Sonntag, 19. September 2021

Führungsproblem Impfen

Über die Schwierigkeiten "der Politik" zu führen

Eine interessante Fallstudie zu der Frage Wie soll, kann, muss Politik führen? liefert aktuell die Diskussion - oder besser Nicht-Diskussion - um die Impfpflicht. Die Politiker haben sich quer duch alle Parteien sehr früh - zu früh - darauf festegelegt, dass es keine Impfpflicht geben wird. Jetzt, noch dazu im Wahlkampf, kommen sie davon nicht mehr weg. Gerade jetzt zeigt sich aber, dass wir auf einen harten Kern von Menschen stoßen, die sich, auch welchen Gründen auch immer, einer Impfung verweigern und uns damit auch wieder zunehmende Neuinfektionen bescheren.
Die Politiker und auch viele Expert*innen wiederholen gebetsmühlenartig ihre Appelle und bieten mittlerweile bei allen möglichen Gelegenheiten sogenannte niederschwellige Impfmöglichkeiten an. Der Erfolg ist sehr bescheiden, die Imfpquote steigt kaum.
Bei Veränderungspojekten gibt es die Faustformel, ein Drittel der Betroffenen ist von Anfang an überzeugt und mit Engagement dabei, ein weiteres Drittel kann man mit Argumenten überzeugen und macht dann mit, das letzte Drittel sind die Starren und Unveränderlichen, die man auch mit allen guten Worten nicht überzeugen kann. An dem Punkt scheinen wir nun mit der Impfkampagne auch zu sein. Gut 60% sind geimpft und eine Steigerung scheint nur schwer möglich zu sein.
Trotzdem halten die Politiker*innen unisono an iher Haltung fest. Warum sind sie nicht in der Lage, den Bürger*innen zu vermitteln, dass zumindest in bestimmten Berufsgruppen eine Impfpflicht nun geboten ist? Weil sie Angst haben, den Bürger*innen etwas zuzumuten. Weil sie wieder gewählt werden wollen. Und weil die Bürger*innen ihnen auch zunehmend den Eindruck vermitteln, die Politik möge gefälligst alle Unbill des menschlichen Lebens von ihnen fern halten. Die Bürgerin, der Bürger von heute wollen größtmögliche Fürsorge vom Staat, scheinen aber nicht bereit sich selbst als Bürgerin und Bürger einzubringen.
In dieser Situation müssten die politischen Amtsträger mehr Führung praktizieren. Ich weiß, dass das hierzulande eine problematische Formulierung ist. Aber unsere Politiker sind demokratisch gewählt und uns stehen die notwendigen demokratischen Verfahren zur Verfügung, um beispielsweise eine Corona-Impfpflicht auf den Weg zu bringen. Man muss nur den Mut haben und der Bevölkerung das erklären.
Zur politischen Führung gehört auch, den Bürger*innen zu erklären, dass Bürger-sein mehr ist, als die eigenen Interessen einzufordern. Dass man im Interesse des Gemeinwohls auch mal Zumutungen hinnehmen muss. Nicht nur dann, wenn die Pandemie bereits ausgebrochen oder die Hochwasserkatastrophe schon passiert ist.
Nebenbei können die, die mehr oder überhaupt Demokratie in Unternehmen fordern, aus dem Gezerre um die Impflicht lernen, dass Demokratie Führung nicht überflüssig macht sie aber auch nicht erleichtert.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen