Freitag, 26. Juni 2020

Führung in der Fleischfabrik

Die heile Welt der Managementtheorien

Wenn man die Berichte über die Zustände in den Schlachtbetrieben liest, muss man sich fragen, welche Wirkung haben all die unzähligen, wohlklingenden und gut gemeinten sogenannten Managementtheorien und daraus abgeleitete Ratgeberveröffentlichungen. Und man muss feststellen, dass viele dieser Verlautbarungen, insbesondere, wenn es um die 'neue Arbeitswelt' geht, von einer unglaublichen Realitätsferne gekennzeichnet sind. Beispielsweise das immer wieder zu hörende Märchen von der Digitalisierung, die uns von Routinarbeiten entlastet und uns Zeit und Raum für mehr Kreativität ermöglicht, erscheint vor dem Hintergrund der Situation in den Schlachthöfen vollends wie blanker Hohn. Würde man dieses Gerede von einer 'linken' Position aus betrachten, könnte man es als geschickte Ideologie zur Tarnung kapitalistischer Arbeitsverhältnisse einordnen.
Was sind diese Arbeitsverhältnisse anderes als Ausbeutung? Natürlich geht es um die Versorgung mit Fleisch wie Herr Th. gerne betont, aber unter der Vorgabe maximaler Profiterzeugung. Der Profit ist immer noch das letztendlich entscheidende Kriterium. Er bestimmt das Maß der Mitarbeiterorientierung.
Wenn das Ergebnis nicht mehr stimmt, steht der Mitarbeiter im Mittepunkt der Kostenreduzierung bis hin zum Sozialplan. Davor ist sogar die stolze Lufthansa nicht gefeit.
Damit ich nicht missvertsanden werde. Ich halte es für legitim, dass jemand, der investiert dafür auch einen Ertrag haben will. Nur kann der nicht auf Kosten der Mitarbeiter und auch der Kunden maximiert werden.
Was ist mit den sogenannten Managementtheorien? Soll man es besser bleiben lassen? Keineswegs, die Auseinandersetzung über Führung ist absolut notwendig. Nur muss sie fundiert und kompetent sein.
Es ist überflüssig und unsinnig windige Trends in die Welt zu setzen oder alle paar Jahre eine neue Mode in die Welt zu setzen, die mit wohlparfümierter heißer Luft alte Ideen aufbläst. Insofern darf man sich nicht wundern, wenn die weitgehend wirkungslos bleiben, nicht nur in Schlachthöfen.
Derartigen Praktiken kann man nicht mehr mit guten Ratschlägen beikommen. Hier helfen nur noch gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen. Apropos: hier wäre eine gesetzliche Verpflichtung zum Tarifvertrag sinnvoll. Damit würde nicht nur das Entgelt geregelt, sondern auch die wichtigsten Arbeitsbedingungen.
Wer angesichts der Fleischerzeugungs- und Vermarktungskette in Deutschland noch vom ausgleichenden Markt redet, der muss in der Tat verblendeter Ideologe sein. Was natürlich nicht heißt, dass die Marktmechanismen vollständig außer Kraft gesetzt sind. Wir als Verbraucher können sie wirkungsvoll beeinflussen, indem wir weniger und besseres Fleisch essen.



Donnerstag, 18. Juni 2020

Machen Stellenbeschreibungen noch Sinn?

