Freitag, 29. Mai 2020

Sexismus nicht nur im Betrieb

Trotz Me Too immer wieder aktuell

Wie würden sie entscheiden? Bei der Weihnachtsfeier philippinischer Pflegerinnen in der Tübinger Uniklinik wird ein Spielchen namens Banana Eating gespielt. Ein Chefarzt klemmt eine Banane zwischen seine Beine. Eine Pflegerin kniet vor ihm und muss diese Banane mit dem Mund schälen.
Wie das heute so ist, landet ein Video davon im Netz. Die Aufregung in der und um die Klinik ist groß. Die Klinikleitung distanziert sich davon und verurteilt das Geschehen. Die beteiligten Ärzte entschuldigen sich anschließend. Der Personalrat fordert arbeitsrechtlche Konsequenzen.
Ein anderes, ganz aktuelles Beispiel aus einem renmmierten, großen Unternehmen. In dessen Kantinenbetrieb läßt ein männlicher Mitarbeiter vor den versammelten Mitarbeiterinnen die Hosen runter und präsentiert sich in der Unterhose. Auf das Zitat der begleitenden Sprüche verzichte ich hier. Einige der Zuschauerinnen lachen. Andere fühlen sich dadurch belästigt. Eine der Frauen filmt auch hier. In diesem Betrieb gibt es offensichtlich öfter solche Vorkommnisse. Manche Frauen haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und halten den Mund. Andere nehmen es wohl lockerer.

Wie sind diese Vorfälle zu bewerten? Klare Antwort für beide Fälle, so etwas geht nicht und die Verantwortlichen müssen das auch klar zum Ausdruck bringen. Arbeitsrechtlich gesehen ist der Tübinger Fall nicht eindeutig. Die ZEIT hat dem Vorfall eine ganze Seite gewidmet und Stellungnahmen fast aller Beteiligten veröffentlicht. Eine betroffene Pflegerin teilt mit, sie habe sich nicht sexuell belästigt gefühlt und auf philippinischen Weihnachtsfeiern sind derartige Spielchen durchaus üblich. Aus den Stellungnahmen der Betroffenen und Beteiligten läßt sich heraushören, dass niemand sich des sexuellen Bezugs bewußt war.
Es hat sich offensichtlich um eine betriebliche Feier gehandelt. Auch wenn einige Beteiligte offensichtlich kein Problem damit oder sogar Spaß dabei hatten, hätte der Professor zum Ausdruck bringen können dass ein derartiges Spiel hierzulande eindeutig sexuellen Bezug hat und er deshalb um Verständnis bittet, sich nicht daran zu beteiligen. Das wäre eine angemessene Reaktion gewesen, die sicher auch Verständnis gefunden hätte. Gerade Führungskräfte müssen das Standing und die Urteilskraft haben sich an solchen Aktivitäten nicht zu beteiligen und sie nicht zu unterstützen.
Damit kann man den Bogen zu den Vorfällen in der Kantine spannen.
Hier wird nämlich deutlich, wohin ein lockerer Umgang mit solchen Vorkommnissen führt. Sexistisch orientiertes Verhalten wird verharmlost und damit gleichzeitig auch gefördert. "Ist doch alles nur ein Spaß".
Das zweite Beispiel ist auch arbeitsrechtlich eindeutiger. Ein derartiges Verhalten am Arbeitsplatz ist nicht akzeptabel. Und dass so etwas dort wohl häufiger vorkommt, bestätigt meine obige These. Hier halte ich eine Kündigung für gerechtfertigt und habe das auch selbst schon in vergleichbaren Fällen praktiziert. Die von den Kündigungen Betroffenen kamen auch bei den angerufenen Arbeitsgerichten nicht weit.
Es ist für eine Organisation wichtig klar Position zu beziehen, dass das keine 'Kavaliersdelikte' sind -  wobei dieser Begriff in diesem Zusammenhang schon zynisch ist.
Und komme jetzt keiner mit dem Spruch: Bei uns gibt es so etwas nicht.




Sonntag, 24. Mai 2020

OKR: Druck durch Zielvereinbarung

Das Silicon Valley zeigt auch hier, wie es geht.

Die Führungsmethode Objectives and Key Results (OKR) soll Mitarbeiter zu nichts weniger wie Höchstleistungen führen. Das in US-amerikanischen Tech-Unternehmen entwickelte Instrument arbeitet mit gewollt unrealistischen Zielen, die ‚visionär‘ und auch durchaus abstrakt formuliert sein können. Die nachgeordneten Abteilungen setzen sich ebenfalls daraus abgeleitete sehr ehrgeizige Ziele und legen „eigenverantwortlich“ (HRMonline 5/20) konkrete „Key Results“ fest,
mit denen dann gemessen werden kann, wie die Ziele erreicht worden sind.  „Die Grundidee dahinter: Mitarbeiter aus der Komfortzone holen. Wer sich ehrgeizige Ziele setzt und den eigenen Beitrag dazu penibel misst, der macht es sich nicht gemütlich. Und erreicht so am Ende mehr, als er selbst für möglich gehalten hätte.“ 
So erwartet man bei dieser Methode von vornherein Zielerreichungsgrade zwischen 70 und 90 %. Wenn regelmäßig 100% erreicht würden, wären die Ziele zu lasch. 10% besser zu werden reicht nicht, sondern zehnmal besser soll es sein.

Unter dem Deckmantel der Eigenveranwortung wird Leistungsdruck verinnerlicht.

Was passiert hier? Den Beschäftigten wird ein abstraktes, aber anspruchsvoll formuliertes Ziel vorgegeben, dass noch mit dem schmückenden Beiwort „visionär“ versehen wird. Daraus sollen sie für sich „in Eigenverantwortung“ konkret messbare Unterziele ableiten. Je ‚visionärer‘ das Oberziel formuliert wurde, desto größer dürfte die Erwartung an die Mitarbeiter sein, für sich auch entsprechende Ziele festzulegen. Die Ziele werden unternehmensweit veröffentlicht und jeder kann sehen, wer wieviel erreicht hat und wer nicht. Damit wird jedem und jeder klar, dass alle ‚am gleichen Strang ziehen‘. Dadurch, dass es keine individuellen Boni gibt, hat man auch gleich den Effekt vermieden, der sonst üblicherweise entsteht, wenn aus abstrakten Zielen konkret messbare entstehen sollen. Es werden nicht von vornherein schon solche Werte vereinbart, die nachher auch für eine ‚garantierte‘ Übererfüllung des Ziels sorgen. Den Mitarbeitern bleibt nichts übrig, als sich dem Erwartungsdruck hinzugeben. So wird ihnen unter dem Deckmantel der Eigenverantwortung  der Leistungsdruck gewissermaßen ‚verinnerlicht‘.
Um den Druck auf dem Kessel zu halten, sind die Vereinbarungszeiträume bewußt kurz gehalten. Statt für ein Jahr, wie in traditionellen Systemen üblich, werden die Ziele für drei Monate vereinbart.
Begründet wird das, mit der höheren Flexibilität.
Dass in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, die OKR-Unternehmen würden sich auf die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter verlassen, kann man je nach Standpunkt schon als Zynismus bezeichnen. So macht auch schon ein Subtitel aus dem zitierten HRM-Artikel keinen Hehl daraus, um was es hier geht: „Mitarbeiter sollen alles aus sich herausholen.“


Freitag, 15. Mai 2020

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Sonntag, 10. Mai 2020

Führungsprobleme in Corona-Zeiten

Ein Abteilungsleiter erfährt am Donnerstag, dass seine Abteilung ab kommenden Montag anstatt im Home Office wieder zu fünfzig Prozent im Büro arbeiten soll. Die Mitarbeiter haben nun Vorbehalte und befürchten wieder ein erhöhtes Infektionsrisiko. Der Abteilungsleiter selbst teilt diese Vorbehalte ebenso.

Zu fragen ist zunächst, wie kommt diese Entscheidung zustande? Wurde das 'von oben' so verfügt, oder gibt es betriebsbedingte Gründe dafür? Wenn ja, wurden diese den Führungskräften erklärt?
Sehr wahrscheinlich war das nicht der Fall, sonst hätte unser Chef die Möglichkeit gehabt, seine Bedenken vorzutragen.
Allerdings muss man auch einige Fragen an die Führungskraft stellen:
Wie hat sie die zurückliegende Zeit erlebt? Ist alles gut gelaufen? Wurde das Geschäft im Großen und Ganzen ordentlich abgewickelt?
Und die ganz wichtige Frage: Hat der Abteilungsleiter selbst sich denn Gedanken darüber gemacht, wie der Übergang in den 'Normalbetrieb' ausssehen könnte? Hat er darüber mit seinem Chef gesprochen? In der Phase der Home Office Arbeit sind bestimmt Erfahrungen gemacht wurden, die man in ein Konzept für zukünftges Arbeiten einfliessen lassen könnte.
So vorbereitet könnte man dann einer Unternehmensentscheidung begegnen und fundiert seine Interessen vertreten. Es kann natürlich auch sein, dass die Home Office Phase überwiegend negative Erfahrungen gebracht hat und dass es berechtigte betriebliche Gründe gibt, nun wieder verstärkt in der Firma präsent zu sein. Dann muss der Chef das auch gegenüber seinen Leuten vertreten.
Dann spielt es natürlich eine Rolle, welche Kultur herrscht in der Organsiation? Wenn der Vorstand 'verfügt', dass ab Montag wieder die Hälfte der Belegschaft im Büro sein muss, heißt das dann, dass alle die Hacken zusammenreißen und wieder an die Büroschreibtische eilen? Oder gibt es soviel Entscheidungsspielräume für die Führungskräfte, dass einer sagen kann, 'wir kriegen das auch hin, wenn nur ein Drittel im Büro ist.'
Nach meiner Erfahrung in Unternehmen gibt es diese Spielräume eigentlich immer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da jemand durchläuft und nachzählt. Wichtig ist, dass die Leistung stimmt. Und wenn das so ist, hat jeder Chef immer ein gutes Argument.

Donnerstag, 7. Mai 2020

HR als Krisenmanager

Corona rückt wieder eine wichtige Unternehmensfunktion in den Blickpunkt

Normalerweise hört man fast nur Gemeckere, von beiden Seiten. Die einen beschweren sich, die Personaler seien nur bürokratische Bedenkenträger, die so Gescholtenen bemängeln, dass sie nicht in strategische Unternehmensentscheidungen einbezogen werden.
Doch kaum ist Krise, da ist alles anders. Die Unternehmen bilden Krisenstäbe - und wer ist an vorderster Front dabei, oder leitet sogar den Krisenstab? Plötzlich merken wieder alle, dass die Personalabteilung eine absolut systemrelevante Einheit ist.
Was muss alles beachtet werden, wenn plötzlich die halbe oder ganze Belegschaft ins Home Office muss? Wer regelt das alles mit dem Betriebsrat? Wer beantwortet die Fragen der Beschäftigten nach Versicherungsschutz, Arbeitszeit und wer hört ihre Sorgen an? Und den immensen administrativen Aufwand der Kurzarbeit müssen sowieso die Bürokraten aus der Personalabteilung abwickeln.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, nutzt die Gunst der Stunde. Jetzt könnt ihr zeigen, was ihr drauf habt. Ihr habt die Kompetenzen, auf die es jetzt ankommt. Ihr wißt, wie man gesetzliche und tarifliche Regelungen in einer solchen Situation pragmatisch anwenden muss. Ihr könnt moderieren und die Interessen der anderen Funktionen ausgleichen und die operative Hektik dämpfen. Ihr habt gelernt zuzuhören und mit den Leuten zu reden.
Aber vergesst auch den ganzen Ballast, den ihr sonst mit euch rumschleppt. Jetzt ist keine Zeit für Strategische Personalplanung oder Performance Management. 
Jetzt sind die Kümmerer gefragt, die besonnen mithelfen, die Organisation "auf Sicht" durch die Krise zu steuern. Das befreit nicht vom aufmerksamen Blick in die Zukunft und dem Lernen aus der Erfahrung.

Sonntag, 3. Mai 2020

Können Ziele bei der Krisenbewältigung helfen?

Das Handelsblatt ist der Meinung, dass es nun auf die richtigen Ziele ankommt.

Es ist zwar verständlich, dass man in derart unübersichtlichen Zeiten nach Zielen sucht, aber Unternehmen zu empfehlen, dass die richtigen Ziele bei der Krisenbewältigung helfen können, mutet schon etwas skurril an. Einen derart überflüssigen Rat kann man nur mit überflüssigen Fragen beantworten. Welches Unternehmen hatte in seinen Zielvereinbarungen eine derartige Entwicklung vorgesehen ? Wie sähen denn in der aktuellen Situation die 'richtigen' Ziele aus?
Nicht nur beim Handelsblatt fällt auf, dass immer noch von Zielgrößen und verläßlichen Plänen geredet wird.
Das kann man in der Tat nur mit Psychologie erklären. 'Wir machen jetzt einen Plan, nachdem wir möglichst schnell aus der Situation wieder raus kommen.' Hauptsache wir haben eine schöne Excel-Tabelle auf dem Schirm, die uns eine Nacht einigermaßen ruhig schlafen läßt. Das gibt uns wenigstens kurzzeitig Halt und gaukelt uns Orientierung vor. Der Vorteil von Excel liegt ja auch darin, dass man die Zahlen ohne großen Mühen wieder verändern kann.
In der Politik hat sich mittlerweile die Devise "auf Sicht fahren" eingebürgert. Die Unternehmen, die von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind, können doch nur ein 'Ziel' haben: möglichst schnell und unbeschadet aus der Krise wieder herauszukommen. Und dieses 'möglichst schnell' können viele noch nicht einmal beeinflussen.
Die Unternehmen, die noch Zielvereinbarungssysteme haben, sollten die Gelegenheit nutzen, diese auf den Prüfstand zu stellen. Für dieses Jahr können sie die eh vergessen.
Stattdessen sollten sie mit ihren Führungskräften und Mitarbeitern trainieren, Sensibilität für Entscheidungshorizonte zu entwicklen. Wie lange kann ich aus heutiger Sicht überblicken? Und wenn der Entscheidungshorizont nur eine Woche reicht, kann ich nicht so tun, als treffe ich eine Entscheidung für die nächsten sechs Monate. Das entbindet natürlich nicht von der Frage: Welche Auswirkungen hat meine Entscheidung möglicherweise? Nur, wenn ich diese Frage nicht beantworten kann, muss ich die Entscheidung trotzdem treffen. Dann nützt es auch nichts, eine Projektgruppe zu gründen, die das Thema nochmal 'gründlich ausleuchtet'.
Es gibt Entscheidungssituationen, die werden auch nicht besser, wenn mehrmals vor und zurück diskutiert wird. Es geht nur Zeit verloren - und das ist dann oft schon der erste Fehler.
Dazu gehört aber auch - und das ist ganz wichtig - den Beschäftigten (oder Betroffenen) zu vermitteln, dass diese Entscheidung möglicherweise nächste Woche wieder korrigiert werden muss.