Dienstag, 6. Februar 2024

Notizen aus der Welt des Fachkräftemangels

Erfahrungen mit einem Bewerberportal

Zunächst ist man als Bewerber positiv gestimmt. Das Stellenangebot des Markenartikelunternehmens für die Ausbildungsstelle ist informativ und motiviert sich für diesen Beruf zu bewerben. Auch das Bewerberportal wirkt anwendergerecht. Die Daten aus dem hochzuladenden Lebenslauf werden direkt in die Maske übernommen und ersparen unnötiges Ausfüllen. Doch dann wird auch darum gebeten ein Anschreiben zu laden. Dabei sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Anschreiben bei Azubi-Bewerbungen kaum aussagefähig und damit wenig zielführend sind. Die Bahn bspw. verzichtet ganz darauf. Natürlich muss auch ein Zeugnis beigefügt werden. Doch warum wird im nächsten Schritt danach gefragt, die Noten für bestimmte Fächer nochmal einzugeben?
Vollends unverständlich - im wahrsten Sinne des Wortes - wird es, wenn gegen Ende der Prozedur eine längere Passage in Englisch erscheint, die wortreich und in überaus politisch korrekten Formulierungen darauf hinweist, dass man die folgende Frage nach dem Geschlecht nur freiwillig beantworten müsse.
Ähnliches kommt dann nochmals bei der Frage nach einer möglichen körperlichen Beeinträchtigung.
Im Stellenangebot selbst preist sich das Unternehmen schwungvoll, wie divers es eingestellt ist.
Warum wird dann überhaupt die Frage nach der Geschlechtszugehörigkeit gestellt, wenn diese für den Beruf eigentlich unerheblich ist? Keinesfalls akzeptabel ist, wenn in einem sonst verständlich formulierten Bewerberbogen plötzlich in ein bürokratisch formuliertes Englisch gewechselt wird. Man kann das für ein Versehen halten - nur müsste es dann schnellstmöglich behoben werden.
Vielleicht können sich ja die zuständigen HR-Leute einmal mit ihren KollegInnen aus der Marketingabteilung zusammensetzen und noch etwas an dem Instrument feilen.


Sonntag, 28. Januar 2024

SAP baut Stellen ab

Old School statt New Work

Angeblich ist die Arbeitswelt ja schon vom Geist des New Work durchdrungen und die Unternehmen sind davon getrieben ihren Beschäftigten Purpose zu vermitteln. Entweder kappt das nicht so richtig, oder es bestätigt sich vielmehr, dass das Gerede von der schönen neuen Arbeitswelt mit sinnstiftender Arbeit tatsächlich nicht viel mehr wie Gerede ist.

Als Beispiel dafür könnte ausgerechnet SAP dienen. Ein Unternehmen, das sich von seinem Zweck her mit moderner Technologie beschäftigt und schon von daher auch besonders offen für zukunftsgerichtete Formen der Zusammenarbeit und Mitarbeiterführung sein müsste. Tatsächlich betreibt SAP auch eine zeitgemäße und durchaus mitarbeiterorientierte Personalarbeit. Dennoch werden nun im Rahmen einer Umstrukturierung 8000 Stellen abgebaut. Nebenbei muss man ergänzen, dass SAP keineswegs Ertragsprobleme hat.

Im Rahmen dieser Maßnahmen will man auch die "Leistungskultur wieder fördern" wie der Vorstandssprecher in einem Interview sagt. Dazu gehört, dass die Mitarbeiter künftig wieder drei Tage in der Woche im Büro sein sollen. Man ist sich auch nicht zu schade in die Management-Mottenkiste zu greifen und ein neues Bewertunsgsystem einzuführen. Beschäftigte sollen in drei Gruppen eingeteilt werden: in Leistungsträger, Beschäftigte, die die Erwartungen erfüllen und solche, die sich dringend verbessern müssen. (*) Der Vorstandssprecher möchte auch, dass sich die Entlohnung daran orientiert. Für SAP, das sich in der Vergangenheit von derartigen Systemen abgewandt hatte, ist das ein echter Rückschritt.

Womit wir wieder bei New Work wären. Wenn selbst ein Unternehmen wie SAP sich nicht von rückständigen Management-Methoden lösen kann, kann es mit diesem Gedankengut nicht weit her sein. Es wird Zeit, dass es endlich auf dem großen Friedhof der Management-Ideen begraben wird. Und was den Purpose angeht, der reduziert sich am vielzitierten Ende des Tages auf das, was in der Kasse ist oder nicht ist.

(*) Zur kritischen Diskussion derartiger Systeme siehe: Armin Zisgen, Rettet die Führung, 2022

Sonntag, 21. Januar 2024

Generation Z

Was ist das eigentlich?

