Sonntag, 26. April 2020

Ist der Föderalismus noch zeitgemäß?

Warum wird er gerade jetzt so gepriesen?

Dabei müsste man bei unvoreingenommer Betrachtung doch eigentlich zu einer anderen Ansicht kommen. Fangen wir mit dem Aufwand an. Da müssen jedesmal die MinisterpräsidentInnen mit den Regierungsvertretern zusammenkommen, um die Massnahmen gegen die Corona Pandemie abzustimmen - und dann verfahren sie anschließend doch nicht gemeinsam.
Das wird dann als Vielfalt gepriesen und Chance verschiedene Wege auszuprobieren. Als ob das in einer zentralen Struktur nicht auch möglich wäre - und wahrscheinlich sogar besser.
Es ist jedenfalls aus Bürgersicht nicht nachvollziehbar, warum in einem Bundesland eine Regelung für richtig erachtet wird, die in einem anderen nicht oder anders praktiziert wird. Bis dann schließlich doch eine halbwegs bundeseinheitliche Verfahrensweise praktiziert wird, ist wertvolle Zeit verloren gegangen.
Die Nachteile des Föderalismus werden allerdings nicht erst jetzt in der Krisensituation deutlich. Unsere föderal organisierte Bildungspolitik ist absolut unzeitgemäß. Die Umsetzung bestimmter bildungspolitischer Konzepte oder die Ausstattung von Bildungseinrichtungen kann nicht von der Regierungssituation in einem Bundesland abhängen. Wenn man die Diskussionen in der Kultusministerkonferenz verfolgt, kann man nicht immer konsequent "sachbezogene" Argumentationen feststellen.
Es wird jetzt gerne davon geredet, dass nach Corona die Welt eine andere sein wird. Ich wette, dass sich bezüglich Föderalismus bei uns kein Deut ändern wird. Es wird noch nicht einmal eine kritische Bestandsaufnahme dazu geben. Da werden die Landesfürstinnen und -fürsten mit all ihrer Macht schon sorgen.
Dabei wären die Erfahrungen aus der Krise eine ideale Gelegenheit auch mit Blick auf Europa den Föderalismus auf die Probe zu stellen. Sind die Gründe, aus denen er entstanden ist, heute noch gegeben? Was sind 'echte' regionale Interessen oder nur vermeintliche? Können die nicht auch in einer zentralen Struktur, vielleicht sogar wirkungsvoller, berücksichtigt werden? Innerhalb des nationalstaatlichen Rahmens gäbe es nicht einmal ein Legitimationsproblem. Die demokratisch legitimierten Institutionen sind alle schon vorhanden.
Und wie in jeder guten Organisation müssen auch in einem Staat nicht alle Entscheidungen an der Spitze getroffen werden. Sie können auf die Ebene delegiert werden, auf der die beste Umsetzungskompetenz vorhanden ist.
Sicher wäre die Überwindung der innerdeutschen Kleinstaaterei ein Lernschritt hin zu einem besser funktionierenden Europa. Zu lernen, regionale Interessen zugunsten eines übergeordneten Ziels zurückzustellen.

Donnerstag, 23. April 2020

Muss Wandel Normalzustand sein?

"Wir müssen den Wandel als Normalzustand begreifen. Er ist die neue Stabilität."

So ein Zitat aus einem Interview im HRM Online-Newsletter. Der Zusammenhang, in den diese bemerkenswerte Sätze gehören, soll hier keine Rolle spielen. Nur soviel: sie wurden von einem Wissenschaftler gesagt, der es eigentlich besser wissen müsste.
Wir leben augenblicklich wieder in einer Phase, in der ganz schnell grundstürzende Zeitenwenden herbeigeredet und geschreiben werden. Die Welt wird nach der Corona Pandemie eine andere sein. Nichts wird mehr so sein wie vorher.
Es lohnt sich also, einmal etwas nüchterner über Wandel nach zu denken. Kann Wandel wirklich ein Normlazustand sein?
Nehmen sie als Beispiel einen Markenartikelhersteller, der eine seit Jahren erfolgreiche und bewährte Marke vertreibt. Der wäre absolut unvernünftig, wenn er nicht seine Marke stabil halten würde und sie nur behutsam aktualisiert oder relauncht. Allein dieses Beispiel macht klar, dass Wandel kein Normalzustand sein kann.
Schauen sie in ihr persönliches Leben. Wie oft sind sie umgezogen? Wie oft haben sie den Job gewechselt? Oder in den politischen Bereich: Warum finden Wahlen nur alle vier Jahre statt? Warum ist es so schwer, Änderungen im Grundsgesetz vorzunehmen?
Man könnte beliebig viele weitere Fragen formulieren. Sie machen eines deutlich: Egal um welche Situation oder um welches Phänomen es geht, es muss zumindest Phasen von Stabilität und Kontinuität geben. Wandel ist notwendig. Das Schwierige an ihm ist, das zu erkennen, was sich ändern muss und von dem zu trennen, was es zu bewahren gilt.
Die Propheten, die Wandel als Normalzustand herbeireden, die reden Veränderungen um der Veränderung willen das Wort. Change ist schick, also machen wir Change.
Nicht die Organisationen werden erfolgreich sein, die sich permanent wandeln, sondern die, die wissen, was sie wie lange stabil halten müssen und was sie wann verändern müssen.

