Was ist das Gegenteil des dicken Daumens? .....Der spitze Finger. Der mit dem alles durch-gerechnet wird. Jede Aktivität muss in Zahlen gefasst werden können, um sie dann optimieren zu können. Das betrifft längst nicht nur betriebswirtschaftliche Kennzahlen - für diejenigen, für das zu altmodisch ist: Key Figures. Es ist auch im privaten Bereich mittlerweile Mode geworden. Die körperliche Fitness wird detailliert vermessen, um sie dann zu optimieren. Ob dann wirklich etwas Optimales herausspringt, ist zu bezweifeln. Ob langfristig die Gesundheit gefördert wird, ist fraglich. Ähnlich verhält sich auch mit manchen Kennzahlen, die in Unternehmen erhoben werden.
Ihre Wirkung ist oft nur suboptimal. Dass die Umsatzrendite um 0,5% gestiegen ist obwohl der Kundenzufriedenheitsindex um 0,8 Punkte gefallen ist, kann nur noch ein besonders eloquenter PR-Mann erklären. Dass der Mitabeiterzufriedenheitsindex auch wieder um 1% gefallen ist, nimmt der Vorstand sowieso nur noch am Rande zur Kenntnis. All diese Kennzahlen werden aber mit hohem Aufwand erhoben.
Ein schönes Beispiel aus dem HR-Bereich ist die Strategische Personalplanung. Jeder Personaler träumt davon den Personalbedarf langfristig voraussagen zu können, wann welche Mitarbeiter in welcher Qualifikation und Anzahl zur Verfügung stehen müssen. Das wäre für viele Kollegen die Erfüllung ihrer Daseinsberechtigung schlechthin. Nur leider funktioniert sie nicht. Vielleicht ist deshalb der Frust in vielen Personalabteilungen so groß. Trotzdem wird immer wieder versucht, so wie es im Lehrbuch steht, den Fachabteilungen Aussagen über die strategische Entwicklung ihres Geschäftes aus den Fingern zu saugen und diese in Personalbedarf umzurechnen. Die Tinte auf dem Papier ist noch nicht trocken, dann sind diese Zahlen nicht mehr aktuell. Selbst wenn es eine soganannte Unternehmensstrategie gibt, fällt es den einzelnen Funktionen meist schwer, daraus ihre Anforderungen an ihren Personalbedarf abzuleiten. Die einzige halbwegs verläßliche Zahl ist noch die der anstehenden Renteneintritte. Wenn dann doch einmal jemand auf die Idee kommt rückblickend die strategischen Aussagen von vor drei Jahren mit den Abweichungen aus der aktuellen Situation zu vergleichen, dann gibt man sich plötzlich wieder mit banalen Erklärungen zufrieden. Letztendlich muss die Komplexität wieder als Ursache allen Übels herhalten. Was ja auch nicht falsch ist. Nur, wenn die uns umgebende Komplexität immer unübersichtlicher, wenn die technologische Entwicklung immer schneller und die gesellschaftliche Entwicklung immer diffuser wird, warum versuchen wir dann dem mit immer detaillierteren Berechnungsmethoden beizukommen?
Natürlich muss es Kennzahlen geben. Natürlich muss ich versuchen vorauszuschauen und zu planen. Aber mit Mass und nur soweit es möglich und notwendig ist. Stattdessen kommt es auf die Kunst der situativen Entscheidung an. Diese speist sich aus sehr viel Kompetenz, aus Erfahrung und aus dem Vermögen sehr schnell eine falsche Entscheidung zu erkennen, dazu zu stehen und diese zu korrigieren. Das ist das Talent des dicken Daumens. Nur wird das in einer Kultur der Key Figure getriebenen Scheinpräzision nicht mehr gefördert.
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