In der Zusammenfassung einer Bachelor-Thesis mit dem Titel Führung der Generation Z finden sich zu Beginn definitorische Angaben zu diesem Begriff. In einer Tabelle werden die Generationen von den Babyboomern (hier ab 1950 Geborene) über Gen X bis Z gegenübergestellt.
Da steht z.B. unter dem Merkmal Erziehung bei der Gen Z Eltern sind Sparringspartner und Berater, Erziehung auf Augenhöhe. Ein schönes Beispiel dafür wie ein Klischee unreflektiert übernommen und weitergegeben wird. Natürlich ändern sich Erziehungsstile über die Generationen, aber Erziehungsstile sind auch beeinflußt beispielsweise durch Bildungsniveaus und soziale Situation. Und die dürften auch in den Elternhäsuern der Gen Z unterschiedlich sein. In einer derartigen Arbeit würde man dazu schon einen differenzierenden Hinweis erwarten.
Das trifftt auch auf die Darstellung der typischen Charakteristika zu, nach denen sich die Generationen angeblich unterscheiden:
Babyboomer     Idealistisch, optimistisch, gewissenhaft
Gen X               Zynisch, skeptisch, perspektivlos
Gen Y               Optimistisch, leistungsbereit, selbstbewußt
Gen Z               Realistisch, flatterhaft, technologieaffin
Warum bspw. die Gen X zynisch sein soll oder perspektivlos, angesichts der Tatsache, dass die meisten ihrer Angehörigen berufstätig sind und einige davon sicher auch nicht ganz erfolglos, wird nicht erklärt.
Man kann Generationen nicht derart pauschal und empirisch unfundiert in ein paar knappe Begriffe zwängen. Dieses Manko findet man leider bei der Generationen-Etikettierung immer wieder.
Lustig ist die Beschreibung des Merkmals der aktuellen beruflichen Situation. Da steht bei den Babyboomern Berufserfahrene mit z.T. geringer Qualifikation. Da ich auch zu dieser Generation gehöre, darf ich mich angesichts eines Hochschulabschlusses direkt glücklich schätzen. 
Die berufliche Situation der Gen X wird mit Etablierte Fach- und Führungskräfte beschrieben. Der Widerspruch zu dem Charakteristikum perspektivlos wird nicht bemerkt und unter dem Merkmal Führung und Autorität steht bei dieser Geneartion Kein Interesse an Führungsverantwortung..... Das sollte eigentlich in einer Bachelor-Thesis nicht passieren.
Da die Autorin wahrscheinlich der Gen Z zuzuordnen ist, trifft immerhin das Charakteristikum flatterhaft zu. Welcher Generation mag die Person angehören, die diese Arbeit korrigiert?
Diese Bachelor-Thesis spiegelt leider das Niveau wider, das die ganz Generationendiskussion kennzeichnet. Sie wird stark beeinflußt durch Pauschalisierungen und die unreflektierte Weitergabe von Klischees. Natürlich unterscheiden sich Generationen, aber Generationen sind auch in sich differenziert. 
Für irgendwelche Rückschlüsse auf  ein möglicherweise besonderes Führungsverhalten dieser Generation gegenüber ist eine derartige Diskussion nutzlos.
Aber da wir jetzt bei Z angekommen sind, besteht ja die Hoffnung, dass nun Schluß damit ist.

(Die genaue Quelle dazu liegt mir natürlich vor. Aus Rücksicht auf die Beteiligten verzichte ich hier auf die Angabe.)

Mittwoch, 3. Januar 2024

Viele Beschäftigte sind stark belastet...

...und dann wird auch noch die Arbeitszeit verkürzt. 

Aber gerade deshalb soll sie ja verkürzt werden, antworten jetzt natürlich die Befürworter. Ein Tag mehr, um sich zu erholen. Doch was nützt dieser Tag, wenn in den verbleibenden vier die Belastung um so mehr steigt, weil dieselbe Produktivität erreicht werden soll? Dieses Modell spielt ja bei der aktuellen Diskussion eine wesentliche Rolle: In vier Tagen die gleiche Leistung zu erbringen wie in fünf.
Ganz abgesehen davon, dass das in vielen Tätigkeiten nicht geht - siehe aktuell die Lokführer - , darf man die Belastungssituation nicht aus den Augen verlieren.
So gaben bei der Befragung zum "DGB-Index Gute Arbeit" 80% der Befragten an, dass sie unter Zeitdruck leiden und zwar bei jeder und jedem zweiten sehr oft oder oft. Neben dem Zeitdruck wird in dieser Befragung auch nach den Belastungsarten schwere körperliche Arbeit, Lärm und Konflikten mit Kollegen und Kunden gefragt. Immerhin berichten 31% der Befragten von allen vier Belastungsrarten.