Samstag, 18. April 2020

Mundschutz geht auch schick

Traditionell gewebte Baumwolltücher

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Donnerstag, 16. April 2020

Dilemma-Entscheidung

Was wir in jedem Fall aus der Krise lernen sollten.

"Die Politik" steht gerade vor einer Dilemma-Entscheidung: Soll der Shut Down weiter aufrechterhalten werden, um die Pandemie einzubremsen - und damit eine Rezession zu verstärken oder soll wieder gelockert werden? Eine Entscheidung bei der es scheinbar kein richtiges Ergebnis gibt. Man kann höchstens eine Variante probieren und wenn es nicht klappt, es mit einer anderen versuchen.
Diese Entscheidungssituation findet sich in den Unternehmen wieder, die noch Aufträge haben. Wie können wir das Geschäft bewältigen, ohne die Beschäftigten zu gefährden?
Wir könnten in dieser Zeit lernen, dass wir es zunehmend mit solchen Entscheidungen zu tun haben werden, in allen Rollen, die wir in unserem Leben auszuüben haben. Nicht nur als Manager sondern auch als Beschäftgte und Privatpersonen. Am schwersten dürfte uns dabei fallen eine Dilemma-Entscheidung auch als eine solche zu erkennen und uns nicht in die Tasche zu lügen und so zu tun, als sei alles klar und mit der Entscheidung das Thema erledigt.
Zu der Verantwortung, die wir für andere und uns selbst übernehmen müssen, gehört, vor einer Entscheidung reinen Wein einzuschenken und die Dilemmasituation zu erklären. Nur so kann man den Betroffenen auch vermitteln damit umzugehen.
Eins allerdings gehört zwingend dazu, die Bereitschaft Risiko einzugehen. Faule Kompromisse oder 'auf die lange Bank schieben' kann, nicht nur im übertragenen Sinn, tödlich enden.
Einen Trost gibt es, Gott sei Dank, immer noch: es sind nicht alles Dilemma-Entscheidungen.

Mittwoch, 8. April 2020

"Formale Führung" abgeschafft....

.....stattdessen "Führung der Vielen"

Diesen Prozess ist das IT-Unternehmen smartsteuer am bewältigen. In einem Artikel im Management Modeblatt changement! beschreibt der CEO dieser Firma die natürlich positiven Effekte dieser Transformation.
Da derartige Projekte ja heutzutage in sind, lohnt es sich einmal genauer hinzusehen. smartsteuer hat 30 Mitarbeiter. Der CEO beschreibt in dem Artikel den "Abschied von der hierarchischen Organisationsstruktur" und die "Abschaffung der Abteilungsstrukturen". Da könnte man salopp entgegnen, wer mit 30 Mitarbeitern Hierarchie braucht, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Der Eindruck verstärkt sich allerdings, wenn man liest, dass man das HR-Team abgeschafft habe. Spätestens da wundert man sich als Personaler. Was macht ein HR-Team bei einer derartigen Belegschaftsgröße?
Nun hat man statt Abteilungen "Verantwortungsdreiecke", statt Personalgesprächen gibt es "Feedback- und Konfliktteams" und das Management-Team wird durch einen Strategiekreis mit wechselnden Teilnehmern abgelöst. Es wird nach klaren Visionen mit ebenso klaren strategischen Zielen gearbeitet.
Für einen Außenstehenden klingen die Prozeduren und Instrumente, mit denen nun bei smartsteuer gearbeitet wird, reichlich kompliziert für eine derart überschaubare Organisation.
Wie allgemein üblich bei derartigen Fallbeispielen, bleiben wichtige Fragen unbeantwortet.
Wer trägt tatsächlich die Verantwortung für Entscheidungen? Wenn das Kollektiv Verantwortung trägt, wie sieht das konkret aus? Welche Rolle spielen die Eigentümer? Schließlich die spannende Frage: wer entscheidet über die Gehälter?
Stattdessen manch sinnentleerte Wortglauberei wie "Statt von Projekten wird jetzt von Missionen geredet" und ein fast lustiges Verständnis von Demokratie: "Es gibt keine demokratischen Abstimmungsprozesse, sondern stattdessen gelebte Eigenverantwortung und eine Abstimmung mit den Füssen."
Eine Erkenntnis allerdings ist bemerkenswert: "Es wird nicht mehr nach Scrum gearbeitet und damit gibt es auch keinen Product Owner mehr." Offenbar hat man wenigstens erkannt, dass das mit der Hierarchiefreiheit in agilen Strukturen doch nicht so ganz stimmt.

