Warum wird er gerade jetzt so gepriesen?
Dabei müsste man bei unvoreingenommer Betrachtung doch eigentlich zu einer anderen Ansicht kommen. Fangen wir mit dem Aufwand an. Da müssen jedesmal die MinisterpräsidentInnen mit den Regierungsvertretern zusammenkommen, um die Massnahmen gegen die Corona Pandemie abzustimmen - und dann verfahren sie anschließend doch nicht gemeinsam.Das wird dann als Vielfalt gepriesen und Chance verschiedene Wege auszuprobieren. Als ob das in einer zentralen Struktur nicht auch möglich wäre - und wahrscheinlich sogar besser.
Es ist jedenfalls aus Bürgersicht nicht nachvollziehbar, warum in einem Bundesland eine Regelung für richtig erachtet wird, die in einem anderen nicht oder anders praktiziert wird. Bis dann schließlich doch eine halbwegs bundeseinheitliche Verfahrensweise praktiziert wird, ist wertvolle Zeit verloren gegangen.
Die Nachteile des Föderalismus werden allerdings nicht erst jetzt in der Krisensituation deutlich. Unsere föderal organisierte Bildungspolitik ist absolut unzeitgemäß. Die Umsetzung bestimmter bildungspolitischer Konzepte oder die Ausstattung von Bildungseinrichtungen kann nicht von der Regierungssituation in einem Bundesland abhängen. Wenn man die Diskussionen in der Kultusministerkonferenz verfolgt, kann man nicht immer konsequent "sachbezogene" Argumentationen feststellen.
Es wird jetzt gerne davon geredet, dass nach Corona die Welt eine andere sein wird. Ich wette, dass sich bezüglich Föderalismus bei uns kein Deut ändern wird. Es wird noch nicht einmal eine kritische Bestandsaufnahme dazu geben. Da werden die Landesfürstinnen und -fürsten mit all ihrer Macht schon sorgen.
Dabei wären die Erfahrungen aus der Krise eine ideale Gelegenheit auch mit Blick auf Europa den Föderalismus auf die Probe zu stellen. Sind die Gründe, aus denen er entstanden ist, heute noch gegeben? Was sind 'echte' regionale Interessen oder nur vermeintliche? Können die nicht auch in einer zentralen Struktur, vielleicht sogar wirkungsvoller, berücksichtigt werden? Innerhalb des nationalstaatlichen Rahmens gäbe es nicht einmal ein Legitimationsproblem. Die demokratisch legitimierten Institutionen sind alle schon vorhanden.
Und wie in jeder guten Organisation müssen auch in einem Staat nicht alle Entscheidungen an der Spitze getroffen werden. Sie können auf die Ebene delegiert werden, auf der die beste Umsetzungskompetenz vorhanden ist.
Sicher wäre die Überwindung der innerdeutschen Kleinstaaterei ein Lernschritt hin zu einem besser funktionierenden Europa. Zu lernen, regionale Interessen zugunsten eines übergeordneten Ziels zurückzustellen.