Differenzierte Betrachtung notwendig

Wenn man für die Arbeitzeitverkürzung den vollen Lohnausgleich fordert, muss man zunächst die Tätigkeiten "aussortieren", bei denen tatsächlich in der kürzeren Zeit die gleiche Leistung erbracht werden kann. Ist das möglich, muss hier fairerweise auch genausoviel bezahlt werden wie vorher. Allerdings sollte gerade in diesen Fällen auf die Belastungssituation geschaut werden. Worauf ist die Leistungssteigerung in der verkürzten Arbeitszeit zurückzuführen? Sind es tatsächlich ausschließlich Rationalisierungspotenziale, die hier ausgeschöpft wurden? Oder arbeiten die Leute auch mehr, um den freien Tag "rauszuholen"? Dann kann die Arbeitzeitverkürzung unter der Überschrift "Verbesserung der Arbeitsbedingungen" schnell zur Mogelpackung werden. Und schließlich, lassen sich diese Effekte auch über einen längeren Zeitraum durchhalten?
Bei den Tätigkeiten, bei denen es nicht möglich ist, in vier Tagen die gleiche Leistung zu erbringen, weil sie zum Beispiel durch Produktionsabläufe definiert sind, wie auch in Schichtsystemen, mag tatsächlich der zusätzliche freie Tag eine spürbarere Verbesserung bedeuten. Ein Tag weniger in der Woche im Schichtdienst, dürfte den Betroffenen immer willkommen sein. Allerdings wird dann mehr Personal gebraucht - und dann sind wir sofort bei der Frage, ob dann noch ein voller Lohnausgleich geleistet werden kann.

Freitag, 8. Dezember 2023

Die falschen Erwartungen an die Vier-Tage-Woche

Arbeitszeitverkürzung verbessert die Arbeitsbedingungen

Das Argument taucht standardmäßig in der Diskussion auf. Natürlich ist einer Verkürzung der Arbeitszeit,  noch dazu bei vollem Lohnausgleich, ein Verbesserung. Aber ist es das auch noch, wenn in vier Tagen genausoviel gearbeitet werden soll, wie vorher in fünf? Auch wenn Studien zu diesem Punkt positive Effekte nachweisen, sollte man tunlichst hier einen längeren Zeitraum beobachten. Gibt es diese positiven Auswirkungen auch nach zwei Jahren noch. Wenn in vier Tagen dasselbe Ergebnis erzielt werden soll, wie in fünf, erhöht das zwangsläufigerweise den Leistungsdruck. Man muss damit rechnen, dass anfänglich erzielte Rationalisierungseffekte - z.B. durch eingesparte Meetings - sich im Laufe der Zeit wieder verflüchtigen und dass veränderte Rahmenbedingungen und nicht zuletzt kontinuierlich erhöhte Zielvorgaben wieder Druck aufbauen. Der zusätzliche freie Tag dürfte dann für die Kompesation nicht mehr ausreichen.

....wird schon für Flexibilität gehalten 

Auch ein gern benutztes Argument. Arbeitszeitverkürzung selbst ist noch keine Flexibilität. Sie muss aber mit Flexibilität einhergehen, um ihre Wirkung zu entfalten. Parallel zu einer Verkürzung sollten also Modelle entwickelt werden, die den Mitarbeitenden und auch dem Arbeitgeber ermöglichen ihre jeweiligen Bedürfnisse einzubringen. Dazu braucht es Phantasie und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. Es gibt allerdings mittlerweile viele Beispiele, wo dies gelingt.

....macht einen Job attraktiver

Daraus folgt: Arbeitszeitverkürzung allein macht einen Job noch nicht attraktiver. Gerade das aktuelle Beispiel der Lokführer macht dies deutlich. Hier muss einiges mehr dazukommen, um diese Tätigkeit für BerwerberInnen attarktiver zu machen.

Arbeitszeitverkürzung ist Wertschätzung

Sogar dieses Argument ist in der Diskussion zu hören. Es ist in dieser Verkürzung allerdings schlicht falsch. Faire Arbeitsbedingungen gehören gehören zu einer wertschätzenden Haltung gegenüber den Beschäftigten selbstverständlich dazu. Auch hier gilt: die Verkürzung der Arbeitszeit allein drückt noch keine Wertschätzung aus. Die hängt entscheidend vom Verhalten der Führungskräfte ab. Was bringt es, wenn in einem Unternehmen eine Arbeitszeitverkürzung eingeführt wird, die ein oder andere Fürhugnskraft in ihrem Inneren davon aber nicht überzeugt ist und das ihre Mitarbeitenden auf mehr oder minder subtile Art spüren läßt?