Nicht die Stellenbeschreibung ist das Problem

Sondern wie man damit umgeht. Es gibt immer noch traditionelle Organisatoren, für die muss in einer Organisation klar geregelt sein, wer für was zuständig ist und welche Kompetenzen hat. Das muss auch schriftlich dokumentiert sein. Und es gibt auch immer noch Unternehmen, die Stellenbeschreibungen brauchen, um auf dieser Basis die Stellen zu bewerten und das entsprechende Entgelt zuzuordnen. Dann gibt es die andere Fraktion, der das alles zu starr ist. Sie wollen stattdessen lieber Aufgaben- oder Rollenbeschreibungen, mit der Begründung, damit sei man flexibler. Und die Jünger der agilen Organisation werden klassische Stellenbeschreibungen weit von sich zu weisen, obwohl die Rollen und die dazugehörigen Prozeduren der sogenannten agilen Methoden um keinen Deut weniger formalistisch sind.
Worauf kommt es denn an? In einer Organisation, gleich welcher Art, muss jeder wissen, was er oder sie zu tun hat. Das muss den Beteiligten klar sein und vor allem, ganz wichtig, je arbeitsteiliger die Organisation ist, desto mehr bedarf es der Abstimmung zwischen den benachbarten Funktionen. Ich habe bewußt Abstimmung geschrieben. Gerade an den sogenannten Schnittstellen, zeigt sich die Starrheit traditioneller Stellenbeschreibungen. Hier kann man bewußt Offenheit zulassen und damit Flexibilität ermöglichen.
Spätestens wenn man eine Stelle neu besetzen muss, muss man sich Gedanken darüber machen, was die Person auf dieser Stelle machen soll und was sie dafür mitbringen muss. Und schon ist man mittendrin in der Stellenbeschreibung. Die Informationen, die man dafür braucht, reichen in der Regel vollkommen aus.Wenn man sich bewußt ist, dass in zwei Jahren 30% davon nicht mehr aktuell sind.
Insofern sollte man sich nicht mit eher akademischen Wortklaubereien, ob es sich nun um Aufgaben- oder Stellenbechreibung handelt, beschäftigen, sondern pragmatisch fragen, was braucht die Organisation und was brauchen die Beschäftigten, um zielorientiert zu arbeiten.
Und wer Stellenbeschreibungen braucht, weil er noch ein - möglicherweise sogar analytisches - Stellenbewertungssystem zur Entgeltfindung betreibt, der sollte schnellstmöglich dieses Instrument auf den Prüfstand stellen.

Sonntag, 14. Juni 2020

Home Office

Segen oder Fluch?


"Die Heimarbeit ist diejenige Produktionsform, die infolge ihrer Rückständigkeit die schlimmste Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ermöglicht. Die Heimarbeit isoliert die Arbeiter und Arbeiterinnen, erschwert deren Organisation und macht sie daher unfähig, sich aus eigener Kraft gegen die Ausbeutung zu wehren."

Mit diesem Zitat aus einer Resolution, die auf dem 6. Gewerkschaftskongress 1908 beschlossen wurde, erinnert die ZEIT die sozialdemokratischen Minister Heil und Scholz an die einstige Ablehnung der Heimarbeit durch die Sozialdemokraten. Minister Heil will ein Gesetz vorlegen, das ein Recht auf Homeoffice gewährleisten soll.

Ein gesetzlich garantiertes Recht auf Homeoffice ist unnötig

Weder aus den Gründen, die dem Arbeitsminister am Herzen liegen, noch aus denen die das obige Zitat suggeriert. Was Heil regeln will, ist das Homeoffice, in dem die sozialversicherungsrechtlich beschäftigte Arbeitnehmerin möglicherweise arbeiten will, um Familiensituation und Arbeit vielleicht besser zu vereinbaren. Deren Situation ist jedoch in keiner Weise vergleichbar mit der der Heimarbeiter um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Ein Gesetz, das ein Recht auf Homeoffice verbrieft, müsste zwangsläufigerweise Ausnahmeregelungen und Sonderbestimmungen enthalten, wann und warum dieses Recht wieder eingeschränkt werden kann. Man kann sich leicht vorstellen, was dabei herauskommen kann. Auch die Tarifvertragsparteien sollten vorläufig die Finger von dem Thema lassen. Warum kann der Gesetzgeber die Entwicklung nicht einfach einmal mit aller Aufmerksamkeit beobachten? Eine Sondersituaton, wie die aktuelle unter Corona, taugt nicht, um mit der heißen Nadel daraus irgendwelche gesetzlichen Regelungen abzuleiten. Wenn es zu missbräuchlichen Entwicklungen kommt, kann man immer noch einschreiten.

