Dass auch sogenannte "Wirtschaftsweise" nicht immer weise sind, hat der Vorsitzende dieses Sachverständigenrates kürzlich unter Beweis gestellt. Denn mit seinen Gedanken zur Flexibilisierung des "Acht-Stunden-Tages" hat er eine Diskussion wiederbelebt, die gerade in der heutigen Zeit an der Realität vorbei geht. Gewohnt reflexartig reagierten darauf die Arbeitgeber und Gewerkschaften mit ihren jeweiligen Pro- und Contra-Argumenten. Dabei wird wie auch in der Vergangenheit schon mit den üblichen Schlagworten meist nur heiße Luft erzeugt.
Warum wird diese Diskussion der Realität nicht gerecht?
Schon heute gibt es beträchtliche Flexibilisierungsmöglichkeiten, selbst auf der Grundlage des viel gescholtenen, reformierunsbedürftigen und immer wieder missachteten Arbeitszeitgesetzes. Auch in vielen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen gibt es flexible Arbeitszeitregelungen. Vieles von dem, was in den Diskussionen immer wieder gefordert wird ist heute schon mit einiger Phantasie auf beiden Seiten möglich.
Der formale Acht-Stunden-Tag ist längst aufgeweicht - abgesehen davon, dass es beispielsweise im Metalltarif schon lange den Sieben-Stunden-Tag gibt. Nach dem aktuellen DGB-Index Gute Arbeit geben 22% der Befragten an, dass sie sehr häufig per Mail oder Telefon erreichbar sein müssen. 16% leisten außerhalb der normalen Arbeitszeit unbezahlte Arbeit. Wie hoch diese Prozentsätze auch tatsächlich sein mögen, die permanente Erreichbarkeit durch moderne Kommunikationsmittel hat die formale Arbeitszeit ausgehöhlt. Hinzu kommt die fortschreitende und von vielen Unternehmen auch so gewollte Aufhebung der Trennung von Arbeits- und Privatsphäre.
Ehe die Arbeitgeber also weitere Arbeitszeitflexibilisierung fordern, sollten sie die schon bestehenden Möglichkeiten nutzen und sich an den schon vorhandenen zahlreichen positiven Beispielen orientieren. Gut wäre es auch, wenn sie sich von den Praktiken der schwarzen Schafe distanzieren, die mit vielen Tricks versuchen Arbeitszeitflexibilisierung zu Lasten der Arbeitnehmer und oft auch am Gesetz vorbei zu praktizieren.
Die Gewerkschaften sollten der Versuchung widerstehen zuviel regeln zu wollen und keine Stunden zu zählen, sondern dort ansetzen, wo eine Schutzfunktion notwendig ist. Die ist angesichts der aktuellen Entwicklung unverzichtbar.
Die wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren einer Arbeitszeitregelung läßt sich dagegen kaum durch ein Gesetz schaffen: die Personalbemessung. Wo von vornherein mit zu knapper Kapazität gerechnet wird, bringt die schönste Arbeitszeitflexibilisierung nichts.
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