"Vom allwissenden Anführer zum Moderator,
vom Aufgabenverteiler zum Sinnstifter,
vom Kommandeur zum Coach...."
so zitiert ein Handelsblattartikel die Zielrichtung der aktuellen Personalentwicklung der Fraport AG.
Der Firmenname könnte beliebig ausgetauscht werden. Diese oder ähnliche Sprüche kommen jedem Personaler automatisch über die Lippen, selbst wenn man ihn nachts aus dem Schlaf holt.
Sie hören sich auch gut an und lullen viele, die sie hören, offenbar so ein, dass die nicht merken, dass sie der Realität kaum standhalten.
Wenn der Vorgesetzte nur noch Moderator, Sinnstifter und Coach sein soll, wann und wie führt er dann?
Dass heute niemand mehr allwissender Anführer sein kann, ist banal. Das war aber auch schon zu Zeiten der mechanischen Schreibmaschine so. Aber ist das Gegenteil davon Moderator?
Gewiss sollte der Vorgesetzte auch moderieren können. Das halte ich für eine Grundanforderung.
Aber auch der moderierende Vorgesetzte muss über die Inhalte Bescheid wissen, die er moderiert.
Der Vorgesetzte soll und kann kein Sinnstifter sein. Der Sinn der Mitarbeit in einer Organisation ergibt sich aus deren Ziel und der Motivation der Mitarbeiter. Für die hat die Arbeit ja bereits einen Sinn und selbst wenn es nur der des Broterwerbs wäre. Wahrscheinlich muss der Chef gelegentlich den Sinn einer Aufgabe erklären, aber das ist etwas anderes als Sinn zu stiften. Noch wahrscheinlicher ist aber, dass er auch im Zeitalter vorgegebener Workflows noch oft genug Aufgaben verteilen muss.
Verwunderlich ist besonders der Wandel vom Kommandeur zum Coach. Ich will der Fraport AG nicht unterstellen, dass ihre Führungskräfte bisher als Kommandeure agiert haben. Das Unternehmen wird aber sicher nicht die Absicht haben, die Führungsverantwortung soweit zu reduzieren, dass sie nur noch als Coaching wahrgenommen wird. Auch hier gilt, dass coachen ein Teil der Führungsarbeit sein kann und manchmal auch sein muss. Aber führen geht über coachen hinaus.
Doch abgesehen von diesen an der Bedeutung der Begriffe orientierten Hinweisen muss man fragen, wie tragfähig die Rollen als Moderator, Sinnstifter oder Coach sind, wenn es um die Einhaltung der Kosten geht. Bezogen auf ein anderes Unternehmensbeispiel: wie können die Siemens-Führungskräfte, die den Personalabbau umsetzen müssen, bei den Betroffenen Sinn stiften, moderieren und coachen? Nach meinem Eindruck wird von Führungskräften mehr denn je verlangt das Leistungsvermögen ihrer Mitarbeiter kontinuierlich zu steigern. Am Ende des Tages, wie es immer so schön heißt, wird nur noch nach Zahlen gefragt. Und wenn die nicht stimmen, wird der Spielraum für Moderation, Coaching oder gar Sinnstiftung erfahrungsgemäß deutlich abnehmen. Insofern ist die Standfestigkeit solcher Sprüche, wie die der eingangs zitierten, in der Realität relativ gering. Was mit ein Grund dafür ist, dass sie von vielen Führungskräften und deren Mitarbeitern nur noch milde belächelt werden.
Die spüren tagtäglich, dass es im Unternehmen primär nicht darum geht, die Beschäftigten glücklich zu machen, sondern darum handfeste Unternehmensziele zu erfüllen. Wenn die Diskrepanz zwischen veröffentlichter Führungsphilosophie und Leistungsdruck im Alltag zu groß wird, dann nimmt im selben Verhältnis die Motivation ab. Insofern nützt die ehrliche Ansage, worum es geht, mehr.
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