Abgrenzen von der "klassischen" Form des Homeoffice sollte man dagegen die Arbeit der sogenannten Click-Worker. Die holen sich ihre Aufträge aus dem Netz und bekommen das entlohnt, was sie abgeliefert haben, ohne irgendwelche sozialversicherungsrechtliche oder sonstige vertragliche Bindung. Hier haben wir es mit Selbstständigen, oder wie es so schön heißt, freien Mitarbeitern zu tun. Für diese Gruppe kann das obige Zitat durchaus wieder an Aktualität gewinnen. Es wäre für den Arbeitsminister eher angebracht, diesen Teil des Arbeitsmarktes mit all seinen Ausprägungen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Doch auch die aktuell flächendeckend praktizierte Form der Homeoffice-Arbeit sollte man im Auge behalten. Einerseits ermöglicht sie den Beschäftigten Arbeits- und Privatleben besser unter einen Hut zu bringen, andererseits kann genau daraus auch ein Problem werden. Die zunehmende Entgrenzung zwischen beiden Bereichen darf nicht dazu führen, dass man nachher nicht mehr weiß, wann tatsächlich einmal Feierabend ist. Die Technik ermöglicht ständige Erreichbarkeit und damit auch Verfügbarkeit. Hinzu kommt oft eine knappe Personalbemessung, die ein permanent hohes Arbeitsvolumen zur Folge hat und damit auch das Gefühl, nicht fertig zu werden. Wenn man alle Arbeitsmittel zu Hause und die entsprechenden technischen Möglichkeiten hat, wird Druck aufgebaut, der einen auch später am Abend noch am PC sitzen läßt. Das vielbemühte Bild, nachmittags Zeit für die Kinder zu haben und abends die Mails zu checken, ist dann nicht mehr so verlockend, wenn der Druck so groß ist, dass man keine andere Wahl hat.



Sonntag, 7. Juni 2020

Demokratie in Unternehmen

In der Krise zeigt sich die Wahrheit

Die Corona-Krise muss ja für vieles herhalten. Nicht wenige prophezeihen, dass sich vieles zum Besseren wandele. Wobei das, was für besser gehalten wird, natürlich vom jeweiligen Blickwinkel abhängt.
Im Online-Newsletter des Humanresourcesmanager preist ein gewisser Bodo Antonic die Pandemie als Chance für einen Turnaround. Unter seinen durchaus richtigen, wenn auch wenig überraschenden Ratschlägen, findet sich unter der Überschrift "Der Turnaround muss konsequent geführt werden" die Empfehlung: "Überhören sie Wehklagen und vergessen sie eine demokratisch verwurzelte Diskussionskultur." Fast müsste man Herrn Antonic dankbar sein für diese Offenheit. Ich habe mich an dieser Stelle immer wieder kritisch mit Demokratie in Unternehmen auseinandergesetzt. Sollte es wirklich funktionierende demokratische Prozeduren in unternehmerischen Organisationen geben, werden sie spätestens dann auf eine harte Probe gestellt, wenn eine Krise zu bewältigen ist. Personalmaßnahmen oder gar einen Personalabbau in einer demokratischen Meinungsbildung mit anschließender Abstimmung zu bewältigen, stelle ich mir schwierig vor. Abgesehen vom Zeitbedarf müssen Persönlichkeiten versammelt sein, die in der Lage sind, eine solche Diskussion unter - zumindest zeitweiser - Hintanstellung ihrer eigenen Interessen zu führen. Je größer und heterogener die Organisation ist, desto weniger dürfte das, durchaus verständlicherweise, der Fall sein.
Ehe man also über mehr Demokratie in Unternehmen nachdenkt und vor allen Dingen redet, sollte man den Fall der existentiellen Krise durchspielen und fragen, ob das dann noch tragfähig ist. Im übrigen ist das immer eine sinnvolle Übung, auch wenn man nicht über Demokratie im Unternehmen nachdenken will.