, wissen sie, dass ich ein überzeugter Verfechter flexibler Arbeitszeiten bin. Nur, Flexibilität kann nicht heißen, grenzenlos zu arbeiten. Privat- und Arbeitsleben zu vereinbaren kann nicht bedeuten, das Privatleben möglichst geschickt in die Arbeit einzubauen. Ist Freizeit dann nur noch das, was nach Bearbeitung der letzten Mail übrig bleibt oder ist es ein selbstbestimmter Zeitraum, der in ausreichendem Maße zur Verfügung steht?
Zeiterfassungssysteme sind Führungskrücken und wo möglich sollte man mit Vertrauensarbeitszeit arbeiten. Aber wenn Arbeitgeber versuchen Arbeitszeit so weit wie möglich zu entgrenzen und damit die Kapazität ihrer Humanressourcen zu erhöhen, sollten sie sich nicht wundern, wenn Gesetzgeber und Gewerkschaften versuchen, diese Grenzen wieder aufzurichten. Menschliche Schaffenskraft ist begrenzt. Körper und Geist müssen zur Ruhe kommen können. Das geht nicht, wenn Mutti oder Papa beim abendlichen Schlafliedchen schon in Gedanken bei der Präsentation sind, die sie nachher noch fertig machen müssen.
Das kann auch das schönste Narrativ nicht verniedlichen.
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