Manche Reaktionen auf den Absturz des Germanwings-Flugzeugs haben uns wieder eine Verhaltensweise vor Augen geführt, die in Organisationen typisch ist. In reflexartigem Aktivismus wird der Öffentlichkeit versucht klarzumachen, dass man in der Lage ist mit "Sofortmassnahmen" eine Wiederholung des auslösenden Unglücksfalls zu verhindern. Da wird umgehend die ständige Anwesenheit von zwei Personen im Cockpit beschlossen. Da setzt der Verkehrsminister kurzfristig gleich drei Arbeitsgruppen ein. Man sollte nicht allzu überrascht sein, wenn diese Arbeitsgruppen nach einer gewissen Zeit umfangreiche und wichtigtuerisch klingende Berichte vorlegen, die in der Praxis aber kaum Wirkung erzeugen. Genauso reflexartig und typisch für die Situation, die Forderung nach einer Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht - die dann Gott sei Dank genauso schnell auch die entsprechend ablehnenden Reaktionen hervorgerufen hat. Ob die geforderten Massnahmen ein fundierter Beitrag sind, ein derartiges Unglück zukünftig zu verhindern, darf bezweifelt werden.
Noch schlimmer allerdings ist es, wenn aus reflexartigem Aktivismus Entscheidungen getroffen werden, die längerfristig Bestand haben und dadurch möglicherweise zusätzlichen, aber nicht zielführenden Aufwand, erzeugen. Gerade Ereignisse, die einen solchen singulären Charakter haben, erfordern besonnene und sehr sorgfältige Reaktionen. Es ist nicht lakonisch oder gar zynisch, wenn man davon ausgeht, dass es im Luftverkehr immer Risiken gibt. Und es widerspricht auch nicht dem Grundsatz alles dafür zu tun, diese Risiken so gering wie möglich zu halten. Ganz ausschalten könnte man sie jedoch nur, wenn die Flugzeuge am Boden bleiben. Man sollte auch nicht so naiv sein zu glauben, dass die rigorosen Sparprogamme, die die Lufthansa sich verordnet hat, nicht auch die Sicherheitsvorkehrungen auf den Prüfstand stellen. Nach dem Motto: Wir müssen nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Massnahmen übertreffen. Wenn ich als Fluggast auf dem Flug in den Urlaub nicht mal mehr einen Plastikbecher Sprudel gratis bekomme, wie soll ich dann glauben, dass an den Sicherheitsvorkehrungen nicht auch gespart wird. Als Passagier erwarte ich in Punkto Sicherheit einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und kein Management by Reflex.
Wie sieht es denn im normalen Unternehmensalltag aus? Beispiel: Ein Kostensenkungsprogramm wird gestartet. Was kommt reflexartig auf die Agenda? Die Senkung der Personalkosten und der Reisekosten - und das nach dem Gießkannenprinzip. Konsequente Untersuchung der Komplexität, Reduzierung der Produktvielfalt und das mit mutigem Blick in die Zukunft - kommt erst auf nachrangigen Positionen. Mit dem Abbau von Statussymbolen wird erst gar nicht angefangen. Gewiss muss man auch auf die Personalkosten schauen und erst recht auf die Reisekosten. Das aber im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung. KVP ist aber leider weitgehend im Formalismus erstarrt. Vielleicht kann man das ja mal wieder reflexartig beleben.
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