Vernetzt, selbstbestimmt, hierarchiefrei - Diese drei Worte nannte ein "erfahrener, führender Kopf im Personalmanagement" als er im Rahmen der Interviewreihe der Site ArbeitsVisionen2025 gefragt wurde, welche Begriffe ihm spontan zum Thema "Arbeiten im Jahr 2025" einfallen. Wo immer aktuell jemand nach der zukünftigen Arbeitssituation gefragt wird, fällt demjenigen mit hoher Wahrscheinlichkeit das Wort "vernetzt" ein. Einfallsloser geht es nicht mehr. Es scheint als werden in dem Zauberwort "vernetzt" alle Lösungen für die Probleme der Arbeitswelt gebündelt. Was verbindet denn der erfahrene Personalmanagementkopf mit diesen Begriffen?
"Eine digitale Arbeitswelt, in der sich die Menschen von einem sie bevormundenden Machtsystem deutlich emanzipiert haben. Sie haben gelernt, sich zu vernetzen und ihre Anliegen selbstbewußt und auf Augenhöhe zu artikulieren. Dabei werden sie sich auch nicht mehr in unterschiedliche Rollenmuster aufteilen lassen - Bürger, Wähler, Steuerzahler, Verbraucher, Arbeitnehmer - , sondern als Gesamtpersönlichkeit auftreten...." Das ist genau die zum Klischee erstarrte Lyrik mit der landauf landab aktuell die Zukunft der Arbeit bechrieben wird. Schauen wir uns die Begriffe doch einmal genauer an.
Was heißt denn "vernetzt"? Was bedeutet es genau - z.B. in einer Großorganisation wie Siemens oder VW? Natürlich erlaubt die moderne Technologie eine schnelle, uneingeschränkte Kommunikation. Aber ist das schon "vernetzt"? Schon gar nicht ist damit sicher gestellt, dass sich die Menschen von dem sie bevormundenden Machtsystem emanzipieren. Es fehlt jeglicher, empirisch halbwegs belastbarer Hinweis, der das bestätigen könnte. Damit wären wir bei den Begriffen "selbstbestimmt" und "hierarchiefrei". Dazu hilft es, anstatt nach vorne, einmal zehn Jahre zurück zu schauen. Ohne Zweifel hatten wir einen gigantischen technischen Fortschriftt, gerade in der Informationsverarbeitung. Aber wurde dadurch das Machtsystem verändert? Was ist überhaupt mit Machtsystem gemeint? Das politische Machtsystem? Gerade hier beklagen die Bürger zunehmend die demokratisch kaum mehr legitimierten Entscheidungen bspw. der Europabürokratie. Das Machtsystem in Unternehmen? Haben wir nicht eine Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen, von Minijobs, von befristeten Arbeitsverhältnissen? Warum wurde denn ein Mindestlohn eingeführt und wie wird versucht ihn auszutricksen? Wer kann hier seine Anliegen selbstbewußt und auf Augenhöhe wem gegenüber artikulieren? Wird nicht immer wieder durch Untersuchungen nachgewiesen, dass durch zunehmende Flexibilitätsanfordungen insbesondere, was Arbeitszeit angeht, die Belastung steigt? Wie kann Selbstbestimmung sich erhöhen, wenn Arbeitsvorgänge, Prozesse, zunehmend workflow- und kennziffergetrieben sind? Kann man sich ein Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung ohne Hierarchie vorstellen? Hierarchie wird, muss und kann es auch immer geben. Die entscheidende Frage ist, wie wird sie gelebt? Wenn sich Führung weiter entpersonalisiert, wird die selbstbestimmte Arbeit weiterhin ein Traum bleiben.
Wenn ich drei Begriffe für die Arbeitswelt 2025 vorschlagen sollte, dann wären das komplex, differenziert, diffus. Die zukünftige Arbeitswelt läßt sich nicht in die phantasielose Fortschreibung der Gegenwart pressen.
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