Zum Tod von Frithjof Bergmann
Ich will dem Haufe Verlag keinen Hang zum Zynismus unterstellen. Am 3.9. veröffentlichte er in seinem Personal-Newsletter einen Nachruf auf den New Work Vordenker Bergmann. Einen Tag zuvor erschien an selber Stelle das New Work Barometer 2021. Ein - wenn auch sicher zufälliges - aber dennoch bemwerkenswertes Zusammentreffen.
Wenn Herr Bergmann dieses Barometer noch zur Kenntnis bekommen hätte, müsste er gramerfüllt verstorben sein. Wurden den Befragten im Rahmen dieser Untersuchung doch vier verschiedene Definitionen von New Work vorgelegt, unter anderem auch das "ursprüngliche New-Work-Verständnis" von Bergmann. Dieses landete allerdings auf dem letzten Platz. Auf den ersten Platz kam ein Verständnis, "dass es sich um Massnahmen handelt, die auf das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden abzielen; also dem Erleben von Selbstbestimmung, Einfluss, Bedeutsamkeit und Kompetenz".
Dieses Beispiel zeigt sehr schön, wie eine Idee vom kapitalistischen System gekapert und zur Managementlehre umfunktioniert wird. Wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass Berater die Idee als Geschäftsfeld entdecken. Gewöhnlich ist es dann auch nicht schwer einige Wissenschaftler zu finden, die diesen Prozess mit Studien begleiten.
Bergmann ging es auch um Selbstbestimmung, aber eben nicht im Dienst kapitalistischer Zielerreichung. Das New Work Barometer versammelt so ziemlich alles, was derzeit in der Diskussion um Arbeit en vogue ist. Damit wird der Begriff zu einem Etikett, das auf alles geklebt werden kann, was für Neue Arbeit gehalten wird. Aber es geht immer um Arbeit in unternehmerischen Organisationen und damit letztendlich um Leistungssteigerung, auch wenn für die Beschäftigten durchaus Vorteile dabei anfallen.
Bergmann ging es in seiner Utopie aber darum, dass die Menschen, in einem wesentlichen Teil ihrer Zeit das machen, was sie "wirklich, wirklich" wollen. Von daher wundert es nicht, wenn Bergmanns Verständnis im Barometer hinten landet.
Aber vielleicht sollte man seine Idee selbst auch kritisch auf die Probe stellen. Lange vor ihm hat ein anderer großer Denker sich bereits dieses Themas angenommen: Karl Marx mit seinen Gedanken zum Reich der Notwendigkeit und zum Reich der Freiheit. Wenn man seine auch heute noch aktuelle Analyse gelesen hat (Kapital Bd. III), versteht man, dass man dem Reich der Notwendigkeit nicht so leicht entkommen kann.
Darum lasst uns mit Herrn Bergmann auch all das zu Grabe tragen, was heute so unter New Work daherkommt. Das Gedankengut von Karl Marx ist wenigstens nicht zur Managementlehre verkommen, aber auch er hat es nicht geschafft, das kapitalistische System zu überwinden.
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