Freitag, 3. April 2020

Muss Arbeit Sinn machen?

Oder sollte man sich besser gegen unternehmerische Sinnstiftung wehren?

In den Schaufenstern der Management-Modeläden wird wieder einmal ein neuer Trend dekoriert: die Purpose Driven Organisation. Arbeit muss Sinn machen. Die wichtigste Aufgabe von Führungskräften ist es Sinn zu vermitteln.
Doch was soll das eigentlich heißen? Man könnte einmal umgekehrt fragen, wann würde denn Arbeit keinen Sinn machen? Würde jemand über einen längeren Zeitraum etwas machen, was 'keinen Sinn' machen würde, was 'unsinnig' wäre? Davon kann man kaum ausgehen, es sei denn, er würde dafür fürstlich entlohnt. Aber davon kann man erst recht nicht ausgehen.
Solange es sich um eine Tätigkeit in einer Organisation - wie klein, groß, komplex oder einfach auch immer - muss man davon ausgehen, dass diese zumindest insofern sinnvoll ist, als dass sie einen Beitrag zum Ziel der Organisation leistet. Natürlich kann es insbesondere in größeren, formalistisch geprägten, Organisationen Tätigkeitsaspekte geben, deren Sinn sich auch den Ausführenden nur schwer erschließt. Aber immerhin dürfte den Beschäftigten das Ziel der Aktivitäten in der Organisation bekannt sein. Insofern kann es in einem Unternehmen keine Arbeit ohne Sinn geben. Einmal wird in dem Unternehmen ein Output erzeugt, Produkte oder Dienstleistungen und zum anderen soll wahrscheinlich damit auch ein Gewinn erzielt werden. Das wären schon einmal zwei Quellen der Sinnstiftung.
Das ist den Sinnaposteln allerdings zu wenig. Arbeit soll vor allem dann Sinn machen, wenn sie den eigenen Wünschen, Vorstellungen und Fähigkeiten entspricht. Sie soll der persönlichen Entfaltung dienen und man soll das machen können, was man "wirklich, wirklich will", so das Mantra der New Work Bewegung. Da wird es dann schwierig. Ist mir klar, was ich wirklich will? Und wenn ja, kann ich das auch realisieren? Wieviele junge Leute setzen sich mit diesen Fragen auseinander und werden insebsondere bei der Antwortsuche auf die zweite Frage oft sehr unsanft aus möglichen Träumen geweckt.
Will der Paketbote das wirklich machen, was er macht? Auch wenn es ja eine durchaus sinnvolle Tätigkeit ist, für die zuverlässige Zustellung von Paketen zu sorgen. Womit nicht gesagt werden soll, dass es keine Paketboten gibt, denen ihre Arbeit Spaß macht.
Eigentlich hat eine Führungskraft dann schon genug für die Sinnvermittlung getan, wenn sei den Mitarbeitern erklären kann, welchen Beitrag sie zum Ergebnis der Organisation beitragen sollen und dann die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sie auch dazu in der Lage sind.
Beim Versuch die Gedanken der Empowerment-Bewegung in den neunziger Jahren im Unternehmen umzusetzen, haben wir uns immer wieder gefragt, wie schaffen wir es beispielsweise, die Fähigkeiten eines Mitarbeiters, der als Sachbearbeiter arbeitet, in seiner Freizeit aber Vorsitzender eines großen Sportvereins ist, besser in seine Arbeit einzubringen.
Die Erkenntnis ist: Wenn der Mitarbeiter in der Vereinstätigkeit mehr 'Erfüllung' sieht, wird er nicht bereit sein, seine persönlichen Sinnpräferenzen zu ändern, selbst dann nicht, wenn der Job attraktiver gemacht wird. Und wenn er seine Aufgabe auch erfüllt, sollte der Arbeitgeber nicht von ihm zusätzlich mehr Identifikation fordern. Das Unternehmen gehen die persönlichen Überzeugungen des Beschäftigten nichts an und es hat keine Legitimation auch nur zu versuchen diese in seinen Dienst zu stellen.
Die Aufforderung 'Wir müssen für unsere Aufgabe brennen' symbolisiert genau das. Es reicht nicht, wenn der Job ordentlich gemacht wird, 'Du musst alles dafür geben'. Und wer das nicht macht, der zählt nicht zu den Top-Mitarbeitern.
Insofern sollte man dem Purpose-Trend gegenüber mehr Skepsis an den Tag legen, als anderen Management-Moden.