Mittwoch, 22. April 2015

Studienwahn

81% der im Rahmen einer Studie befragten Personalmanager denken, dass Zeit- und Interimarbeitsverhältnisse zukünftig eine größere Rolle spielen werden. So läßt heute das Fachorgan Personalwirtschaft online verlauten. Wer hat die Studie durchgeführt? Das Personalvermittlungsunternehmen Robert Half. Man kann sich schon denken, wie die Fragen formuliert waren. Hier kann man sich schon etwas wundern, dass eine durchaus renommierte Fachzeitschrift diese Ergebnisse veröffentlicht und damit dem Personalvermittler zu PR verhilft. Für Berater und ähnliche Dienstleister sind Studien und Umfragen mittlerweile zu einem echten Marketinginstument geworden.
Man suche sich ein Thema, von dem man glaubt, dass es gerade in ist und stricke daraus einen Fragenkatalog, dessen Beantwortung dann anschließend ein Defizit offenbart, dass man gut in der Akquisition verwenden kann. Als Berater kann man selbstverständlich bei der Lösung dieses Problems behilflich sein. Dass die Studie des Personalvermittlers einen steigenden Bedarf an temporären Arbeitsverhältnissen prognostiziert, die Umfrage eines anderen Beraters dagegen die fehlende Mitarbeiterbindung beklagt, darf nicht verwundern. Der Berater hat natürlich ein massgeschneidertes Talentmanagementprogramm im Angebot. Aber auch er wird ein Medium finden, dass bereitwillig die Ergebnisse veröffenlicht und als Quelle seinen Namen nennt. In den Veröffentlichungen jagt dann ein vemeintlicher Trend den anderen.
Hier muss man sich noch einmal wundern, woher die ganzen befragten Manager die kostbare Zeit nehmen, diese meist ja auch etwas umfangreichen Fragebögen zu beantworten. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen jede Woche eine solche Umfrage auf meinen Tisch kam. Als jemand, der vor vielen Jahren einmal die Grundbegriffe der empirischen Sozialforschung gelernt hat, musste ich über die Oberflächlichkeit der Fragen und auch die tendenziöse Formulierung oft den Kopf schütteln. Da kann es nur eine Reaktion geben: Ablage P. Leider schadet diese Umfrageflut den seriösen Studien, die es natürlich auch gibt und die ein relevantes Forschungsziel verfolgen.
Das hat wohl auch die ZEIT gemerkt, die gemeinsam mit der Personalberatung Heidrick & Struggles (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) eine Umfrage zum Privatleben der Chefs durchgeführt hat (Nr. 14). Work-Life-Balance ist natürlich auch ein hervorrgand geeignetes Umfragethema. Von 5000 Fragebogen wurden allerdings nur 353 beantwortet. Das hat die ZEIT kund getan und auch bekannt, dass die Umfrage damit nicht repäsentativ ist, es hat sie aber nicht gehindert, die Ergebnisse ganzseitig zu verbreiten. Vielleicht sind ja die MangerInnen mittlerweile tatsächlich von den vielen Befragungen genervt oder sie sind so gestresst, dass sie sich nicht einmal mehr mit Work-Life-Balance beschäftigen können.

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