Und was passiert, wenn "am Ende des Tages" das Ergebnis nicht mehr stimmt?

Das ist die Gretchenfrage. Die Arbeitszeit wurde bei vollem Lohnausgleich reduziert und anfänglich stimmt auch die Produktivität noch. Doch dann kommen schwieriger Zeiten, das Ergebnis bricht ein. Was nun? Kann man die getroffene Vereinbarung noch einhalten?
Diese Situation sollte man bei der Einführung jeglicher Arbeitszeitregelungen mitdenken und auch in der dazugehörigen Betriebsvereinbarung mitregeln - und vor allem mit den Beschäftigten ehrlich kommunizieren.


Donnerstag, 30. November 2023

Neues aus der Welt des Fachkräftemangels

Arbeitsbedingungen bei einem mobilen Pflegedienst

Der Inhaber eines mobilen Pflegedienstes informiert eine Mitarbeiterin mit Migrationshintergrund falsch über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Als sie länger erkrankt, aber immer noch in der Entgeltfortzahlung ist, stellt er trotzdem die Entgeltzahlung ein. Auch bei einer Kollegin, die ebenfalls auf Grund nicht perfekter Deutschkenntnisse solche Zusammenhänge nicht sofort versteht, handelt er genauso. Auf mein Anraten hin geht die Mitarbeiterin zu einem Anwalt. Der erreicht kurzfristig die Wiederaufnahme der Entgeltzahlung und stellt außerdem fest, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiterin bei der Verrechnung von Mehrarbeit benachteiligt und unzulässigerweise zuviele Urlaubstage angerechnet hat.
Diese Mitarbeiterin sucht nun, wie schon manche Kollegin vor ihr, einen anderen Job. Folge: Bei diesem Pflegedienst bleiben Stellen unbesetzt. Die noch verbliebenen Kolleginnen müssen noch mehr zusätzliche Schichten schieben (und sehen, dass sie dafür ordentlich vergütet werden). Folge: die Fluktuation steigt weiter und mit ihr der Personalbedarf.
Fazit: Auch in der Pflege reicht es keinesfalls aus, eine bessere Bezahlung zu fordern. Elementar sind hier die Arbeitsbedingungen.

Mittwoch, 22. November 2023

Muss man die 35-Stunden-Woche einführen um einen Job attraktiver zu machen?

Oder: warum Herr Weselsky mit seiner Forderung der Diskussion um moderne Arbeitszeitsysteme keinen Gefallen tut.

Um es vorweg zu sagen: jemand wie Weselsky dürfte sehr genau wissen, dass die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche für Lokführer bei vollem Lohnausgleich unrealistisch ist. Mit ihr und der zu erwartenden Ablehnung der Bahn dürfte er aber noch einige Zeit einen in seinen Augen guten Grund für Streiks und damit Machtdemonstration haben.
Der sachlichen und unvoreingenommen Diskussion um flexible Arbeitszeitsysteme dürfte er damit allerdings keinen Gefallen tun. Er wird weiter daran arbeiten, dass die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ein Reizthema bleibt, auf das die davon betroffenen Arbeitgeber reflexartig mit entsprechender Ablehnung reagieren werden.
Eines seiner Argumente für die Arbeitszeitverkürzung ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lokführer. Der Beruf müsse attraktiver werden. Damit hat er ohne Zweifel recht. Die Bahn sucht verzweifelt Lokführer. Doch muss man dazu dazu unbedingt die Arbeitszeit verkürzen?
Zunächst würde eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit in der Tat weiteren Personalbedarf bedeuten. Denn anders als in manchen Bürojobs können Lokführer ihre Produktivität nicht erhöhen und in vier Tagen genausoviel arbeiten wie in fünf. Und ob die Verkürzung die Tätigkeit um soviel attraktiver macht, dass plötzlich scharenweise Bewerber strömen, darf man bezweifeln.
Lokführer haben keine geregelten Schichtpläne, sondern wechselnde Einsatzzeiten und wenn sie Fernzüge fahren, sind sie nach Dienstende auch nicht immer am Heimatbahnhof. Kommt der ICE mit dreißig Minuten Verspätung an, hat auch sein Lokführer eine halbe Stunde später Feierabend. Es gehört also einiges mehr dazu, diesen Job interessanter zu machen, als nur die Arbeitszeit zu verkürzen.
Die GDL sollte die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung nicht zur Demonstration ihrer Macht missbrauchen, aber auch die Bahn kann der Gewerkschaft den Wind aus den Segeln nehmen, in dem sie die Bereitschaft zu einer differenzierten Diskussion über die Arbeitszeit der Lokführer anbietet.