"Unterversorgung mit Informationen ist häufig das Schicksal des Vorgesetzten, der bestenfalls halber Kollege sein kann."
Auch das etwas schwerfällige Soziologendeutsch dieses Zitats von Niklas Luhmann (aus dem von von mir hier schon einmal empfohlenen Büchlein "Der neue Chef") kann die Klarheit der Botschaft nicht beeinträchtigen. Sie enthält zwei Komponenten: der Chef kann nie Kollege sein und das hat die Konsequenz, dass er bestimmte Dinge einfach nicht "mitbekommt". Beides wird von Führungskräften immer wieder ignoriert. Sei es, dass sie gegenüber "ihren Leuten" den Kumpel geben und/oder vor anderen gerne damit angeben, dass sie über alles Bescheid wissen, was in "ihrem Laden" läuft.
(Sprache kann verführerisch sein. Wenn ich jemanden höre, der von "seinen Leuten" spricht und gleichzeitig betont, er lasse nicht den Chef raushängen, dann werde ich misstrauisch.) Luhmann weist in seinem Text daraufhin, dass "geschicktere" Vorgesetzte es vielleicht schaffen, beide Rollen nebeneinander zu spielen, aber nie gleichzeitig. Das "nebeneinander" ist dann der "halbe Kollege".
Warum wollen denn Chefs auch gerne Kollegen sein? Weil sie gemocht werden wollen. Weil sie Anforderungen aus dem Weg gehen wollen, die unter Kollegen wenig üblich und auch nicht notwendig sind, zwischen Chef und Mitarbeiter aber notwendige Voraussetzung: zielgerichtet Lob und Tadel zu vermitteln, Aufgaben zu verteilen, Anweisungen zu erteilen, bei Bedarf zu kontrollieren. Schon an diesen Bestandteilen der Führungsrolle wird deutlich, dass sie mit der des Kollegen nicht vereinbar ist.
Was macht denn nun den "geschickten" Vorgesetzten aus, der zumindest zeitweise beide nebeneinander spielen kann? Geniessen wir dazu die Luhmann'sche Sprache: "Sie haben ihre zugänglichen Stunden, in denen ihr Vorgesetztendasein gleisam eine latente Phase durchläuft und eine offenherzige Aussprache wie unter Kollegen möglich ist." Diese Zugänglichkeit setzt Vertrauen voraus. Wenn die Mitarbeiter wissen, dass sie mit ihrer Führungskraft ein Thema sachlich und unvoreingenommen diskutieren können, auch wenn es vielleicht kontrovers ist. Wenn beispielsweise die junge Mitarbeiterin mit ihrem Chef über ihre eigene Unsicherheit in der Frage Karriere und Familie sprechen kann ohne befürchten zu müssen, dass dieser anschließend in der Förderkartei ein Fragezeichen hinter ihren Namen macht. Das macht Zugänglichkeit aus. Und die sollte allerdings nicht nur in gewissen Stunden spürbar sein.
Krampfhafte Kumpelhaftigkeit ist überflüssig und kommt oft auch bei den Mitarbeitern nicht gut an. Sie ist auch nicht das Gegenteil von autoritär. Der geschickte Vorgesetzte weiß, dass er keine Kollege sein kann, aber deswegen auch nicht autoritär sein muss. Er vermittelt Autorität, in dem er zu seiner Führungsrolle steht und auch zu der Verantwortung, die damit zusammenhängt. Seine Souveränität ist die Basis für die Zugänglichkeit, auch und gerade bei kontroverseren Themen.
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